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Rohkost ist hip - und sorgt für eine klasse Figur

Rohkost Frau mit Korb voll Gemüse in der Hand
© Tati Nova photo Mexico / Shutterstock
Rohkost ist wieder angesagt. Stylische Rohkost-Fans kommen vorwiegend aus Großstädten und essen Glasnudelsalat aus Kohlrabi oder ungebackenen Apfelkuchen. Figurprobleme kennen sie nicht...

Es war an einem Silvesterabend. Nelly Reinle-Carayon saß an einem Tisch voller Speisen, die "stundenlang geschmort und totgekocht worden waren und deren Anblick mich wie ein Schlag ins Gesicht traf". Schluss damit! Gleich zu Jahresbeginn stieg sie auf ein Leben mit der kalten Küche um.

Schon länger fühlte sich die Pfälzerin nicht mehr wohl in ihrer Haut. Kilo um Kilo hatten sich angesammelt, doch strenges Diäten war nicht ihr Ding. "Ich war auf der Suche nach einer Methode zum Abnehmen und stieß im Internet auf Websites, die sich mit Rohkost beschäftigten. Ich war fasziniert: keine Kalorien zählen, Gemüse und Obst nach Belieben, köstliche Rezepte. Ich probierte es aus - und war begeistert. Mein Energielevel stieg so an, dass es für meine Umgebung schwer war mitzuhalten. Ich war fröhlich, ausgeglichen und vor allem mental unheimlich aktiv."

Heute betreibt Nelly Reinle- Carayon einen Online-Shop für Rohkostküche, bietet Seminare an, veranstaltet die zwei- bis dreimal im Jahr stattfindende Rohkostmesse "Rohvolution". Ihr Kochbuch "Rohköstlich" bekam schon den "Gourmand Award" für das beste deutsche Kochbuchdesign.

Rohkost heute - ein angesagter Lebensstil. Zumindest präsentieren sich die modernen Rohköstler als weltoffene, lebensfrohe und kraftvolle Vertreter einer unkomplizierten Ernährungsphilosophie. So wie Markus, Durian oder Alexander, überzeugte Rohköstler, die ihre gestählten Körper angeblich roh verzehrtem Apfel, roter Bete oder Mangold verdanken und die sich voller Stolz auf eigenen Webseiten präsentieren. Wer sich heute für ein Leben ohne Herd entscheidet, weilt jedenfalls unter vielen Gleichgesinnten. Es gibt inzwischen Blogs über Rohkost, reine Rohkost-Restaurants und Urlaubsangebote für Rohköstler. Und natürlich eine Fachzeitschrift, "Die Wurzel".

In Großstädten und drum herum treffen sich Rohköstler und alle, die es noch werden wollen, immer häufiger zu so genannten Rohpotlucks: Man verabredet sich mit anderen per Internet, und jeder bringt etwas zu essen mit - natürlich unbedingt roh!

Darüber hinaus finden sich erfahrene Rohkostesser zu Ausflügen in freier Natur zusammen, um dort gemeinsam Ausschau nach Wildkräutern, Nüssen, Wurzeln und Beeren zu halten - der "Urkost". Auch der Verzehr von ein bisschen Erde gehört ab und an dazu. Doch so weit gehen nur Hardcore-Anhänger.

Die Bewegung hat noch mal einen richtigen Schub bekommen, seit vor zwei Jahren der erste Weltrohkosttag stattfand und das Internetportal "Germany goes raw" gegründet wurde. Stacy Macaulay, Alex Herrmann (www.thebestever.de), Michelle Grund und Heike Michaelsen (www.rohspirit.de) betreiben die Seite ehrenamtlich, um die Vernetzung der Rohköstler untereinander zu verbessern und den Rohkost-Trend positiv nach außen zu tragen.

Aber was genau treibt diese Leute eigentlich? Zum einen sind sie fest davon überzeugt, dass Gemüse und Obst roh die meisten Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Zum anderen haben viele von ihnen ethische Bedenken gegenüber dem Verzehr von Tieren. Und manch einer zieht auch schon mal krude Argumente heran, etwa unsere Verwandten, die Menschenaffen - die essen schließlich auch alles roh...

Es stimmt zwar, dass Obst und Gemüse roh gegessen in der Regel am gesündesten sind. Beim Kochen werden häufig Vitamine zerstört. Deshalb erwärmen Rohköstler Zutaten - wenn überhaupt - auf höchstens 40 Grad. Doch ganz so unkompliziert, wie Rohkost-Fans behaupten, ist ihre Ernährung nicht: Pflanzenfasern müssen besonders gut gekaut werden, damit es später keine Blähungen und Bauchschmerzen gibt.

Auch der Verzehr von ein bisschen Erde gehört ab und an dazu. Doch so weit gehen nur Hardcore-Anhänger. . .

Deshalb schwören Rohköstler auf einen Zaubertrank. Der ist giftgrün, zähflüssig und besteht aus Kohl, Früchten, Salat oder Kräutern und trägt den freundlichen Namen "grüner Smoothie". Meist wird er einmal täglich - gern zum Frühstück - getrunken, manchmal ersetzt er auch mehrere Mahlzeiten am Tag. Das Mixgetränk soll alles enthalten, was der Körper braucht, um gesund, vital und schön zu werden und auch zu bleiben: Vitamine, ungesättigte Fettsäuren, Enzyme, Ballaststoffe, Antioxidanzien und, und, und. Substanzen, die Rohköstler durchaus gebrauchen können, weil sie sich doch etwas einseitig ernähren.

Entwickelt hat den Smoothie Victoria Boutenko: Die gebürtige Russin, die seit Langem in den USA lebt, mutierte dank strikter Rohkost von der übergewichtigen Kranken zum Aushängeschild einer ganzen Bewegung. Seither mixen sich ihre Anhänger täglich ihre Portion Löwenzahn, Avocado oder Petersilie zusammen und verdanken dem Grünzeug angeblich ihr kernigknackiges Aussehen. Das behauptet auch Markus Rothkranz. Den Filmproduzenten aus Hollywood würde man rein optisch eher als Stammkunden beim Metzger verorten - kaum zu glauben, dass seine eindrucksvollen Muskelberge ohne ein tägliches Steak entstanden sind.

Text: Merle Wuttke Foto: plainpicture Ein Artikel aus BRIGITTE 06/11

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