Das klingt vielversprechend: Der EU-Umweltministerrat hat grünes Licht für die Schaffung von nationalen Gentechnik-Anbauverboten gegeben. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug, um den zu erwartenden Anbau des Gentech-Mais 1507 zu verhindern. "Wir brauchen ein bundesweites Anbau-Verbot. Ein Flickenteppich von Regelungen auf Länderebene wäre nicht akzeptabel", so Jan Plagge vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).
Gentechnikfrei wäre Deutschland auch mit dem Anbauverbot nicht. Erst kürzlich sorgte McDonald's für Negativ-Schlagzeilen: Das Fast Food-Unternehmen, das bislang Gentechnik ablehnte, lässt nun weltweit wieder Genfutter in der Hähnchenmast zu. Die Begründung: Es gebe keine ausreichenden Mengen an gentechnikfreiem Futter. Andernfalls würden sich Chicken-McNuggets und Chicken-Burger verteuern. Außerdem gehe keine Gefahr von dem Fleisch aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe erst kürzlich festgestellt, dass gentechnisch verändertes Tierfutter keine Auswirkungen auf die Qualität oder Sicherheit von Fleisch, Milch oder Eiern habe, sagte ein Sprecher des Konzerns.
McDonald's hatte 2001 von seinen Hähnchenfleisch-Lieferanten verlangt, dass sie bei der Mast auf Genfutter verzichten. Nun also die Rolle rückwärts. Nach Berechnungen von Greenpeace würde sich ein Chicken-Burger nur um weniger als einen Cent verteuern, bliebe der Konzern beim gentechnikfreien Fleisch. Laut Umfragen lehnen mehr als 80 Prozent der Deutschen Gentechnik im Essen ab.
Eier, Milch und Fleisch von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, müssen nicht als Gen-Food gekennzeichnet werden. Wie halten es Supermärkte wie Rewe, Edeka oder Aldi mit Gentechnik bei Eiern und Geflügel? Greenpeace hat dazu ein Dokument erstellt, das Sie kostenlos herunterladen können: Supermarktabfrage zum Einsatz von Genfutter in Eiern und Geflügel.
Mehr zu den Chancen und Techniken von Gentechnologie erfahrt ihr auf der Ratgeberseite unter www.bussgeldkatalog.net/gentechnik/.
Gentechnik im Essen - zehn Fragen und Antworten
Leider ja, jedenfalls bei Fleisch- und Wurstwaren, Milchprodukten, Backwaren und Süßigkeiten. Denn bei deren Herstellung werden Zusatzstoffe verwendet, die aus Soja, Mais oder Raps gewonnen werden - und da ist man nie ganz sicher vor Gentechnik. Außerdem müssen Zusatzstoffe, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Bakterien oder Hefen hergestellt werden (etwa Geschmacksverstärker und Vitamine), nicht gekennzeichnet werden. Ebenso Produkte von Tieren (Milch, Eier, Fleisch), die mit Gen-Pflanzen gefüttert werden. Ohnehin gilt, dass gentechnische Verunreinigungen bis 0,9 Prozent geduldet werden - und ungekennzeichnet bleiben - , wenn sie unbeabsichtigt ins Tierfutter gelangt sind.
Die Nutzung des Logos "Ohne Gentechnik", das es seit August 2009 gibt, ist für die Hersteller kostenlos - und freiwillig. Das Label soll die Sicherheit geben, dass zumindest in den damit gekennzeichneten Lebensmitteln keine gentechnisch veränderten Bestandteile, auch nicht in Spuren, vorhanden sind. Auch dürfen tierische Produkte wie Milch, Eier oder Fleisch, die von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, das Logo nicht tragen.
Erlaubt ist lediglich, dass bei der Produktion von Zusatzstoffen wie Vitaminen gentechnische Verfahren benutzt werden dürfen. Kontrollierte Bioware (erkennbar am Öko-Siegel) ist übrigens immer gentechnikfrei erzeugt.
Die Verbraucherzentrale Hamburg bietet eine Liste von Produkten zum Download, die das "ohne Gentechnik"-Etikett tragen. Die Liste wird fortwährend erweitert. Verbraucher werden gebeten, die Verbraucherzentralen zu unterstützen und im Handel gezielt nach "ohne Gentechnik"-Produkten zu fragen. Infos und pdf zum Download unter www.vzhh.de
Ja, vor allem Mais oder Soja. Für viele Landwirte ist es schwierig, überhaupt noch an gentechnikfreie Futtermittel zu kommen, denn diese werden aus aller Welt importiert. Bis 2011 galt auch für Futtermittel die Nulltoleranz. Auf Druck der Agrarlobby wurde die Regel jedoch aufgeweicht. Seither dürfen beispielsweise Sojalieferungen bis zu 0,1 Prozent einer gentechnisch veränderten Sorte enthalten. Zu solchen Verunreinigungen kann es etwa beim Transport kommen, wenn unzureichend gereinigte Tanks benutzt werden.
Ob die Fremd-DNA in Fleisch, Milch oder Eier von Nutztieren übergeht, wurde in verschiedenen Studien untersucht. Die Ergebnisse der weltweit bisher größten Untersuchung von der TU München ergaben: Genmais hinterlässt auch nach zwei Jahren regelmäßiger Fütterung, keinerlei Spuren im Fleisch einer Kuh.
Das ist umstritten. Am besten erforscht ist die Frage, ob die neu gebildeten Eiweiße (Proteine) in gentechnisch veränderten Pflanzen Allergien auslösen können. Anhand der Struktur solcher Proteine lässt sich das Risiko zumindest abschätzen. Besonders allergie-gefährliche Züchtungen werden deshalb zur Verwendung als Lebensmittel z. B. in den USA nicht zugelassen. Insgesamt aber ist die Erforschung gesundheitlicher Risiken beim Menschen durch Genfood schwierig, vor allem Langzeitstudien fehlen bislang.
Ein weiteres, indirektes Risiko ergibt sich daraus, dass bei der Züchtung von Genpflanzen im Labor zu Testzwecken bisher häufig Antibiotikaresistenzgene eingesetzt wurden. Werden diese auf andere Bakterien übertragen, so fürchtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO), könnten resistente Krankheitserreger entstehen, die sich kaum noch durch Antibiotika bekämpfen lassen. Dieses Risiko wollte auch die EU-Kommission nicht akzeptieren und verweigerte für die Kartoffel "Amflora", die solch ein Resistenz-Gen trägt, deshalb die Zulassung.
Zu kommerziellen Zwecken - für eine Nutzung als Tierfutter und zur Energieproduktion in Biogasanlagen - wurde in Deutschland bislang ausschließlich die Maissorte MON810 angebaut. Das wurde im April 2009 durch die Entscheidung der Bundesregierung verboten. Zu Forschungszwecken werden seither Freilandversuche mit weiteren Gentech-Pflanzen durchgeführt, darunter die Kartoffel "Amflora". Allerdings muss die Versuchsfläche auf 20 Hektar begrenzt sein, und es soll nur einen einzigen Standort in Mecklenburg-Vorpommern geben. Wo Versuchsfelder zu finden sind, ist in einem Standortregister erfasst, das man im Internet einsehen kann: www.standortregister.de
Weitere Infos zu Standorten und generell zu Anbau und Verwendung gentechnisch veränderter Organismen auch unter www.transgen.de
Eine Kreuzung gentechnisch veränderter Pflanzen mit konventionellen Nutzpflanzen soll durch Schutzkorridore zwischen den Feldern verhindert werden - 150 Meter Abstand zu konventioneller Landwirtschaft, 300 Metern zu den Äckern von Biobauern. Doch dabei wurde zum Beispiel übersehen, dass Bienen wesentlich weitere Strecken zurücklegen und auch Genpflanzen-Samen transportieren. Ein Imker, der nachweisen konnte, dass der Honig seiner Bienen verunreinigt war, klagte deshalb gegen den Freistaat Bayern als Genehmigungsbehörde - und verlor vor dem Verwaltungsgericht Augsburg.
Das Gericht erkannte zwar an, dass der Imker seinen Honig nicht mehr verkaufen konnte, meinte aber: Das Interesse am Anbau von Genmais sei höher zu bewerten als die Imkerei. Dass einmal ausgesähte Genpflanzen kaum mehr aus der Natur verschwinden, zeigt eine schwedische Studie: Auch zehn Jahre nach der Aussaat und intensiven Vernichtungsversuchen wuchs zur Verblüffung der Forscher gentechnisch veränderter Raps weiterhin auf einem ehemaligen Versuchsfeld. Da die gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz vor Gen-Pflanzen offenbar nicht ausreichen, tun sich mancherorts Landwirte und Kommunen zur Einrichtung größerer gentechnikfreier Zonen zusammen. Mehr Infos unter www.gentechnikfreie-regionen.de
Nur bedingt. 2007 wurde gentechnisch verändertes Raps-Saatgut entdeckt, das bereits an 70 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland ausgeliefert worden war. Die Aussaaten wurden beseitigt, die Felder umgepflügt, die Pflanzen zerstört. Ob die Kontrollen und Konsequenzen immer so effektiv sind, ist aber ebenso unklar wie die Frage, inwieweit solche Saaten sich schon mit Pflanzungen in Kleingärten und Natur gekreuzt haben.
Es geht vor allem um wirtschaftliche Interessen: Gentechnik soll den Ertrag der Landwirtschaft steigern. Zum Beispiel wird Mais durch Genmanipulation unempfindlich gegen Unkrautvernichtungsmittel gemacht: Er überlebt als einzige Pflanze den Einsatz eines Totalherbizids auf dem Acker. Der Landwirt erspart sich Unkraut jäten und pflügen. Andere Züchtungen sollen den Einsatz von Spritzgiften vermeiden helfen: So bildet die Maissorte 1507, die die jüngste Diskussion um ein Anbauverbot entfachte, ein Gift gegen den Maiszünsler und andere Schmetterlinge, deren Raupen zu den am häufigsten auftretenden Schädlingen auf Maisfeldern zählen. Zum anderen ist 1507 resistent gegen das Pflanzenschutzmittel Glufosinat, das gegen Unkraut eingesetzt wird.
Zu einem zurückhaltenden Umgang mit Umweltgiften trägt die grüne Gentechnik insgesamt aber nicht bei. "In Argentinien zum Beispiel ist der Einsatz von Spritzmitteln seit dem Anbau von Genpflanzen deutlich gestiegen", sagt Steffi Ober, Genfood-Expertin beim Naturschutzbund NABU. Grund: Das Unkraut wird mit der Zeit unempfindlich gegen das Herbizid, man muss immer mehr auf dem Acker ausbringen.
Vorläufig nicht. Zwar gehört es auch zu den Visionen der grünen Gentechnik, Pflanzen zu züchten, die auf schlechten Böden wachsen und mit wenig Wasser auskommen. Doch die Saatgutfirmen investieren lieber in die Entwicklung von Pflanzen, die sich in den reichen Ländern vermarkten lassen. Manche Kleinbauern in Afrika oder Indien haben zwar schon mit dem Anbau von Genpflanzen begonnen. Doch internationale Studien belegen bisher eher Ernteeinbußen. Und in Indien und Indonesien haben schon tausende Baumwollbauern ihre Existenz durch den Einsatz minderwertiger Gensaaten ruiniert.
Auch eine neue Untersuchung des Büros für Technikfolgenabschätzung des Bundestages kommt zum Ergebnis, dass ein wirtschaftlicher Nutzen zweifelhaft ist. Der Weltagrarrat empfahl vor wenigen Wochen, die Erträge ließen sich viel stärker steigern, wenn die Landwirte im Süden besser ausgebildet würden und mehr Dünger eingesetzt würde. Doch der wichtigste Einwand: Hungersnöte entstehen nicht deshalb, weil zu wenig Nahrungsmittel produziert werden, sondern weil Menschen z. B. durch Kriege von ihrem Land vertrieben werden oder schlicht zu arm sind, um Nahrungsmittel oder Saatgut zu kaufen.
Einen vollständigen Verzicht auf Nahrung, die gentechnisch veränderte Bestandteile enthält, ist heute kaum noch machbar. Wer darauf besteht, gentechnikfreie Lebensmittel zu kaufen oder zu verzehren, kann damit vor allem eine politische Aussage zum Ausdruck bringen - den Protest gegen Experimente, deren Folge heute nicht absehbar und nicht rückholbar sind. Und da sollte man die Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht unterschätzen.