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Warum wird man Vegetarier?

Frau isst Karotte
© Yuri Shevtsov / Shutterstock
Promis wie Julia Roberts und Gwyneth Paltrow machen es vor: Sie verzichten auf Fleisch. Während Vegetarier früher gern belächelt wurden, gilt es inzwischen als hip, zur Tofuwurst zu greifen. In unserer neuen Serie erfahren Sie alles Wichtige zum Thema "Vegetarisch essen". Teil 1: Warum wird man Vegetarier?

Julia Roberts und Gwyneth Paltrow scheinen auch in Deutschland verstärkt Nachahmer zu finden. Vor allem Frauen, jüngere und höher gebildete Menschen verzichten immer häufiger auf Fleisch.

Doch auch wenn vegetarische Ernährung an Attraktivität gewinnt - die Mehrheit isst trotzdem nach wie vor gerne und oft Steak, Putenbrust & Co. Der Fleischkonsum in den Industrieländern ist immer noch hoch: Pro Jahr verzehrt jeder Deutsche rund 60 Kilo Fleisch - die Zahl ist seit 2002 relativ konstant.

Wie viele Vegetarier es in Deutschland gibt, scheint niemand genau sagen zu können. Die Zahlen variieren stark, zwischen 1,6 (Nationale Verzehrsstudie) und 9 Prozent (Europäische Vegetarier Union). Dazu kommt eine steigende Anzahl von Menschen, die sich überwiegend vegetarisch ernähren, also nur selten Fleisch essen und sich wenn, meist auf Geflügel und Fisch beschränken.

Der Trend weg vom Fleisch ist unverkennbar: "Vor sechs, sieben Jahren gab es einen neuen Schwung in der Vegetarier-Bewegung", sagt Thomas Schönberger, Vorsitzender des Deutschen Vegetarierbundes (VEBU). 2000 wurde der erste BSE-Fall bestätigt - vielen Menschen ist angesichts der Rinderkrankheit der Appetit auf Fleisch vergangen.

Seitdem gibt es immer mehr vegetarischen Produkte auf dem Markt, dazu kommt - vor allem in Großstädten - eine steigende Zahl an Restaurants und Fastfood-Ketten mit großem oder ausschließlich vegetarischem Angebot wie "Gorilla", "nat." oder "sattgrün".

"Wenn Sie sich die Kochbücher der letzten Jahrzehnte ansehen, hatte Fleisch immer einen hohen Stellenwert", sagt der VEBU-Vorsitzende Schönberger. Inzwischen setzen Witzigmann & Co. verstärkt auf vegetarische Rezepte.

Was ist überhaupt ein Vegetarier?

Vegetarier lehnen Lebensmittel von toten Tieren grundsätzlich ab, essen also kein Fleisch und Geflügel, kein Fisch und keine Schlachtfette. Am meisten verbreitet sind Ovo-Lakto-Vegetarier, sie machen etwa 90 Prozent der Vegetarier aus. Ovo-Lakto-Vegetarier essen neben pflanzlichen Lebensmitteln nur Produkte, die von lebenden Tieren stammen, wie Milch, Eier und Honig. Unterschiedlich streng gehen sie mit tierischen Produkten wie Lab und Gelatine um (Lab wird zur Herstellung von Hart- und Schnittkäse genutzt und stammt aus Tiermägen, Gelatine wird aus Haut und Knochen von Tieren gewonnen und steckt unter anderem in Gummibärchen, in Desserts wie Götterspeise und manchmal auch in Quark und Joghurt).

Seltenere Varianten sind Ovo-Vegetarier, die zwar Eier essen, aber keine Milch trinken, und Lakto-Vegetarier, die zwar Milch trinken, aber keine Eier essen.

Veganer (etwa 10 Prozent der Vegetarier) lehnen den Konsum tierischer Produkte generell ab, von lebenden wie von toten Tieren. Das gilt nicht nur für Lebensmittel wie Milch, Eier und Honig, sondern auch für Kleidung und Schuhe aus Leder, Wolle und Seide.

Bei der Entscheidung für rein vegetarische oder vegane Kost spielen viele Faktoren eine Rolle. Neben Tierliebe oder Ekel vor Fleisch begründen viele Vegetarier ihre Ernährung auch mit der eigenen Gesundheit und - inzwischen verstärkt - mit Umweltschutz.

Tierschutz und Ethik

Viele Menschen, die vegetarisch leben, empfinden das Töten von Tieren als unmoralisch. Fast 63 Prozent der Vegetarier, die von der Uni Jena in einer Studie zu ihren Motiven befragt wurden, gaben Tierschutz als Hauptgrund dafür an, dass sie kein Fleisch essen. Sie wollen Tieren das gleiche Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gewähren wie Menschen.

Dazu kommt, dass Tierschützer schon lange die grausamen Zustände in der Massentierhaltung kritisieren. Sie beklagen, dass insbesondere in der konventionellen Haltung Tiere auf engstem Raum untergebracht werden und sich deshalb zu wenig bewegen können und dass die Nahrung nicht artgerecht ist. Bei Bio-Fleisch ist die Haltung der Tiere zwar besser, trotzdem bleibt die moralische Frage, ob man Tiere töten darf, um sie zu essen.

Umwelt- und Klimaschutz

Jeder spricht vom Klimawandel - aber was hat unsere Ernährung damit zu tun? Eine Menge! Der weltweite Viehbestand ist durch das Methan, das die Tiere ausstoßen, für fast ein Fünftel der Treibhausgase verantwortlich. Und auch sonst sind die Umweltschäden bei der Erzeugung tierischer Lebensmittel enorm: Riesige Waldflächen werden weltweit gerodet, um Anbauflächen für Futtermittel und Weideland zu schaffen - vor allem für die Industrieländer.

Beinahe die Hälfte der globalen Getreideernte wird an Tiere verfüttert. Das Problem: Um 100 Kalorien aus Fleisch zu bekommen, müssen wir 1000 Kalorien aus Getreide verfüttern - 90 Prozent der Ernte geht verloren. Wenn wir also ein Mal Fleisch essen, nehmen wir genauso viel Anbaufläche in Anspruch als würden wir neun Mal Getreide essen. Menschen, die sich fleischlos ernähren, tragen damit zum Umweltschutz bei. (Mehr zum Thema "Essen fürs Klima")

Gesundheit

In den Industrieländern wird zu viel Fleisch gegessen:Maximal 30 bis 40 Kilo Fleisch pro Person und Jahr sollen wir verzehren, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) - fast das Doppelte essen wir tatsächlich. Und das hat Folgen: Das Risiko für Diabetes, Gicht, Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen erhöht sich, wenn wir häufig Fleisch und Wurst essen. Vegetarier nehmen weniger gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und Purine zu sich, dafür mehr komplexe Kohlenhydrate, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Insbesondere Ovo-Lacto-Vegetarier ernähren sich deshalb gesünder als Mischköstler, die viel Fleisch zu sich nehmen.

Die DGE empfiehlt eine ausgewogene Ovo-Lacto-vegetarische Ernährung durchaus auch als Dauerkost. Für vegane Ernährung gilt das nur eingeschränkt - ausschließlich für gesunde Erwachsene und bei ausreichendem Ernährungswissen ist eine vegane Ernährung aus Sicht der DGE geeignet, bei Säuglingen und Kleinkindern raten sie ganz davon ab. (Welche Nährstoffe brauchen Vegetarier? Mehr dazu in Folge 2 der Serie "Vegetarisch essen")

Starke Abneigung (Ekel)

Während vielen Menschen beim Anblick eines Steaks das Wasser im Munde zusammenläuft, verspüren andere Übelkeit und Brechreiz. Sie empfinden oft schon den Geruch von Fleisch als Ekel erregend. 11 Prozent der in der Studie der Uni Jena befragten Vegetarier geht es so - vor allem den Frauen. Diese starke Abneigung lässt sich nicht eindeutig erklären, da häufig auch individuelle psychosomatische Ursachen eine Rolle spielen. Es muss nicht zwangsläufig etwas mit der Verbreitung von Tierseuchen wie BSE oder der Aufdeckung von Gammelfleisch-Skandalen zu tun haben.

Das Gefühl des Ekels ist ein Ur-Instinkt, der verhindern soll, dass wir etwas Verdorbenes oder Verunreinigtes zu uns zu nehmen: ein genetisch bedingter Schutz vor Ansteckung und Krankheit. Der Mensch ist quasi machtlos, wenn ihn das Gefühl überkommt.

Religion und Kultur

Das Gebot der Gewaltlosigkeit führt in manchen Religionen dazu, dass die Anhänger vegetarisch leben. Vor allem im Hinduismus, Buddhismus und Jainismus gibt es viele Vegetarier. Auch Philosophen wie Platon verzichteten auf Fleisch, ebenso wie Yogis, die sich davon eine harmonisierende Wirkung auf Körper, Geist und Seele versprechen.

Text: Tanja Warkentin und Monika Herbst

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