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Tim Mälzer rückt der Wurst auf die Pelle

Tim Mälzer rückt der Wurst auf die Pelle
© NDR/tibool Media GmbH
Wie gut ist unsere Wurst? Dieser Frage ging Starkoch Tim Mälzer für die ARD nach. Was drin steckt und worauf wir beim Einkaufen achten sollten.

Der Durchschnitts-Deutsche isst im Jahr 30 Kilogramm davon - damit halten wir einen Wurst-Weltrekord. Und der Hunger wird immer größer: 1950 wurden in Deutschland neun Millionen Schweine geschlachtet, 2012 waren es schon 58 Millionen. 18 Prozent des Fleisches wird zu Wurst verarbeitet.

Die Vorlieben sind je nach Region verschieden: Während im Norden vor allem Rohwurst wie Salami oder Mett gegessen wird, gibt es im Süden vorwiegend Brühwürste. Westdeutsche legen sich vor allem Schinken aufs Brot, im Osten beißt man am liebsten in die Bratwurst.

Dass wir so viel Wurst essen, ist eigentlich verwunderlich - denn ihr Ruf ist nicht der Beste. Grund genug für Starkoch Tim Mälzer, für die ARD einmal genauer hinzuschauen: Was steckt drin in der Wurst? Woher kommt das Fleisch und wie ungesund ist sie wirklich?

Check 1: Die Herkunft

In Bayern trifft Tim Mälzer Metzgermeister Josef Geisenhofer. Er schlachtet und verarbeitet die Tiere noch selbst, verzichtet dabei auf Zusatzstoffe und kann genau sagen, wo das Fleisch herkommt. Damit kann er bei Mälzer punkten: "Ich bin wirklich begeistert von der handwerklichen Perfektion, dem Geschmack und am meisten davon, dass ich als Kunde absolut nachvollziehen kann, wo das Tier herkommt, das hier zur Wurst verarbeitet wird."

So transparent ist die Produktionskette bei industrieller Wurst nicht. Mit einer Fleisch-App will Mälzer prüfen, wo die Wurst aus dem Supermarktregal herkommt. Doch die Veterinär-Kontrollnummer, die auf jeder Wurst-Packung in Deutschland stehen muss, gibt lediglich Aufschluss darüber, wo das Fleisch zuletzt verarbeitet wurde.

Als Mälzer per Telefon bei den Herstellern nachfragt, speisen sie ihn mit dem Hinweis ab, es handele sich um "Herkunftsländer im europäischen Raum", etwa Polen oder Dänemark. "Eigentlich habe ich keine Chance, die Herkunft von industrieller Wurst nachzuvollziehen - weder über die Internetseiten der Hersteller noch über die Kunden-Hotlines. Als Verbraucher bin ich aufgeschmissen."

Von den zehn größten Wurstfabriken stellt sich nur Christian Rauffus, Geschäftsführer der "Rügenwalder Mühle", Tim Mälzers Fragen. Er gibt zu, dass die Herkunft des Fleisches für seinen Betrieb nicht das wichtigste Kriterium ist. "Am Ende geht es ums Geld und was die Produkte kosten. Dass massenhaft Lebensmittel erzeugt und massenhaft Tiere gehalten werden, liegt eben vorwiegend daran, dass es massenhaft Verbraucher gibt, die billig einkaufen wollen", behauptet Rauffus.

Da gibt der Fernsehkoch lieber etwas mehr Geld für Wurst vom Metzger aus. Ein Schwein, das Metzgermeister Geisenhofer verarbeitet, ist in der Produktion nur 20 Euro teurer als ein Schwein aus einem Mastbetrieb, der Supermarktketten beliefert. Dort stehen die Tiere auf Plastikrosten, die Säue müssen vier Wochen am Stück in einem Gestell stehen, um ihre Ferkel nicht zu erdrücken. Jedes Tier hat gerade mal 0,6 Quadratmeter Platz. Nach drei Monaten sollten sie ein Gewicht von 90 Kilogramm haben. Pro Kilo Schweinefleisch bekommt ein solcher Mastbetrieb 1,60 Euro.

Mälzers Stullentest zeigt noch einmal, wie marginal der Preisunterschied ist: Eine Brot mit 40 Gramm Bierschinken vom Metzger ist lediglich 12 Cent teurer als 40 Gramm abgepackter Schinken.

Check 2: Die Zutaten

Dass der Name eines Produktes oft wenig mit dem Inhalt zu tun hat, zeigt Tim Mälzer am Beispiel einer "Gänsepaté mit Sommertrüffel". Ein Blick auf die Zutatenliste sorgt für Ernüchterung: Schweinefleisch, Speck, Schweineleber, Bouillon aus Schweinefleisch - erst als fünfte Zutat werden sieben Prozent Gänsefleisch und vier Prozent Gänseleber aufgeführt. Der Trüffelanteil beträgt 0,5 Prozent. "Das ist eine Schweinepaté!", sagt Mälzer.

Das ist den Leitlinien des Deutschen Lebensmittelbuches zufolge sogar in Ordnung. Denn nur, wenn ein Produkt den Zusatz "rein" enthält, muss ausschließlich Fleisch der angegebenen Tierart verwendet werden. So besteht etwa eine Kalbsleberwurst zu gerade einmal fünf Prozent aus Kalbsleber. Und: Selbst der Zusatz "Natur" bedeutet nicht, dass ein Produkt frei von Chemie ist.

Mit Philipp Hammer vom "Max Rubner-Institut für Fleischqualität" vergleicht Tim Mälzer die Zutaten einer traditionell hergestellten Salami (Speck, Schweinefleisch, Nitritpökelsalz, Zucker) mit denen auf der Inhaltsliste einer Salami aus dem Supermarktregal. Dort sind elf Zutaten aufgeführt. Warum allein vier verschiedene Zuckersorten drin stecken, kann auch Hammer nicht beantworten.

Das Nitritpökelsalz erfüllt gleich mehrere Funktionen: Es macht Wurst haltbar, verleiht ihr Geschmack und sorgt für die wursttypische Rötung. Daher sei der Zusatzstoff Natriumnitrit für die Produktion von Rohwurstwaren "absolut notwendig", sagt der Mikrobiologe Jan Kabisch. Und im Vergleichstest muss auch Tim Mälzer zugeben, dass die Wurst mit Nitritpökelsalz besser schmeckt.

Check 3: Die Gesundheit

Wie ungesund ist Wurst wirklich? Insbesondere vor den Gefahren von Nitritpökelsalz wird immer wieder gewarnt. Das Nitrit zerfällt im Körper zu Nitrosaminen, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Tim Mälzer bittet die Ernährungswissenschaftlerin Salla Schmilewski um ihre Einschätzung.

Sie hält den "Riesen-Hype" darum für übertrieben: "Für den Menschen ist Nitritpökelsalz eher unschädlich." Selbst wer täglich Wurst isst, erreiche nicht die Obergrenzen von Nitrat - dazu müsse man mehr als zehn Kilogramm am Tag essen. Der Nitratgehalt von Gemüse sei wesentlich höher.

Gesund ist Wurst allerdings trotzdem nicht. "Das wahre Problem von Wurst ist ein anderes: Fett", so Schmilewski. Pro Kilogramm Wurst nehmen wir 300 Gramm Fett zu uns - schlechtes Fett. "Die sogenannten gesättigten Fettsäuren sind dafür verantwortlich, dass der Cholesterin-Spiegel und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt."

Die fettreichsten Wurstsorten sind Teewurst (45 Gramm Fett pro 100 Gramm), Cabanossi (44g), Landjäger (42g), Mettwurst (41g) und Salami (36g). Am wenigsten Fett haben Putenschinken (3g), Kochschinken (4g) und Geflügel-Mortadella (10g).

Tim Mälzers Fazit:

"Ich unterstütze weiter die handwerklich gemachte Wurst. Ich mag die Individualität des Metzgers, ich will ihn als Person aus der Wurst rausschmecken. Ganz nebenbei ist es auch nachvollziehbarer für mich, wo das Fleisch für die Wurst herkommt. Das kostet zwar ein paar Cent mehr, aber das sollte es einem auf alle Fälle wert sein - zum Wohle des Tieres."

nw

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