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Erbsen Das neue Superfood?

Erbsen: eine geöffnete Erbsenschote, die auf einer kleinen hölzernen Schale gefüllt mit Erbsen liegt
© Marian Weyo / Shutterstock
Die kleinen grünen Hülsenfrüchte wurden lange unterschätzt: Jetzt lösen sie sogar Soja & Co. als Fleischersatz ab.

Dass inzwischen auf jedem Grillfest ganz selbstverständlich Tofuburger und Sojawürstchen neben den Rindersteaks auf dem Rost brutzeln, daran hat sich die Fraktion der Fleischfans milde lächelnd längst gewöhnt. Doch das etablierte Pflanzengrillgut auf Sojabohnenbasis bekommt seit Kurzem unerwartete Konkurrenz: Erbseneiweiß heißt der neue Hype auf dem heiß umkämpften Fleischersatzmarkt. Ob Schnitzel, Nuggets oder Hackbällchen: Diverse Lebensmittelkonzerne bieten schon vegetarische oder vegane Produkte auf der Grundlage von Erbsenproteinen an. Und in den Kaffee oder übers Müsli kann man sich neben Hafer- oder Reisdrink nun auch Erbsenmilch als vegane Alternative zur Kuhmilch gießen.

Wandlungsfähig und nahezu allergenfrei

Warum die süßlich schmeckenden Hülsenfrüchte gerade jetzt eine so steile Karriere hinlegen und Soja in Sachen Beliebtheit demnächst überholen könnten, hat gleich mehrere Gründe. "Der größte Unterschied zwischen Erbsen- und Sojaprotein liegt im Geschmack des fertigen Proteinpulvers. Erbsenprotein schmeckt viel neutraler, sodass man es mithilfe von Aromen und Gewürzen leichter in Lebensmittelprodukte verwandeln kann, die möglichst fleischähnlich erscheinen sollen", erklärt der Ernährungswissenschaftler Christian Dieckmann, der Produkte im Lebensmittelbereich entwickelt und Food-Start-ups berät.

Doch fast noch wichtiger ist, dass Erbsenproteine kaum allergenes Potenzial haben. "Allergien oder auch Kreuzallergien sind ja in Bezug auf Soja recht weit verbreitet", so der Experte. "Man erreicht also eine deutlich breitere Kundengruppe, wenn man nahezu allergiefreie Erbsenproteine verwendet." Das macht übrigens auch die Produktion einfacher: Maschinen müssen nicht wie bei der Herstellung von Sojalebensmitteln hinterher aufwendig gereinigt werden, um die Übertragung von Allergenen auf andere Produkte zu vermeiden.

Stark in Kombi mit anderen Eiweißquellen

Wie so oft bei Food-Trends kommt das große Interesse am Erbsenprotein ursprünglich aus der Fitnessszene. Vegane Sporttreibende greifen schon seit Längerem auf Proteinpulver auf Erbsenbasis zurück, weil das dem Körper hochwertige Aminosäuren, also Eiweißbausteine, zum Muskelaufbau liefert, aber kaum Fette und Kohlenhydrate. Der Proteingehalt des meist aus gelben Schälerbsen hergestellten Pulvers liegt bei bis zu 80 Prozent.

Das Problem der pflanzlichen Eiweiße: Der Körper kann sie nicht so gut verwerten wie tierische. "Um ein ausgeglichenes Aminosäureprofil zu erhalten und die Proteine für den Körper besser verwertbar zu machen, ist es daher sinnvoll, pflanzliche Proteine verschiedener Herkunft zu kombinieren", rät Christian Dieckmann. Erbsen haben beispielsweise wenig Methionin, eine Aminsosäure, die den Muskelerhalt unterstützt. Das kann man aber durch die Kombi mit Reis-, Mandel- oder Hanfproteinen auf dem Speiseplan ausgleichen. Außerdem wichtig zu wissen: Bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe in Hülsenfrüchten wie Erbsen, Bohnen und Linsen, sogenannte Phytate, können die Aufnahme von Kalzium oder Eisen hemmen. "Aus diesem Grund werden beispielsweise Erbsendrinks oft mit Mineralstoffen und Spurenelementen angereichert. Diesen Trend werden wir wahrscheinlich auch in Zukunft bei Fleischersatzprodukten wiederfinden", vermutet Dieckmann.

Die Ökobilanz ist besser

Wer sich nach Fleischersatz umschaut, tut das in der Regel auch, um nachhaltigere Alternativen zu finden. Laut Studie des Umweltbundesamtes werden vegetarische Wurst oder Frikadellen künftig eine immer größere Rolle spielen, da das Bewusstsein für umweltschonende Produktion von Lebensmitteln weiter wächst. Pseudofleisch auf Pflanzenbasis schneidet demnach in der Herstellung deutlich besser ab als echtes Fleisch, im Vergleich zur Rinderzucht etwa werden beim Anbau von Soja, Weizen oder Erbsen nur rund ein Zehntel an Treibhausgasen ausgestoßen, Wasserverbrauch und Flächenbedarf liegen um ein Vielfaches niedriger.

Die Erbse hat hier einen Vorteil zur Konkurrenzpflanze Soja: "Viele verbinden mit dem Soja-Anbau inzwischen die flächenintensive Landwirtschaft in Südamerika und die damit zusammenhängende Regenwaldabholzung und Umweltzerstörung, außerdem den hohen Wasserverbrauch", sagt Christian Dieckmann – obwohl gerade Soja für die Lebensmittelproduktion immer häufiger aus Europa stammt. "Weil Erbsen noch relativ neu auf dem Fleischersatzmarkt sind, haben sie kein vergleichbares Image-Problem. Trotzdem kann man ihnen nicht pauschal eine einwandfreie Ökobilanz attestieren."

Die ist bei Erbsen zwar gut, aber noch ausbaufähig. Denn obwohl die Hülsenfrüchte als heimisches Produkt gelten, wird ein Großteil der Erbsenproteine momentan noch günstig aus dem Ausland bezogen, hauptsächlich aus Kanada, den USA oder China, was den CO2-Fußabdruck natürlich nicht gerade klein hält. Betrachtet man allerdings nur die Anbaubedingungen, unabhängig von der Herkunft, stehen Erbsenpflanzen in Sachen Umweltverträglichkeit recht passabel da: Sie gedeihen auch in kühleren Klimazonen und benötigen weniger Wasser als etwa Sojabohnen. Genau wie Linsen und Bohnen sind sie außerdem gut für den Boden und speichern darin Stickstoff.

Und mit steigendem Bedarf wird sicher auch der Anbau in Mittel- und Südeuropa, zum Beispiel in Österreich oder Ungarn, gefördert werden. Zwar investieren aktuell einige heimische Firmen in Anlagen zur Proteingewinnung aus Erbsen. "Bis regionales Erbsenprotein in größerer Menge verfügbar sein wird, werden aber sicher noch einige Jahre vergehen", prognostiziert der Experte.

Brigitte

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