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Motivationstrainer Frank Ritter "Uns sitzt der Säbelzahntiger im Nacken"

Säbelzahntiger: Frau entspannt mit Musik
© Kaspars Grinvalds / Shutterstock
Stress gehört bei den meisten von uns zum Alltag dazu. Was wir dagegen tun können und warum er auch etwas Positives hat, erklärt Motivationstrainer Frank Ritter im BRIGITTE.de-Gespräch.

Frank Ritter ist Motivationscoach und hat sich im Zuge dessen auf "Aktives Stressmanagement" spezialisiert. Für sein Online-Seminar hat er die EMR-Methode entwickelt (Stress E-rkennen, M-essen, R-eduzieren), die den Leitfaden für das Seminarkonzept darstellt. Auf seiner Homepage schreibt er diesbezüglich: "Die Teilnehmer entwickeln ihre Persönlichkeit weiter, lernen bewusst unbewusste Prozesse zu steuern und können somit ihr Verhalten in unterschiedlichen Kontexten verändern."

Motivation suchen und finden

BRIGITTE: Herr Ritter, wie motiviert man sich selbst als Motivationstrainer?
Frank Ritter: Michael Stone, der Protagonist des Filmes "Anomalisa", ist auch Motivationstrainer und ziemlich unmotiviert. Er hat keinen Spaß mehr an dem, was er macht. Er tourt von Hotel zu Hotel und von Stadt zu Stadt und alles ist grau. Michael Stone ist sich selbst nicht treu geblieben.

Das kenne ich auch von anderen Kollegen im Trainerbereich sowie im Bereich des Pflegedienstes. Immer für andere da zu sein, und sein Wissen an andere weiterzugeben, sich quasi selbst aufzuopfern, das frisst Energie. Sich selbst trotzdem treu zu bleiben – da liegt das Problem. Zu meinem Job gehört eine Portion gesunder Egoismus, das heißt, auch mal etwas für sich selbst zu tun, nein zu sagen und seine eigene Lebensqualität zu pflegen. Eigene Ziele setzen und verfolgen und seine eigenen Techniken zur Motivation an sich anzuwenden. Das kann schon helfen. Ich persönlich arbeite viel mit Mentaltechniken aus dem Leistungssport, weil das mein Fachgebiet ist, da komme ich her. Hiermit kann ich mich persönlich hochfahren, auf Leistung trimmen oder runterfahren und entspannen.

Zur Person
Frank Ritter war Leistungssportler und gewann als solcher zahlreiche Meistertitel im Schwimmen, der Leichtathletik und dem Triathlon. Nach seinem gesundheitlichen Zwangsausstieg auf dem Leistungssport machte er sich als Personal Trainer selbstständig. Seit zehn Jahren bildet er sich in den Bereichen Coaching und Mentaltraining weiter. Sein Motto dabei: "Geht nicht – gibt’s nicht!"
© Frank Ritter

Welche Menschen suchen Ihre Hilfe?
Da mein Augenmerk auf dem Thema Stress liegt, kommen hauptsächlich auch die Menschen, die mit ihrem Stress nicht mehr alleine zurechtkommen. Das sind Menschen, denen der Stress einfach über den Kopf gewachsen ist. Ich mache viel im Seminarbereich, speziell im Firmentraining, also habe ich da das ganze Genre. Ich mache reines Führungskräftetraining, aber auch Veranstaltungen für Mitarbeiter.

Jugendliche sind in den Coachings dabei, die Stress in der Schule oder mit den Abschlussprüfungen haben. Oder junge Erwachsene, die im Studium nicht klarkommen. Es kommen aber auch Unternehmer, denen die Firma über den Kopf hinausgewachsen ist, aber auch die alleinerziehende Mutter mit Vollzeitstelle. Da ist die komplette Bandbreite dabei, denn Stress macht vor niemanden Halt. Der ist nicht abhängig von einer Gehaltsstufe oder irgendeinem Job, den man macht.

Was raten Sie Menschen, die unmotiviert sind?
Es gibt die intrinsische (von innen kommende) und extrinsische (von außen kommende) Motivation. Ich kann natürlich immer wieder von außen zur Motivation anschieben, das ist jedoch nicht nachhaltig. Wichtig ist die intrinsische Motivation zu entdecken und zu fördern. Hier sollte man seinen Fokus drauf richten. In meinen Seminaren und Coachings kommen Fragen auf den Tisch, wie: Was will ich eigentlich im Leben? Wo will ich hin? Warum mache ich das überhaupt? Und das ist die Kunst: Einen Perspektivwechsel vom Negativen zum Positiven hinzubekommen. Gerade bei andauerndem Stress ist man schnell im Negativdenken drin und alles scheint grau.

Mit Stress umgehen

Wie sollten wir mit Stress umgehen?
Am wichtigsten ist es, sich selbst und das Thema Stress ernst zu nehmen. Das ist ein sehr komplexes Thema und ich muss es mir Wert sein, mich damit auseinanderzusetzen und Zeit für eine Analyse zu nehmen. Das fehlt häufig in der Praxis. Blinder Aktionismus führt hier selten zum Ziel. Die erste Frage, die ich auch gerne in meinen Seminaren stelle, ist: Was stresst dich eigentlich? Die Antworten "Zeitdruck" oder "ein Kollege" sind mir viel zu pauschal. Bin ich permanent unter Zeitdruck, stresst der Kollege den ganzen Tag?

Jeder sollte sich genau überlegen: In welchen Situationen bin ich gestresst, wann kommt das Gefühl auf und warum ist das so? Und erst wenn ich das analysiert habe, kann ich an die Gegenmaßnahmen gehen. Wichtig dabei ist die eigene Körperwahrnehmung. Viele nehmen Stress viel zu spät wahr, da sie ihren eigenen Körper nicht kennen. Ein weiteres großes Thema ist der Wechsel aus An- und Entspannung. Wir sind dazu gemacht, einen permanenten Wechsel von An- und Entspannung zu haben. Also sowohl unsere Muskulatur als auch unser vegetatives Nervensystem, das unseren Stresshaushalt regelt.

Wie ist das gemeint?
Wenn ich mal in der Evolution zurückgehe, so haben die Menschen in der Steinzeit wenig Stressreize gehabt. Die wenigen, die sie hatten, waren jedoch lebensgefährlich. Wir sind gejagt worden, haben selbst gejagt und haben uns danach in der Höhle entspannt. An- und Entspannung! Heute im Alltag haben wir eine starke Reizüberflutung: Überall bekommen wir Informationen, müssen häufig mehrere Dinge gleichzeitig erledigen, überall gibt es mögliche Stressreize. Davon sind die wenigsten zwar lebensgefährlich, aber mein Stresssystem im Körper wird von meinem Unterbewusstsein gesteuert – und das erkennt den Unterschied zwischen lebensgefährlich und nicht gefährlich nicht. Das heißt, dass uns bei den ganzen vermeintlichen Stressreizen immer der Säbelzahntiger im Nacken sitzt. Und dafür ist unser System nicht ausgelegt.

Das heißt, ich sollte zwischendurch unbedingt kurze Pausen machen. Bewusst abschalten, was anderes denken, mit einem Kollegen reden (möglichst nicht über Probleme auf der Arbeit), tief durchatmen oder einmal um den Block gehen. Und das ruhig zwei, drei Mal am Tag für fünf Minuten neben der Mittagspause. Wenn man sich das zubilligt, fest in den eigenen Alltag integriert, dann hat man schon einen riesigen Schritt nach vorne getan. Das ist leider etwas, das bei etwa 90 Prozent meiner Teilnehmer im Argen liegt. Durch den Wechsel von Anspannung und Entspannung kann man Stress von vornherein verhindern.

Welche Maßnahmen können wir gegen Stress ergreifen?
Ich kann mich zum einen mental trainieren und mich fragen: Warum stressen mich bestimmte Dinge und Situationen? Hierzu muss ich mich mit meinen eigenen Werten, Gedanken und Motiven auseinandersetzen und schauen, ob ich irgendwas umbewerten kann. Umbewertung: Das ist etwas, das ich im Alltäglichen trainieren kann und was mich davor schützt, in Stresssituationen zu geraten bzw. in bestimmten Situationen mit Stress zu reagieren.

Ein weiterer Punkt ist Bewegung. Bewegung sorgt dafür, dass Hormone ausgeschüttet werden, die Stresshormone reduzieren. Wenn ich das regelmäßig mache, hat das Einfluss auf meinen Stresslevel. Ich muss aber nicht zum Sportler werden, um entspannt zu sein. Es gibt andere Möglichkeiten, wie beispielsweise Entspannungstechniken. Es gibt ganz klassische Techniken, wie autogenes Training oder Meditation, aber auch kurze, alltagstaugliche Techniken. Ich muss immer schauen: Was passt realistisch in meinen Alltag? Und wie wichtig ist es mir? Prioritätensetzung ist ein Stichwort.

Hat Stress auch etwas Positives?
Stress ist grundsätzlich ein ausgeklügeltes System in unserem Organismus, das über Jahrtausende entstanden ist. Und das ist sehr positiv, denn nur so haben wir die Evolution geschafft. Ohne Stress gäbe es uns nicht. Wir sind nicht dafür geschaffen, überhaupt keinen Stress zu haben. Die Menschen brauchen einen gewissen Grundstress, denn der sicherste Weg in eine Depression ist der Boreout. Ein Beispiel hierfür: Ich bin alt, ich bin in Rente, ich habe nichts mehr zu tun, ich habe meinen Partner verloren, ich sehe keinen Sinn im Leben mehr. Damit kommt mein System nicht klar.

Aus diesem Grund bin ich der Meinung: Ja, es gibt positiven Stress und es gibt Stress, der mich beflügeln kann. Zum Beispiel ein Projekt oder Ziel, dass ich verfolge, bei dem ich Fortschritte sehen kann. Und mit dem mein Selbstwertgefühl steigt. Positiven Stress können wir demnach deutlich besser ab, weil er uns etwas gibt. Aber: Auch positiver Stress frisst Energie, sodass ich diesen nicht ewig auf zu hohem Level halten sollte. Man braucht auf Dauer immer einen Ausgleich, bei dem man Energie sammeln kann.

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