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4 Denkweisen, die die Beziehung gefährden

Denkweisen, die die Beziehung gefährden: Paar
© Shutterstock/ ThomsonD
An romantische Beziehungen werden hohe Ansprüche gestellt. Paartherapeutin Dr. Sandra Konrad kennt die Erwartungen, die jede Partnerschaft überfordern.

Es gibt sie, die große, die wahre, ja sogar die andauernde Liebe. Aber sie ist niemals perfekt. Wir wissen das. Und halten dennoch an Mythen fest, die mit der Realität nach dem ersten Rausch der Gefühle nur wenig zu tun haben - und bringen gerade dadurch Beziehungen zum Scheitern.

"Ich muss nur endlich den Richtigen finden"

Die Erwartung, dass irgendwann der perfekte Mann vorbeikommt, macht einsam. Weil es ihn nicht gibt. Hinter dem starren Anspruch, den Richtigen zu finden, stecken oft Bindungsängste oder Minderwertigkeitskomplexe, selbst nicht gut genug zu sein. Manchmal ist die Ablösung von den Eltern noch nicht gelungen: wenn Papa der Beste aller Männer ist oder Mama immer vor den "falschen" Männern gewarnt hat und wir daher lieber brav und sicher Single bleiben. Wer aber auf den Märchenprinzen wartet, versäumt die Chance, sich in einer Beziehung auszuprobieren: Was tut mir gut? Wie liebe ich und wie möchte ich geliebt werden? Wie viel Nähe und Distanz brauche ich, um glücklich zu sein? Welche Eigenschaften des Partners bringen das Beste oder das Schlimmste in mir hervor? Statt des einen Richtigen gibt es - glücklicherweise - sogar viele passende Partner. Wir müssen es nur wagen, uns auf sie einzulassen.

"Er muss doch sehen, wie es mir geht und was ich möchte"

Die eigentliche Erwartung lautet hier: "Er soll mir die Wünsche von den Augen ablesen." Die prompte und einfühlsame Bedürfnisbefriedi­gung, die wir als Kind von unseren Eltern erfah­ren - oder vermisst - haben, wird als die ulti­mative Form der Liebe verstanden: "Wenn er mich wirklich lieben würde, wüsste er, was ich brauche, um glücklich zu sein." Diese Sehnsucht ist menschlich, aber sie drängt den Partner in die versorgende Elternrolle und überfordert ihn auf Dauer. Das führt zu Enttäuschungen und Frust, und zwar auf beiden Seiten. Und so ist eine der häufigsten Klagen, die ich in meiner Praxis höre: "Ich fühle mich nicht gesehen." Nur: Um gese­hen zu werden, müssen wir uns zeigen. Wir müs­sen uns unserem Partner offenbaren: Mit all un­seren Schwächen, unseren Wunden und unseren Wünschen. Auf diese Weise kann echte Nähe entstehen. Und wir müssen nicht länger ent­täuscht sein, dass der Partner kein übermensch­lich einfühlsamer Wunscherfüller ist.

"Konflikte sind gefährlich"

Ja, Streit kann eine Beziehung durchaus vergif­ten. Das liegt aber nicht an den Unstimmigkei­ten an sich, sondern an der Art, wie mit ihnen umgegangen wird. Wer bei Konflikten immer wieder unter die Gürtellinie zielt, ewig grollt, sich selbst zum Opfer und den anderen zum Täter macht, mit Verachtung oder Rückzug straft, rich­tet seine Beziehung zugrunde. Aber: Keine echte Beziehung kommt nun mal ohne Konflikte aus - es sei denn, sie werden aus Harmoniesucht oder Angst, den anderen zu verlieren, hinunterge­schluckt oder verdrängt. Wenn zwei Persönlich­keiten ihre Leben zusammenlegen, gibt es immer Reibungspunkte, über die verhandelt werden muss. Letzten Endes begegnen sich im Streit zwei Individuen, die trotz ihrer Unterschiedlichkeiten für eine gemeinsame Schnittmenge kämpfen. Wichtig ist, dass ein Streit beendet und sich wieder vertragen wird und zudem eine grund­sätzliche Entschuldigungskultur existiert, in der beide Partner Verantwortung übernehmen: der, der um Verzeihung bittet, und der, der ihm ver­zeiht. Und wenn im Alltag ein liebevoller, res­pektvoller Umgang miteinander gepflegt wird, dann hält eine Beziehung so einiges aus.

"Glückliche Paare haben regelmäßig guten Sex"

Ja, doch, es gibt Paare, die bis ins hohe Alter regelmäßig sexuell (miteinander) aktiv sind. Aber auch sie berichten von Phasen, in denen es erheb­lich ruhiger zuging und dass ihre Sexualität sich insgesamt verändert hat. Wer ernsthaft davon ausgeht, auch nach 25 Jahren noch so übereinan­der herzufallen wie am Anfang der Beziehung, wird jede Abweichung ängstlich und enttäuscht beobachten. Sexualität verändert sich in einer langen Beziehung wie die Liebe - sie wird ver­trauter und dementsprechend ein bisschen weni­ger aufregend. Dafür besteht die Chance auf intensivere Begegnungen und eine emotionale Befriedigung, die weit über das Körperliche hi­nausgeht. Sinnlichkeit, Erotik und Intimität las­sen sich nicht messen, sondern nur fühlen. Dafür braucht es keine Häufigkeitsstatistik und keine Vergleiche mit anderen, sondern nur zwei Men­schen, die bereit sind, sich aufeinander einzulassen. Ohne Druck.

Und was erwartet die Liebe von uns?

Liebe kann nur erfahren werden, wenn sie auch gelebt wird - mit all ihren Höhen und Tiefen. Denn zur Liebe gehört auch der Mangel. Erst, wenn wir Abschied nehmen von den Mythen der Liebe, wenn wir anerkennen, dass selbst die größte Liebe Grenzen hat, können wir aus einer fantasierten Beziehung eine reale machen. Und in der haben wir viel mehr Gestaltungsmöglich­keiten, als wir es uns je erträumen konnten. Denn Liebe ist nicht vom Schicksal abhängig, sondern zu großen Teilen selbst gemacht. In dem Moment, in dem wir aufhören, unseren Partner für unser Glück oder Unglück verantwortlich zu machen, übernehmen wir selbst die Verantwortung für unsere Liebe und unser Leben. Ja, das funktio­niert. Und es fühlt sich gut an. 


Dr. Sandra Konrad ist Diplom- Psychologin und arbeitet seit 2001 als systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin in Hamburg. Über falsche Erwartungen an die Liebe hat sie auch ein Buch geschrieben: "Liebe machen. Wie Beziehungen wirklich gelingen" (10 Euro, Piper Taschenbuch).

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