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Allergisch: Nie mehr auswärts essen gehen?

Fatal, wenn man allergisch auf bestimmte Lebensmittel reagiert. Wie schützt man sich im Restaurant? Doro Schön wagte den Selbstversuch.

Kein Grund zur Panik?

Ich fand mich auf der Liege in der Notaufnahme wieder. Eben hatte mir die Ärztin eine Spritze verpasst und mich beruhigt: Alles okay, kein Grund zur Panik. Leicht gesagt. Mein Puls mochte ja normal sein, und ich atmete auch wieder ruhiger. Aber mein Gesicht und meine Hände waren immer noch flammend rot und angeschwollen. Außerdem juckten mir die Kniekehlen, die Handinnenflächen und - merkwürdig - beide Innenohren. Mein Gesicht musste völlig aufgedunsen sein, ich sah kaum noch etwas. Selbst meine Ohrläppchen hatten ihr Volumen mindestens verdreifacht. Ich fühlte mich wie Hulk oder irgendein anderer dieser Superhelden, die sich urplötzlich in Furcht einflößende Muskelmonster verwandeln. Nur, dass ich wohl gerade zum knallrosa Riesenmops mutierte.

Der Grund meiner Verwandlung war ganz schlicht: Spaghetti bolognese. Na gut, nicht die Bolognese hatte mir den Garaus gemacht, sondern der Sellerie darin. Gegen den bin ich allergisch. Verspeist hatte ich die Bolognese im Restaurant, und obwohl ich wusste, dass sie mit Sellerie zubereitet wird, hatte ich gehofft, dass es nur wenig ist und mein Körper damit schon klar kommt. Das bisschen Niesanfall danach würde ich schon verkraften. Aber als mir zwei Stunden später plötzlich das Atmen schwer fiel, war ich doch etwas besorgt.

Manchmal bestellte ich irgendetwas und hoffte, dass es nicht so schlimm kommt.

Mindestens 16,5 Prozent der Bevölkerung darf aus gesundheitlichen Gründen nicht alles essen. Darunter ist die große Gruppe derer, die entweder allergisch reagiert oder bestimmte Lebensmittel nicht verträgt. Und oft sind dann gleich mehrere Lebensmittel tabu. Anders gesagt: Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, der damit zu tun hat - oder ist selbst betroffen.

Diskussionen noch vor dem ersten Bissen

Immerhin geschätzte zehn Prozent der Allergiker gehen erst gar nicht auswärts essen. Kann ich verstehen. Nicht nur, weil das Ganze lebensgefährlich werden kann. Noch vor dem ersten Bissen die Zubereitungsart, mögliche Zusatzstoffe und die eigenen Ernährungsgewohnheiten mit dem Kellner zu diskutieren macht nicht nur das romantische Dinner zu zweit unsexy. Auch wenn ich mal berufliche Dinge mit Kollegen bei einem Essen besprechen will, möchte ich mich vor allem darauf konzentrieren. Das führte oft genug dazu, dass ich einfach irgendetwas bestellte in der Hoffnung: Es wird schon nicht so schlimm kommen.

Ich bin skeptisch: Wird es wirklich einfacher?

Aber dann stoße ich eines Tages auf ein besonderes Angebot: die Delicardo Foodcards, entwickelt von einer Betroffenen. Das sind auf persönliche Belange zugeschnittene Kärtchen, die man im Restaurant dem Kellner überreicht, ohne viele Worte machen zu müssen. Darauf steht alles ganz genau: welche Lebensmittel man nicht isst, wo die zu meidenden Stoffe drin sein können, und welche Nahrungsmittelgruppen man stattdessen problemlos verträgt. Die Kärtchen sind visitenkartengroß, edel gestaltet und von Köchen und Servicepersonal auf Praxistauglichkeit getestet worden. Zum Beispiel daraufhin, welche Schrift gestresste Köche am besten lesen können. Ich beschließe, sie mal auszuprobieren.

Los, probier es aus!

Übers Internet stelle ich mir einen Kartensatz zusammen. Anfangs wollen bestimmte Kombinationen nicht klappen - ich vertrage weder Sellerie noch Milch, noch bestimmte Gewürze, - doch kein Problem, das System schlägt mir jedes Mal vor, Kontakt mit den Herstellern der Karte aufzunehmen, per Mail, Fax oder telefonisch. Wer also Fragen hat oder es weniger anonym mag, wählt diesen persönlichen Weg.

Fünf Tage später sind die Karten im Briefkasten. Natürlich bin ich noch skeptisch. Wird es dadurch wirklich einfacher? Diskutiert man nicht genauso mit den Kellnern herum, outet sich als kränklich oder sonst wie schwierig? Andererseits erinnern mich die Kärtchen im Portemonnaie daran, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Los, denke ich, probier es aus!

Ich wähle ein asiatisches Gericht, da ist mit Sicherheit keine Milch drin.

Mein erstes Versuchsobjekt: ein Mittagstisch in der Hamburger Innenstadt. Gutes Essen, Bioware, frisch im Wok zubereitet. Ausgewählt und bestellt wird gleich vorn an der Kasse. Ich wähle ein asiatisches Gericht, da ist mit Sicherheit keine Milch drin - vertragen die Asiaten nämlich nicht. Und auf Sellerie werde ich wohl auch kaum stoßen. Ich händige dem jungen Mann an der Kasse mein Kärtchen aus. Er schaut kurz drauf, geht zu den Woks rüber, nimmt ein Gefäß mit klein geschnittenem Gemüse hoch - offenbar die Asia-Mischung -, rüttelt ein bisschen daran und schaut kurz hinein. Dann kommt er zurück: "Nee, kein Sellerie drin." Danke, das war's, damit ist für mich die Sache gelaufen. Erstens hätte er das Kärtchen mal dem Koch geben sollen, der wohl am besten weiß, was er verarbeitet, und zweitens hätte er es genauer lesen sollen. Es steht nämlich drauf, dass auch Sojasauce Sellerie enthalten kann, und nach der hat er, obwohl sie zum Gericht gehört, gar nicht geguckt.

Die Kellnerin ist freundlich und diskret

Zweiter Versuch: die Küche einer gehobenen Hotelkette. Wieder nehme ich ein asiatisches Wok-Gericht, und siehe da: Die Kellnerin ist freundlich und diskret, hält Rücksprache mit der Küche und berichtet, welche Alternativen der Koch zur Sojasauce vorschlägt. Sehr angenehm. Aber vielleicht läuft es nur so gut, weil Hotels daran gewöhnt sind, auf die Wünsche ihrer Gäste einzugehen ...

Lieber Zimtzicke als Supermops.

Ich teste die Kärtchen weiter. Dabei wird immer deutlicher: Es spielt keine Rolle, ob ich es mit dem einfachen Mittagstisch um die Ecke oder dem Edelrestaurant in Toplage zu tun habe: Wer sich auf die Karten einlässt, legt Wert darauf, dass seine Gäste sich wohl fühlen. Manchmal macht es dem Koch sogar sichtlich Spaß, kurzfristig improvisieren zu müssen. Das Ganze ist also eher eine Frage von Service als von Machbarkeit. Zwar stoße ich hier und da auf große Verwunderung, doch ich gewöhne mich allmählich an das Procedere. Ich stelle fest: Je selbstverständlicher ich damit umgehe, desto weniger Aufhebens wird darum gemacht. Und in Gesprächen stellt sich heraus, dass das Ganze nicht nur für mich praktisch ist. Es gibt viele Menschen, die bestimmte Dinge nicht essen möchten, aus welchen Gründen auch immer. Auch für die wären die Karten was.

Sehnsucht nach Unkompliziertheit

Hier und da beschleicht mich schon noch mal die Sehnsucht nach Unkompliziertheit: einfach was bestellen, ohne nachzudenken, einfach nur genießen. Gerade wenn das Restaurant voll ist und das Servicepersonal nur mit Mühe hinterherkommt, denke ich: Muss ich mit meinen Sonderwünschen wieder mal die Zicke geben? Ach was! Genießen bedeutet ja wohl, auf sich selbst zu achten und sich etwas Gutes zu tun. Also sei's drum: Lieber Zimtzicke als Supermops.

Wie sag ich's Koch und Kellner? Am besten schwarz auf weiß

  • Delicardo Foodcards: Die Kärtchen gibt es vorgefertigt oder zum Selberkonfigurieren (hier sind individuelle Kombinationen und Textänderungen möglich), im 10er- bzw. 50er-Pack. In beiden Varianten ist das Design wählbar, für Kinder gibt es kleine Zierlogos zum Auswählen. Material: Leichte Pappe in Visitenkartenstärke.
  • Vorgefertigte Karten: 10 Stück ab 9,50 Euro (zzgl. Versand), 50 Stück ab 25,30 Euro.
  • Selbst zusammengestellte Karten: 50 Karten ab 45,50 Euro.
  • Bestellbar auch auf Englisch, Übersetzungen in weitere Sprachen ist gegen Aufpreis möglich.
  • www.delicardo.de
  • Deutscher Allergiker- und Asthmabund (daab): Er bietet ein Papier, das man zweifach auf Führerscheingröße zusammenfaltet. Darauf stehen genaue Instruktionen für den Koch samt Zutatenliste und Liste mit Produkten, die das Allergen enthalten können. Außerdem findet man Übersetzungen des Satzes: "Ich bin allergisch gegen ..." in 5 europäischen Sprachen. Die Bestellung eines Exemplars ist kostenfrei, man erhält eines pro Allergen (keine Kombinationen möglich). Nur für Allergiker. Design: solide medizinisch.
  • www.daab.de
  • Pure Nature: Der Anbieter schad- und reizstofffreier Produkte bietet kostenlos eine formatierte Vorlage zum Selbstausdrucken und Ausschneiden. 4 Exemplare pro DIN-A4-Seite. Durch einmal Knicken ist das Papier auf Visitenkartengröße faltbar. Es können mehrere Einzelstoffe pro Exemplar eingegeben werden. Es gibt keine weiteren Infos für den Koch. Eine Übersetzung in eine von 6 Sprachen wird angeboten. Design: einfach, aber etwas "aufgeregt" - viele Ausrufezeichen.
  • www.purenature.de
  • Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland – Kiel (EVZ): Grundlage ist das "Grenzenlose Wörterbuch für Lebensmittel-Allergiker in Europa". Das DIN-A-4-Blatt zum kostenlosen Ausdrucken bietet eine Übersetzungsliste von Lebensmitteln. Darauf findet sich auch eine Formatvorlage in Visitenkartengröße zum Ausschneiden mit der jeweiligen Übersetzung des Satzes: "Ich bin allergisch gegen ...". Das Angebot ist vor allem für den Gebrauch im Ausland gedacht. Man wählt aus 25 Sprachen die gewünschte Sprache aus, druckt das Blatt aus, sucht das entsprechende Allergen aus der Übersetzung heraus und trägt es dann handschriftlich ein. Es gibt keine weiteren Infos für den Koch. Design: einfach.
  • www.evz.de ("Gesundheit" anklicken)
  • Deutsche Zöliakie Gesellschaft e. V. (DZG): Bestellung von Materialien nur für Mitglieder mit Gluten-Unverträglichkeit (Zöliakie), kostenlos.
  • www.dzg-online.de

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Text: Doro Schön Foto: iStockphoto.com

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