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Proteine: Das steckt hinter dem neuen Food-Star

Proteine: Milch und Hülsenfrüchte
© Rimma Bondarenko / Shutterstock
Proteine gelten als der neue Food-Star. Dahinter verbirgt sich das gute alte Eiweiß. Im Körper sorgt es etwa dafür, dass sich wichtige Muskeln mit dem Alter nicht verdünnisieren. Warum wir eine Extradosis davon brauchen, selbst wenn wir Sport treiben, sowie weitere wichtige Erkenntnisse zum Ernährungstrend.

Proteine sind gerade in aller Munde – Warum ist das so?

Ganz simpel: weil sie so gut sättigen. Vieles deutet darauf hin, dass man von ganz allein weniger Kalorien zu sich nimmt, wenn man proteinreiche Lebensmittel konsumiert. Das macht Abnehmen ohne zu hungern überhaupt erst möglich. Noch dazu kurbeln Proteine den Stoffwechsel an. Eiweiße zu verarbeiten, bedeutet für den Körper nämlich Schwerstarbeit. Sie werden zunächst in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, die Aminosäuren. Und dann entweder in körpereigenes Eiweiß ein- oder zu Glukose umgebaut, dem wichtigsten Zucker im Körper.

Bei diesem Prozess gehen sage und schreibe bis zu 25 Prozent des Kaloriengehalts verloren. Zum Vergleich: Es werden höchstens drei bis fünf von 100 Kilokalorien benötigt, um Fett im Körper zu speichern. Aus gutem Grund sind Proteine der Hauptbestandteil von Diät-Drinks. Wir brauchen sie, um Muskeln und viele andere Strukturen im Körper aufzubauen. Sie sind unser Baumaterial.

Essen wir nicht schon genug Proteine?

Grundsätzlich ja. In EU-Ländern oder Nordamerika konsumieren wir deutlich mehr Eiweiß als die 0,8 Gramm pro Kilo Körpergewicht, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt (eine 60 Kilo schwere Frau braucht beispielsweise etwa 50 Gramm). Das liegt am hohen Fleischkonsum, denn Fleisch und Fisch sind nun mal echte Proteinpakete: Allein 100 Gramm Hähnchenbrust bringen schon mal gut 22 Gramm Protein ein. Aber gerade Frauen ab 40 verzichten oft auf viel Fleisch; und auch Sportler und ältere Menschen brauchen meist mehr Proteine, als sie zu sich nehmen.

Dabei liegt die Empfehlung für über 65-Jährige sogar bei 1 Gramm pro Kilo Körpergewicht am Tag. Wenn ältere Menschen gebrechlich werden, sollten sie noch stärker gegensteuern: Da können statt der empfohlenen 60 Gramm auch mal 90 nötig sein. Dann sind Protein-Shakes sinnvoll, am besten kombiniert mit Balance- und Koordinationsübungen. "Aber die schmecken leider oft so süß, dass man sie nur ungern und selten über längere Zeit trinkt", so Prof. Hauner.

Wieso sind sie gerade in unseren mittleren Jahren so wichtig?

Traurig, aber leider wahr: Mit zunehmendem Alter büßen wir Muskulatur ein. Schon ab 25 verlieren wir jedes Jahr 0,5 bis 1 Prozent Muskelmasse – ab 50 sogar doppelt so viel. "Bewegung, aber auch die richtige Ernährung, die uns mit Proteinen und allen Aminosäuren versorgt, tragen wesentlich dazu bei, diesen Muskelabbau hinauszuschieben", sagt Prof. Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU München.

Dabei gilt: "Je älter ein Mensch ist, desto mehr Proteine benötigt er für Reparatur- und Renovierungsprozesse", so Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Zugleich verarbeitet der Organismus Nahrungseiweiße mit zunehmendem Alter schlechter – also, in diesem Fall bitte mehr davon!

Brauchen Frauen denn überhaupt so dringend Muskeln?

Sicher, denn ohne sie steigt etwa das Sturz-Risiko immens. Nimmt ihre Zahl ab, reagieren die großen weißen Skelettmuskelfasern bei abrupten Bewegungen nicht mehr schnell genug. Das ist mit 40 oder 50 noch kein großes Thema, aber später umso mehr. Deshalb ist es sinnvoll, frühzeitig gegenzusteuern.

Bewegte Muskeln produzieren zudem hormonähnliche Botenstoffe, sogenannte Myokine, die viele Organe positiv beeinflussen sollen. Etwa die Leber, die Bauchspeicheldrüse, den Darm oder das Gehirn. Außerdem können Myokine den Blutdruck senken. Ganz abgesehen davon tun Muskelbewegungen den Knochen gut. Heißt: Wer seine Muskeln pflegt, pflegt auch die gesamte Gesundheit.

Ich bin Vegetarierin – Ein Problem?

Tierische und pflanzliche Proteine wirken im Körper unterschiedlich. Etwa, was den Gehalt der acht essenziellen Aminosäuren angeht (z. B. Lysin oder Methionin). Das sind Eiweiß-Bausteine, die unser Körper nicht selbst bauen kann. Genau wie Vitamine müssen wir sie über die Nahrung aufnehmen, denn wir brauchen sie unbedingt. Das Problem: Ist auch nur eine einzige essenzielle Aminosäure in zu geringer Menge vorhanden, werden auch die anderen nicht zum Proteinaufbau genutzt, dafür in Fette und Zucker umgewandelt.

Tierisches Protein aus Ei, Milch, Hähnchenbrust und Co. kann da stärker punkten. Denn pflanzliche Lebensmittel enthalten nur wenig Lysin. Hülsenfrüchte oder Soja sind zwar gute Zulieferer, dafür fehlt ihnen aber das wichtige Methionin. Doch es gibt noch einen zweiten Unterschied – diesmal gewinnt allerdings das Pflanzen-Potein. Denn das Grünzeug enthält eine Menge Vitamine, Ballast-, Mineral- und sekundäre Pflanzenstoffe. Die wirken sich nicht nur positiv auf Darmbakterien und Herzgesundheit aus, sondern auch gegen Tumorerkrankungen. Tierisches Eiweiß dagegen steckt oft in Produkten, die auch reichlich Fett mitbringen; und bis auf wenige Ausnahmen, so etwa Kaltwasserlachs, sind das leider keine guten Fette. Deshalb sollte man rotes Fleisch oder Wurst nur in Maßen konsumieren: Beides erhöht das Risiko für Darmkrebs und Diabetes.

Und wie bekommt man nun die beste Proteinversorgung hin? "Will man sich proteinreich ernähren, ist es ratsam, den Anteil pflanzlicher Proteine möglichst groß zu wählen und tierische ergänzend zu essen", so Ernährungsmediziner Hauner. Dafür darf man sich ruhig ein paar Tricks bei Vegetariern und Veganern abschauen – mehr dazu gleich.

Und wie decke ich als Veganerin meinen Eiweißbedarf?

Die Lösung heißt: klug kombinieren! Wird Soja zum Beispiel zusammen mit Getreide gegessen, steuert dieses das fehlende Methionin bei. "Die Eiweißmenge lässt sich also auch optimieren, wenn die Nahrungsproteine rein pflanzlicher Herkunft sind", so Sportmediziner Froböse. Gute pflanzliche Proteinquellen sind neben Getreide auch Soja oder Hülsenfrüchte wie Linsen und Kichererbsen. Lupinen-Proteine liefern sogar alle essenziellen Aminosäuren. Auch Nüsse, Ölsaaten und Gemüse enthalten Protein.

Welches Lebensmittel ist denn nun am besten?

Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Um besser vergleichen zu können, wie nützlich Eiweiß aus einer bestimmten Quelle ist, wurde der Begriff der "biologischen Wertigkeit" eingeführt. Wie hoch diese ausfällt, hängt im Wesentlichen von den essenziellen Aminosäuren ab. Für Hühnereier wurde willkürlich der Referenzwert 100 festgelegt. Der Wert hat mit dem tatsächlichen Proteingehalt eines Lebensmittels jedoch nichts zu tun. "Das Protein in Kartoffeln beispielsweise ist mit einem Wert von 96 zwar hochwertig. Pro 100 Gramm Kartoffeln sind aber nur etwa drei Gramm Eiweiß enthalten", sagt Ernährungswissenschaftler Prof. Peter Stehle von der Universität Bonn.

Rindfleisch hat mit 87 eine niedrigere biologische Wertigkeit, enthält pro 100 Gramm aber rund 25 Gramm Eiweiß. Gerade Veganer sollten also beide Werte – biologische Wertigkeit und Eiweißgehalt – ihrer Nahrung im Auge haben. Kombiniert man etwa Sojaprodukte oder Linsen mit Quinoa oder Reis, dann steigt die biologische Wertigkeit an. Eine gute Kombi: 100 Gramm Sojaschnitzel und 80 Gramm Vollkornreis liefern zusammen rund 50 Gramm Protein der Wertigkeit 111.

Also je mehr Protein, desto besser?

Nein, so auch nicht. "Der Körper hat nur eine begrenzte Aufbaukapazität. Eine Überversorgung mit Baustoffen macht keinen Sinn", sagt Froböse. Mehr als 1,6 Gramm Protein pro Kilo Gewicht und Tag bringt selbst Sportlern gar nichts für Muskelmasse und -kraft; dieses Ergebnis lieferte unlängst eine kanadische Studie. Und auch was pro Mahlzeit verarbeitet werden kann, ist limitiert auf um die 30 Gramm Protein. Darum ist der Superstoff am besten nutzbar, wenn man die Zufuhr über den ganzen Tag verteilt – und Eiweiß von hoher Wertigkeit bevorzugt.

Schadet zu viel Eiweiß meinen Nieren?

Keine Sorge. "Sofern die Nieren gesund sind und tadellos arbeiten, sind bis zu 1,5 Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht und Tag nicht schädlich. Vermutlich gilt das sogar für bis zu 2 Gramm", sagt Prof. Michael Fischereder, Leiter der Nephrologie am Universitätsklinikum München. "Wer dagegen im mittleren Alter bereits eine eingeschränkte Nierenfunktion hat, sollte nicht mehr als 0,8 Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht und Tag essen." Wichtig: nebenbei unbedingt viel Wasser trinken!

Warum soll die Kombination aus Krafttraining und proteinreicher Nahrung so optimal sein?

Klingt seltsam, aber weil die Muskeln beim regelmäßigen Krafttraining leicht überfordert werden. Dadurch entstehen ultrafeine Risse, für deren Reparatur der Muskel Proteine verbraucht. Außerdem wappnet er sich für künftige Belastungen, indem er zusätzliches Eiweiß einlagert. Tolles Resultat: Der gesamte Muskel wird so langfristig dicker. Übrigens haben unsere Muskeln ein Gedächtnis. Sie wachsen stärker und schneller, wenn sie schon früher gut trainiert waren. Also am besten schon mit 40 oder davor mit dem Krafttraining anfangen. Aber, gut zu wissen: Es ist auch mit 60 nicht zu spät.

BRIGITTE WOMAN 06/2019

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