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Pilze Alleskönner aus dem Wald

Pilze: eine Frau mit hellem Pullover trägt einen geflochtenen Korb mit Pilzen im Arm
© encierro / Shutterstock
Die kleinen Waldgewächse sind echte Multitalente: als Fleischersatz und Immunbooster kommen Pilze gerade ganz groß raus.

Vom Schatten ins Rampenlicht: Speisepilze legen als Trendfood gerade eine rasante Karriere hin. Innerhalb von sechs Jahren wuchs der Pilz-Anbau in Deutschland von 66 500 Tonnen auf 85 100 Tonnen. Und das liegt nicht nur an ihrer Wirkung als Immunbooster – seit der Coronapandemie spricht man von einem "(Mu)shroom-Boom". Auch die steigende Nachfrage nach Fleischersatzprodukten kurbelt den Trend an: Denn Speisepilze sind nicht nur nährstoffreich, sondern schmecken auch fleischähnlich-würzig und sind ziemlich nachhaltig.

Was macht Pilze zum Superfood?

Dass sie eine Art Multivitamintablette sind. Pilze sind reich an Kalium, Kupfer, Selen, den B-Vitamine Riboflavin und Niacin und Vitamin D und stecken voller Antioxidantien, die vor freien Radikalen schützen. Allerdings variieren die Gehalte je nach Art und Standort. Einziges Manko: Das Chitin in der Pilzzellwand ist ein Spielverderber, der manchen Menschen die Verdauung erschwert. Auch zu lange gelagerte oder alte Pilze sind oft unverträglich. Falsch ist hingegen die häufig verbreitete Annahme, dass man Pilze nicht aufwärmen darf. Frische Pilze aus kultiviertem Anbau und Steinpilze kann man in kleinen Mengen sogar roh essen. Aber Vorsicht: Wer selber sammelt, sollte sich gut auskennen und bei Zweifeln eine Pilzberatung aufsuchen – viele Arten sind nämlich giftig!

Was sind Heilpilze, von denen man jetzt öfter liest?

Glaubt man diversen PR-Websites, sollen Heilpilze eine Art Vollkaskoversicherung gegen Coronainfektionen, Allergien, Impotenz, Stress, Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs sein. Etwa 700 Arten wird eine Heilwirkung nachgesagt. Aussagekräftige Studien gibt es dazu allerdings nicht. Vor allem in Japan und China ist die sogenannte Mykotherapie beliebt. Dort werden etwa der Raupenpilz, Reishi oder die Schmetterlingstramete als Extrakte verabreicht. Außerdem gibt es essbare Medizinalpilze wie Shiitake, Maitake oder Affenkopfpilz. Die Verbraucherzentrale rät von "Heilpilzen" oder "Vitalpilzen" als Nahrungsergänzungsmittel ab, weil einzelne Inhaltsstoffe sehr hoch dosiert sind, und warnt: "Eine positive Beeinflussung von Krebserkrankungen durch Vitalpilze ist nicht belegt."

Welche Pilze sind die beliebtesten Superhelden?

Austernpilze, Champignons, Pfifferlinge, Steinpilze und Shiitake kennt fast jeder. Wer jedoch mal andere Sorten wie den Affenkopfpilz oder den Limonenpilz probieren möchte, kann sich ein kleines Anzucht-Set für den Balkon kaufen. Im Handel gibt es auch sogenannte Hybridprodukte. Hier wird Fleisch mit Pilzen kombiniert. Die Firma Rebel Meat aus Wien hat etwa Burger-Patties aus Rindfleisch und Kräuterseitlingen entwickelt.

Und was qualifiziert sie als Fleischersatz?

Pilze sind Proteinbomben: Die Waldgewächse liefern alle notwendigen Aminosäuren – diese Proteinbausteine tragen zu dem als fleischartig oder auch würzig beschriebenen Pilzaroma bei, Austernpilze erinnern zum Beispiel geschmacklich an Kalbfleisch. Auch das Fleischersatzprodukt Quorn gilt als gute Alternative, da es der faserigen Textur von Fleisch ähnelt. Es besteht aus Pilzfäden, die mit Milcheiweiß und anderen Substanzen zu Fleischalternativen verarbeitet werden – die sind besonders ballaststoff- und proteinreich und als Schnitzel, Hackfleisch oder Nuggets im Handel.

Und was bitte ist Mushroom-Coffee?

Food-Designer haben sich eine besondere Kombination ausgedacht: Instant-Kaffee plus Vitalpilzpulver! Das Ganze wird als Mushroom-Coffee und Hipster-Getränk verkauft. Zum Beispiel der Wild Brew Coffee von "Brain-Effect", der allerdings trotz Vanille-Aroma und Chai-Gewürzen bitter-erdig nach Chaga- und Affenkopfpilz schmeckt. Nicht so yummy. Und dazu auch noch ganz schön teuer.

Umweltsünder oder Öko-Nerd?

Öko-Nerd! In den Wald gehen, Pilze sammeln, genießen – das ist so ungefähr die umweltfreundlichste Ernährungsweise, die es gibt. Aber klar: Würden das alle machen, hätten wir vermutlich irgendwann keine Speisepilze mehr, und auch das Ökosystem Wald würde leiden. Doch auch Zuchtpilze haben einen sehr geringen ökologischen Fußabdruck. Sie wachsen sehr schnell und können auch auf Abfällen sprießen, etwa auf Stroh, Hühnermist, Holzschnitzeln oder Kaffeesatz. Betrachtet man die Klima-Emissionen, liegen Pilze nur geringfügig höher als Obst und Gemüse, aber weit unter tierischen Produkten.

Die Pilzforscherin Vera Meyer von der TU Berlin ist sogar überzeugt: Pilze können einen großen Beitrag leisten, unsere Welt gesünder, nachhaltiger und lebenswerter zu machen. Schon jetzt sind Pilzsubstanzen geeignet, um Baustoffe wie Beton oder Rigips, Leder in Kleidungsstücken oder Verpackungen aus Plastik zu ersetzen – ressourcenschonend und recyclingfähig.

Und die Strahlenbelastung?

Zuchtpilze sind unproblematisch. Für Wildpilze wie Steinpilze im Handel gilt, dass sie einen Gehalt von 600 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm nicht überschreiten dürfen. Wer selber auf die Pilz-Jagd gehen möchte, sollte sich beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) informieren, wie die Strahlenwerte in der Region aussehen. In bayerischen Gebieten südlich der Donau sind aufgrund der Tschernobyl-Katastrophe im Jahr 1986 noch hohe Strahlenbelastungen zu finden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät, nicht mehr als 250 Gramm Wildpilze pro Woche zu essen. Zumal sich auch Schwermetalle in den Waldgewächsen anreichern können.

Lesetipp: Hier erklären wir dir, wie du Pfifferlinge einfrieren kannst.

Brigitte

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