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Sind Aromen schädlich?

Immer raffinierter, immer vielfältiger: Unsere Ansprüche an Joghurt, Dosensuppe oder fertige Nudelsoße steigen. Die Folge: Nichts geht mehr ohne Aromastoffe. Was das für unsere Gesundheit bedeutet, sagt Experte Dr. Harald Hahn.

BRIGITTE: Welche Aromastoffe haben Sie heute Morgen gefrühstückt?

Dr. Harald Hahn: Ich habe frische Brötchen mit Erdbeermarmelade gegessen. In der Marmelade waren allerdings nur Aromen aus der Natur drin, sie war selbst gemacht.

BRIGITTE: So kann man den Labor-Aromen auch aus dem Weg gehen...

Dr. Harald Hahn: Das ist in diesem Fall gar nicht nötig. Erdbeerkonfitüre aus dem Supermarkt darf keine zugesetzten Aromen enthalten, das Erdbeeraroma soll naturbelassen sein.

BRIGITTE: Anders bei Erdbeerjoghurt. Da kommt der Fruchtgeschmack aus dem Labor.

Dr. Harald Hahn: Stimmt. Die weltweite Erdbeerproduktion würde nicht ausreichen, um den Bedarf an Früchten auch noch für Joghurt zu decken. Und er wäre viel teurer. In einem Becher stecken daher kaum mehr als 3,5 Prozent Früchte oder Fruchtzubereitung, das entspricht einer mittelgroßen Erdbeere. Den Rest erledigen die Aromastoffe. Das kann jeder Kunde auf dem Becher nachlesen.

BRIGITTE: Gekauft wird der Joghurt trotzdem.

Dr. Harald Hahn: Die meisten Verbraucher interessiert eben vor allem, dass sie ein gut schmeckendes, günstiges Produkt kaufen können. Insofern nehmen sie in Kauf, dass in dem Joghurt kaum echte Beeren sind - entscheidend ist das Kaufverhalten der Konsumenten.

BRIGITTE: Umfragen zeigen: Die meisten Menschen lehnen Zusatz- und Aromastoffe rigoros ab. Trotzdem gibt es immer mehr aromatisierte Nahrungsmittel.

Dr. Harald Hahn: Es ist ein natürlicher Trieb des Menschen, zu dem zu greifen, was gut und intensiv schmeckt. Vor allem Kinder wollen dieses starke Geschmackserleben.

BRIGITTE: Und wissen bald nicht mehr, wie ein echter Apfel schmeckt...

Dr. Harald Hahn: Das ist vielleicht etwas übertrieben. Aber durch die vielen Aromastoffe stumpfen unsere Geschmacksnerven ab, wir brauchen immer intensivere Geschmackseindrücke. Damit geht leider das Unterscheidungsvermögen zurück. Irgendwann ist auch der bombastischste Erdbeergeschmack einfach nur noch geschmacklos.

BRIGITTE: Welchen Vorteil haben Aromen dann?

Dr. Harald Hahn: Sie ermöglichen ein immer größer werdendes Warenangebot. Und sie sind praktisch. Denken Sie an die Hühnersuppe. Unsere Großmütter standen dafür noch stundenlang am Herd und kochten ein Hühnchen aus. Jetzt machen wir eine Dose auf; die Suppe ist fertig - und schmeckt auch noch. Dafür müssen wir eben in Kauf nehmen, dass der Geschmack nicht nur vom Fleisch und Gemüse kommt.

BRIGITTE: Immer mehr Aromen, da sorgen sich viele Verbraucher um ihre Gesundheit.

Dr. Harald Hahn: Es gibt Aromen, die ab einer bestimmten Menge toxisch sind, zum Beispiel Cumarin, den geschmacksgebenden Stoff in Waldmeister. Der darf nur in geringen Mengen verwendet werden. Auch der Einsatz von etwa einem dutzend künstlicher Aromastoffe, die keinem Vorbild in der Natur entsprechen, ist streng reglementiert, weil der Körper sie nicht kennt.

BRIGITTE: Und was ist mit natürlichen und naturidentischen Aromen? Letztere kommen auch aus dem Labor. Sind die bedenklich? Können die Allergien auslösen?

Dr. Harald Hahn: Nein, Allergien lösen vor allem natürliche Zutaten aus, zum Beispiel Nüsse, Soja oder Kiwi. Allerdings will die EU künftig auch mit den natürlichen und naturidentischen Aromastoffen anders umgehen. Es wird eine Positivliste geben mit Stoffen, die als unbedenklich gelten. Alle anderen wären dann verboten.

BRIGITTE: Gibt es ein Aroma, das Sie überhaupt nicht leiden können?

Dr. Harald Hahn: In manchen Apfelschorlen ist so ein künstliches, bonbonartiges Apfelaroma, das mag ich nicht. Richtig gern mag ich dagegen Vanille-Aroma, zum Beispiel in Eiscreme.

Aromastoff-Experte Dr. Harald Hahn ist Lebensmittelchemiker und Laborleiter im Chemischen und Verterinäruntersuchungsamt Sigmaringen

Wie schmeckt "sonnenreif"?

Aromen werden immer komplexer. Beim Aroma-Produzenten Symrise in Holzminden tüftelt man nicht einfach nur an einem Käse- oder Tomatenaroma; für eine Nudelsoße wird der Geschmack des italienischen Taleggio-Käses imitiert oder das sonnenreife Aroma der Corbarino-Tomate.

Auch geht es immer öfter darum, den Geschmack eines kompletten Produkts nachzubauen, z. B. Käsekuchen oder Lebkuchen. Damit in der Weihnachtszeit Lebkuchenjoghurt und im Sommer Desserts mit Käsekuchengeschmack im Kühlregal stehen können.

Interview: Markus Brügge BRIGITTE Heft 22/2006

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