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Milch: Flüssig, weiß und angesagt

Sie ist unser erstes Nahrungsmittel und dank Coffee-Shops wieder gut im Geschäft. Ernährungsforscher fanden jetzt heraus, dass sie sogar schlank macht. Eine Hymne an die Milch von einem, der seinen Kakao immer ausgetrunken hat.

Milch - nur ein Getränk? Nein, Milch ist vor allem auch ein Gefühl, das jeder von uns kennt. Anfangs war Milch Mutterliebe. Erst aus der Brust, später aus dem Glas - heiße Milch mit Honig, ans Krankenbett gebracht. Milch war Hoffnung: Sie macht groß und stark, wenn man sie nur regelmäßig trinkt. Milch war aber auch eklig, erhitzt bildete sie eine fiese Haut. Später dann war Milch doof und Cola cooler. Und sie machte dick, das mochten die Mädchen nicht. Die tranken lieber Tee oder Vitaminwässerchen. Die Geschlechtertrennung hatte begonnen.

Vielleicht wäre der pubertäre Karriereknick weniger heftig ausgefallen, wenn die Mädchen gewusst hätten, was Ernährungsforscher jetzt herausgefunden haben. Milch kann nämlich viel mehr als groß und stark. Sie kann Pfunde schmelzen, und das - Tusch! - ausgerechnet dort, wo sie am meisten stören: an der Taille. Woran das liegt? Milch enthält viel Kalzium, und das sagt dem Körper, dass er weniger Fett einlagern muss. Er drosselt die Produktion eines Hormons namens Calcitriol. Das sorgt in den Zellen dafür, Zucker in Fett umzuwandeln. Auch wird die Mobilisierung der körpereigenen Fettreserven aktiviert.

Und als ob das noch nicht genug wäre, kurbelt die Aminosäure Leucin, die in der Milchmolke enthalten ist, den Muskelaufbau an. Bei einer Diät-Studie an der Universität Tennessee verloren die Milchtrinker innerhalb von 24 Wochen elf Prozent ihres Körpergewichts, während die milchfreie Gruppe nur auf gut sechs Prozent kam. Am besten funktioniert das mit fettarmer Milch. Und mit ein bisschen Glück gibt's die bald direkt aus dem Euter: In Neuseeland ist man derzeit auf der Suche nach einem passenden Mann für Milchkuh Marge. Die hat eine aufsehenerregende genetische Besonderheit: Sie gibt ausschließlich Magermilch.

Wer den passenden Mann schon gefunden hat, sollte Marge und ihre Milch lieber links liegen lassen und zur Vollmilch greifen. Denn Frauen, die fettreiche Milchprodukte zu sich nehmen, werden leichter schwanger, hat eine Studie an der Harvard School of Public Health herausgefunden. Danach stieg das Risiko für Unfruchtbarkeit bei Frauen, die sich vor allem mit fettarmen Milchprodukten ernährten, gegenüber den Vollfett-Fans um sagenhafte 85 Prozent. Das ist bitter, zumal uns Gesundheitsexperten unablässig vor dem Milchfett warnen: ungesunde Fettsäuren, zu viele Kalorien.

Und es kommt noch dicker: Milchkonsum begünstigt Zwillingsgeburten. Die Forscher vermuten, dass das an dem insulinähnlichen Wachstumsfaktor IGF liegt, der fast ausschließlich in tierischen Produkten enthalten ist. Und nur um die Rundumversorgung abzuschließen: Babys von Milch trinkenden Schwangeren sind im Schnitt deutlich größer und schwerer als die der Milch-Abstinenten, zeigte eine Studie.

Dann doch lieber gar keine Milch? Und sich der Fraktion der Gegner anschließen, die vehement behaupten, Milch sei nur für Kälber gedacht und habe in unserem Organismus nichts verloren?

Genug davon. Eigentlich geht es doch gar nicht um Forschungsergebnisse, Studien und Dogmen. Es geht um Kindheit und Geborgenheit und hundert Erinnerungen. Um bis zur Nase hochgezogene Bettdecken und die Frage, wie viel Kakaopulver man in ein Glas Milch kriegt, ohne dass es klumpt. Um eklige Haut und die Hoffnung, sich doch noch breite Schultern antrainieren zu können, wenn man nur ordentlich viel Milch trinkt. Um Mädchen und Jungs und was die Welt von ihnen verlangt.

Um ein Getränk, das erst wieder Schlag bei Frauen bekam, seit es in trendigen Coffee-Shops mit Namen serviert wird, die nach italienischen Lovern klingen, nach Vespas auf Kopfsteinpflaster und warmen Sommernächten. Vielleicht haben Starbucks & Co sogar dafür gesorgt, dass die Geschlechtertrennung endgültig überwunden ist.

Text: Stephan Zimprich Foto: Thomas Neckermann

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