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"Hallo, ich bin die Neue!" So integrierst du dich in fremde Gruppen

Von vorne anfangen: Frau am Strand
Im Job, vor dem Auslandsaufenthalt oder in der Liebe: Das Leben macht uns immer wieder zu Anfängern. Im Video seht ihr die drei effektivsten Tricks, um schnell den Anschluss zu finden!

Der Morgen vor dem ersten Mal ist immer schlimm. Eine Melange aus diffuser Anspannung, Angst und energetischer Aufregung. Ich wache noch vor dem Wecker auf und zähle die Minuten bis zum Aufstehen. Dabei möchte ich nur eins: liegen bleiben, die Decke über den Kopf ziehen und den trägen Körper nicht bewegen. Ich will da nicht raus. Gleichzeitig ist der Adrenalinspiegel auf dem Peak, das Herz klopft, und ich bin wacher denn je. So fühlen sich erste Tage an — eines Praktikums, bei der Ausbildung, im neuen Job, bei einem längeren Auslandsaufenthalt oder sogar vor der Familienfeier des neuen Partners. Ein Scheißgefühl. Aber, natürlich auch: Nörgeln auf hohem Niveau.


Neue Erfahrungen halten uns jung!

Denn oft genug sind Neuanfänge selbst gewählt, nur selten erzwungen. Und selbst wenn sie erzwungen sind, werden wir sie meistern. Vielleicht tut es ein bisschen weh, aber mal ehrlich: Am Ende lohnen sie sich. Weil sie einem immer etwas mitgeben. Und sei es nur den Stolz, es geschafft zu haben. Hirnforscher haben außerdem festgestellt, dass neue Erfahrungen uns jung halten. Und zwar auf zweierlei Art: Zum einen sorgen sie für geistige Flexibilität, zum anderen wird das Gefühl von Zeit ausgedehnt, wenn wir aus gewohnten Bahnen ausbrechen.

"Mein Verhältnis zum Neusein ist Hassliebe"

Neusein — egal wie schwierig es zunächst sein mag — ist also eine Währung, die wir nicht unterschätzen sollten. Ich habe an ersten Tagen schon beste Freundinnen kennengelernt (Anfänge schweißen schließlich zusammen). Ich bin in der aufgeregten Anspannung über mich hinausgewachsen, habe mutig meine Komfortzone verlassen und Dinge getan und gesagt, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Andererseits habe ich mich selten so klein, hilflos und unbedeutend gefühlt wie in neuen Situationen. Mein Verhältnis zum Neusein ist eine Hassliebe. Aber Hasslieben haben ja auch ganz klar ihren Reiz. 

Gibt es eine Geheimformel für gelungene Anfänge?

Es gibt ein paar Kriterien, die uns helfen, in neuen Gruppen oder Situationen zu bestehen. An erster Stelle steht "Sensibilität für den Kontext", wie es die Psychologin Brigitte Roser nennt. Und das bedeutet, erst mal genau zu gucken: Wo bin ich hier eigentlich gelandet? Was ist die DNA der Gruppe? Für was werde ich hier gebraucht? Es nützt zum Beispiel gar nichts, die eigene Durchsetzungskraft oder Schnelligkeit selbstverständlich als Plus zu betrachten, wenn sie in dem neuen Umfeld nicht gewünscht wird.

"Nichts ist erhebender, als irgendwann sagen zu können: Hier ist mein Platz!"

Ein weiterer wichtiger Punkt ist eine gelungene Balance aus Kritikfähigkeit und gesundem Selbstbewusstsein. Genau hinhören und Rat auch annehmen, aber sich nicht verbiegen, sondern sich des eigenen Wertes bewusst sein. Und letztendlich sollten wir bei allen Neuanfängen immer gucken, ob sie eigentlich zu uns passen. Das gilt für den Job genauso wie für die Liebe. "Es gibt kein Gut oder Schlecht", so Brigitte Roser, "ganz allein die Passung ist wichtig." Nichts ist erhebender, als irgendwann sagen zu können: Hier ist mein Platz! Und nichts ist energieraubender, als in einem neuen Umfeld nicht als die Person wahrgenommen zu werden, die wir sind. Da können wir uns noch so viel bemühen, wir werden unser Glück nicht finden. Und wenn es so weit kommt, hilft nur eines: die Stopptaste drücken und noch mal auf Anfang.

Gibt es Menschen, die Neusein besser können als andere?

"Nein", sagte Brigitte Roser, "jeder hat Angst davor. Nur sind die Ängste sehr individuell." Es gibt zum Beispiel defensive Menschen, die gehen in einer ungewohnten Situation erst mal vom Gas runter und gucken sich alles in Ruhe an. Dann gibt es die offensiven Typen, die geben Vollgas und handeln nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. "Angst", so Roser, "haben aber beide. Die einen davor, Fehler zu machen, die anderen vor dem Kontrollverlust." Die Frau, die also vermeintlich lässig mitten in einen Raum voller fremder Menschen schlendert, ist nicht total entspannt, sie fällt nur in die Kategorie zwei. Die, die sich erst mal unauffällig an die Wand stellt und beobachtet, gehört zu Kategorie eins. Und wenn man beide bitten würde, es beim nächsten Mal genau andersherum zu machen, hätten sie ein Problem. Es gibt also keine Neusein-Naturtalente.

Nicht jeder braucht Veränderungen!

Es gibt allerdings Menschen, die schon so viele Hürden überwunden haben, dass sie in jeder neuen Situation relativ selbstsicher sind. "Selbstsicherheit", so Brigitte Roser, "ist nicht angeboren, sondern stammt aus überwundenen Ängsten." Das heißt: Immer wieder etwas wagen und die eigenen Grenzen überschreiten ist die beste Übung. Aber eins ist auch klar: Nicht jeder braucht permanente Veränderungen. Es gibt Menschen mit einem höheren Stabilitätsbedürfnis und solche, die den Wandel mehr schätzen. Beides ist okay. 

Liebe: Warum ist Neusein so aufregend?

Wenn wir uns auf unbekanntes Terrain begeben, verlassen wir vertraute Strukturen. Und egal, wie abgenutzt diese Strukturen auch sein mögen: Sie geben uns Sicherheit. Bestenfalls werden wir dort so gesehen, wie wir wirklich sind. "Unsere allergrößte Sehnsucht überhaupt ist, in eine Welt zu gehen, in die wir passen", sagt Diplom­Psychologin Brigitte Roser. Jeder Neuanfang birgt also dieses Versprechen, aber eben auch ein Risiko. Denn wer kann uns sagen, ob der neue Mann oder der neue Job besser zu uns passt? Niemand. Und zu dieser grundsätzlichen Angst kommt, zum Beispiel im Berufsleben, noch die fachliche. Werde ich meine Aufgaben meistern können? Bin ich kompetent genug? Wie werde ich wahrgenommen? "Gerade in den ersten Wochen muss man extrem viel lernen, das erfordert ungeheure Aufmerksamkeit", sagt die Management­ Beraterin Doris Hartmann. Das strengt an. Wenn wir also bei einem Neustart nicht gleich euphorisch sind, sondern zunächst mal erschöpft, ist das normal.

Einmal schüchtern, immer schüchtern?

Inwieweit prägt uns die Kindheit im Umgang mit neuen Situatio­nen? Und: Kann man sein Kind dazu erziehen, weniger schüchtern zu sein? "Ob ein Kind impulsiv, extrovertiert, schüchtern oder verschlossen ist, ist eine Frage des Temperaments und angeboren", sagt die Erziehungsexpertin Regine Rogge, "das wird sich im Laufe des Lebens nicht grundlegend verändern." Aber warum sollte man das auch wollen? Wichtig ist zu kapieren, dass es kein Besser oder Schlechter gibt. Forsche Charaktere mögen es vordergrün­dig betrachtet im Leben leichter haben, aber sie können böse anecken. Schüchternheit per se ist kein Manko. Es mag diesen Menschen etwas schwererfallen, sich an Neues und Unbekanntes zu gewöhnen, aber dafür beob­achten sie genauer, handeln vorausschauend und erst dann, wenn sie sicher sind, das Richtige zu tun.

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