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Pilates? Nein Danke!

Frau hält sich die Hand vors Gesicht
© Prostock-studio / Shutterstock
Pilates ist schick, trendy und so gesund. Sagen alle. BRIGITTE-BALANCE-Autorin Anne-Bärbel Köhle sieht das anders und begeht die Lieblingssünde: Pilates hassen.

"Optimal für den Rücken", schwärmt mein Orthopäde. Meine Freundin hat einen viel flacheren Bauch, seitdem sie ihr Powerhouse regelmäßig aktiviert - sagt sie. Im Volkshochschulführer meiner bayerischen Heimatgemeinde steht sogar, dass es den Sex verbessern soll ... Alle finden es toll. Einfach alle. "Ich kenne wirklich keinen Menschen, der Pilates nicht mag", behauptet Lena, die Fitnesstrainerin aus dem Studio, das ich neuerdings, seit einem kleinen Bandscheibenvorfall, frequentiere.

Stimmt nicht, Lena, jetzt kennst du ja mich. Ich hasse Pilates. Und ich stehe dazu - auch wenn ich deshalb in der Lounge des Fitness-Studios bald allein meinen Latte macchiato trinken muss. Es zu hassen ist nicht das Problem. Es auszusprechen schon eher. Sofort steckt man in einer Glaubensdiskussion ähnlich der mit Zeugen Jehovas. Und trotzdem sage ich es jedem, der es hören will oder auch nicht: Pilates ist so doof, dass es knallt. Ich weiß, wovon ich spreche. Vier Stunden habe ich mich schon hingeschleppt. Der Effekt nach der ersten Stunde: Muskelkater. Nach der zweiten: Muskelkater. Nach der dritten: Muskelkater. Und nach der vierten: richtig miese Laune.

Ich verstehe auch die Hälfte dessen nicht, was uns Lena, die Pilates- Päpstin, befiehlt. "Tscher-Posischen ", brüllt sie in breitestem Bayerisch. Beine heben? "Dabbllegstretsch " - Beine heben und senken? Bei "Chair-Position" und "Double-Leg-Stretch" muss ich zudem mein Powerhouse aktivieren. "Bauch einziehen, wia wennst a zu enge Tschins anziehst." Aber, so einfach ist das alles nicht, und deshalb verbringt Lena viel Zeit bei mir, um meine Position zu korrigieren. Mir ist das peinlich. Ich liege wie ein körperbehinderter Käfer auf dem Rücken und rudere unsportlich mit den Armen. Es fehlt mir offenbar dramatisch an Körperspannung und Gleichgewichtsgefühl, jedenfalls im Vergleich zu allen anderen Frauen in meinem Kurs. Nebenbei bemerkt: Manche von ihnen sind locker 30 Jahre älter als ich.

Mich aber nervt diese Keucherei, das langweilige und gleichzeitig anstrengende Rumliegen. Und die dudelige Hintergrundmusik. Es macht mir null Spaß, meine Tiefenmuskulatur zu aktivieren. Keine einzige Stunde in meiner Woche geht langsamer vorbei als die jeden Donnerstagmorgen von 8.30 bis 9.30 Uhr. Entwürdigend diese Käferpositionen, noch peinlicher aber der Kampf um die Pilates-Matten und die laschen Bälle, mit deren Hilfe man den Trainingseffekt steigern soll. Bei mir flitschen sie einfach nur davon, wenn ich sie mir zwischen die Knie oder unter den Hintern klemme. Dazu immer schön die Luft zum Mund herausströmen lassen, wenn Lena es befiehlt. Klappt meistens auch nicht. Mehr als 40 Jahre alt - und zu doof zum Atmen!

Kann man es lernen? Tut es irgendwann nicht mehr weh? Wird der Bauch tatsächlich flacher und der Sex besser? Und werde ich es irgendwann mögen? Selbst wenn: Ich will es nicht! Ich müsste es mindestens drei Monate lang ausprobieren, sagen meine Mitturnerinnen mitleidig. Schließlich handelt es sich ja um ein schonendes Training. Da darf man keine Hauruck-Effekte verlangen. Vermutlich liegt's einfach an mir und meiner ungeduldigen Grundkonstitution, dass ich den Dreh nicht kriege. Aber das ist mir so was von egal. Denn seit ich Pilates hasse, habe ich die aufregendsten Streitgespräche und bin Mittelpunkt jeder Party.

BRIGITTE-BALANCE-Autorin Anne-Bärbel Köhle, 46, findet, dass Pilates-Fans sich benehmen wie Zeugen Jehovas.

Text: Anne-Bärbel Köhle Ein Artikel aus der BRIGITTE BALANCE 03/09

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