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Sportverbot: Was tun, wenn der Körper streikt?

Abschied vom Lieblingssport: Frau sitzt in Sportkleidung auf dem Boden
© Rido / Shutterstock
Knie kaputt, Rücken schmerzt - und plötzlich können wir unseren Lieblingssport nicht mehr machen. Sportverbot klingt banal? Ist es aber nicht!

Der Text für diese Geschichte war eigentlich schon fertig, als das Leben dazwischen-grätschte: Ich knickte beim Basketball-Training um und riss mir das Kreuzband im rechten Knie. "Vielleicht sollten Sie sich einen gelenkfreundlicheren Sport suchen", meinte der Arzt nach der Untersuchung lapidar. Ich konnte nicht antworten, meine Kehle war wie zugeschnürt.

Plötzlich Sportverbot?

Klar sollte ich das, das weiß ich natürlich. Aber nach 35 Jahren aufhören? Das ist einfach unfassbar schwer. Mir zog die Diagnose den Boden unter den Füßen weg. Weil man mit seinem Lieblingssport nicht nur viele Erinnerungen und den Spaß an der Bewegung verbindet, sondern weil oft auch liebe Menschen dranhängen. Das war ja genau der Grund, warum ich über dieses Thema schreiben wollte. Und beim Reden mit den betroffenen Frauen klammheimlich gedacht hatte: Wie gut, dass ich noch spielen kann.

Man muss Abschied nehmen und trauern dürfen

Oft sagt unser Lieblingssport ja ganz viel über uns aus: Ob wir reiten und vielleicht Tiere und Freiheit lieben; ob wir Ballett und auch Disziplin und Körperbeherrschung mögen; ob wir gern Fußball spielen und uns im Team und mit viel Siegeswillen durchsetzen wollen; oder ob wir am liebsten allein durch den Wald joggen.

Geliebtes aus der Kindheit

Vor allem Sportarten, die wir in der Kindheit begonnen haben, lassen uns nur schwer wieder los. Zwischen acht und zwölf lernen wir nicht nur Bewegungsmuster am effektivsten und speichern sie tief in uns ab. Auch unser Durchhaltevermögen, unsere Teamfähigkeit und unser Wettkampfgeist werden geprägt. Und manche Freundschaften aus dieser Zeit halten ein Leben lang, weil gemeinsame Erlebnisse und Ziele verbinden.

Kein Wunder, dass wir unserem Lieblingssport oft ein Leben lang treu sind – oder ihn nach einer Pause für uns wiederentdecken. Deswegen trifft es uns besonders hart, wenn wir plötzlich aufhören müssen, weil ein Unfall oder körperliche Beschwerden uns dazu zwingen.

"Oft erleben Menschen es als großen Verlust, wenn sie ihren Sport aufgeben müssen, weil ein wichtiger Bereich ihres Lebens auf einmal wegbricht", bestätigt die Psychologin Gabi Ingrassia. "Ganz wichtig ist es in dieser Situation, diese Gefühle ernst zu nehmen. Das braucht Zeit. Man muss Abschied nehmen und trauern dürfen, sich erlauben dürfen zu sagen: Das ist jetzt echt absoluter Mist."

Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, etwas Neues zu finden

Leider trifft man oft auf Unverständnis, weil es ja kein Job oder Partner ist, den man verliert. "Das stimmt", sagt Ingrassia. "Aber es ist eben nicht nur ein Sport: Man hat auch Freunde dort, bekommt Anerkennung, gehört zu einer Gemeinschaft, fühlt sich gebraucht. Oder man bewegt sich, um sich geregelt zu kriegen, um Ängste, Sorgen und Nöte loszuwerden. Und plötzlich fehlt all das. Das kann zu großer Unzufriedenheit und Frust führen."

Sie rät, sich Zeit zu nehmen für eine ausgiebige Umgewöhnungsphase und in Ruhe auszuprobieren, was einem sonst noch Spaß macht. Wichtig dabei: sich genau zu überlegen, welche Funktionen der alte Sport für einen hatte, um dann gezielt einen Ersatz zu suchen, der dieselben Bedürfnisse befriedigt.

Woher weiß ich, was mir gefällt?

Eventuell muss man das auf mehrere Lebensbereiche aufsplitten: Hat man mit der Bewegung vor allem Stress abgebaut, probiert man vielleicht Yoga, autogenes Training oder einen Kampfsport. Sucht man Geselligkeit, kann man auch in einer Gruppe bowlen gehen oder Karten spielen. Geht es um Gesundheit oder Auspowern, ist vielleicht Crossfit, Schwimmen oder Laufen das Richtige. Und Bestätigung kann man sich statt beim Sport auch im Job oder in einem komplett anderen Bereich holen, zum Beispiel beim Singen, Theaterspielen oder in einem Ehrenamt.

"Das ist sehr individuell und dauert manchmal, bis man das Richtige für sich findet", so die Psychologin. "Meine Erfahrung zeigt aber: Oft entsteht aus der Lücke, die der Wegfall des Lieblingssports gerissen hat, etwas Neues, das vielleicht sogar genauso gut sein kann." Wie bei den folgenden Frauen, die über den Verlust ihres Lieblingssports berichten – und wie sie damit umgegangen sind.

Drei Frauen erzählen von ihren Erfahrungen

"Ich bin einfach ein Wettkampftyp"

Das ist passiert: Daniela, 41, musste mit Crossfit aufhören. Das verlor sie: das Team-Gefühl und die schöne Erschöpfung. Das bekam sie: neue Entspannung beim Yoga und viel frische Luft beim Radfahren.

"Ich liebe schwere Gewichte. Deshalb hat mich Crossfit von Anfang an fasziniert: Die Mischung aus Kraftübungen, Gewicht­ heben, Turnen und Ausdauer war perfekt für mich. Vier­ bis fünfmal pro Woche habe ich trainiert. Ich bin ein Wettkampftyp: Wenn andere schneller waren oder mehr Gewicht schafften, wollte ich das auch. Und das Training war nie langweilig: Du machst zehn Overhead-­Squats, dann schmeißt du deine Gewichte weg, rennst um den Block und machst danach ein paar Sit­ups.

Mein Körper hat sich toll verändert – bis mir mein Beckenboden einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Seit der Geburt meines zweiten Kindes hatte ich Probleme. Einmal war nach dem Training sogar meine Hose nass, und ich stand heulend unter der Dusche. Irgendwann war für mich klar, dass ich aufhören muss. Das ist mir nicht leicht gefallen, das Training war wie eine Sucht für mich. Inzwischen fahre ich drei­ bis viermal pro Woche mit dem Rad zur Arbeit. Und ich mache Yoga. Aber die Endorphinausschüttung und die Gruppendynamik beim Crossfit fehlen mir sehr."

"Monatelang war ich unglücklich"

Das ist passiert: Britta, 44, kann nie mehr Squash spielen – Arthrose. Das vermisst sie: die Teamkameraden, das messen mit anderen. Das genießt sie jetzt: im Studio nicht mehr an feste Trainingszeiten gebunden zu sein.

"Squash war 30 Jahre lang meine große Lei­denschaft – weil es ein schneller, abwechs­lungsreicher Sport ist, der viel Fitness erfor­dert. Ich liebe den Wettkampf, das Gewinnen. Meine ganze Jugend habe ich quasi auf dem Court verbracht, später auch einige Jahre in der Bundesliga gespielt. Vor fünf Jahren fin­gen dann die Schmerzen in der rechten Hüfte an. Bei jeder schnellen Drehung stach es im Gelenk. Irgendwann ging gar nichts mehr. Die niederschmetternde Diagnose: Arthrose.

Sanfte Sportarten wie Schwimmen und Rad­ fahren, sagte der Arzt, seien okay, alle Ballsportarten und Erschütterungen wie beim Laufen eher ungünstig. Monatelang war ich kreuzunglücklich. Die Leute beim Squash fehlten mir. Außerdem brauche ich es, mich richtig auszupowern beim Sport. Als die Schmerzen endlich besser waren, habe ich angefangen, verschiedene Kurse im Studio auszuprobieren: erst gelenkscho­nende Sachen wie Spinning, dann auch intensivere Workouts, bei denen ich richtig ins Schwitzen komme. Den Wettkampf, den ich früher gegen meine Gegnerinnen geführt habe, bestreite ich jetzt gegen mich selber."

"Heute jogge ich zweimal die Woche"

Das ist passiert: Wiebke, 48, hatte einen Bandscheibenvorfall. Basketball ade! Das fehlt ihr: ihre Freundinnen regelmäßig zu sehen – und der Ball! Das freut sie: dass sie sich überhaupt noch sportlich bewegen kann.

"Die Basketballhalle war früher mein zweites Zuhause: Hier war ich mit meinen Freundinnen zusammen, wir hatten eine tolle Gemeinschaft im Verein und im Team. Gemeinsam zu kämpfen, zu gewinnen und auch mal zu verlieren, gefiel mir besser, als allein bei der Leichtathletik weit zu springen, also machte ich irgendwann nur noch das.

Dann fing mein Körper plötzlich an zu zicken. Hinter den Kniescheiben hatte ich einen Knorpelscha­den. Mein Lendenwirbel sprang beim Basket­ballspielen immer öfter heraus. Die Schmerz­mittel, die ich vor den Spielen nahm, halfen irgendwann nicht mehr. Ich musste immer längere Pausen einlegen. Als dann auch noch in der Halswirbelsäule ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert wurde, musste ich aufhören.

Das war extrem hart für mich, weil die anderen ja noch weiterspielten und sich regelmäßig sahen. Ich fühlte mich nicht mehr so richtig dazugehörig. Ich jogge heute zwei­ mal in der Woche und gehe zum Krafttraining ins Fitnessstudio, um meinen Rücken und meine Knie zu entlasten. Das ersetzt nicht das Basketballspielen, aber ich bin froh, dass ich mich überhaupt noch bewegen kann."

Brigitte 01/2019

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