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Diabetes: Frauen in der Zuckerfalle

Diabetes-Patientinnen werden schlechter behandelt - vor allem von männlichen Ärzten.

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Das Thema Zucker bietet viel Zündstoff. Unter anderem in der Gesundheitspolitik: Rund sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden an der Stoffwechselkrankheit Diabetes II, und ihre Behandlung lässt oft zu wünschen übrig. Die Folgen: schwere Komplikationen, hohe Behandlungskosten, vermeidbare Todesfälle.

Ein weiterer brisanter Aspekt des Themas wurde bisher wenig beachtet: Frauen mit Diabetes werden in Deutschland schlechter behandelt als Männer. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Universität Köln, die Krankendaten von fast 45.000 Patienten und Patientinnen auswertete.

Besonders benachteiligt sind danach Patientinnen, die neben Diabetes eine Herzkreislauf-Erkrankung haben: Bei ihnen müssen Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Cholesterinwerte regelmäßig kontrolliert - und gegebenenfalls gesenkt - werden. Bei 40 Prozent mehr Frauen als Männern geschieht das nicht im notwendigen Maße.

Natürlich muss nicht jede Frau, die einen erhöhten Blutdruck oder Cholesterinwert hat, gleich Medikamente schlucken. Wer ein paar Kilo abnimmt, kann seinen Blutdruck oft genauso effektiv senken, und bei erhöhten Bluttfettwerten sollte man es erst einmal mit einer Ernährungsumstellung versuchen.

Voraussetzung dazu aber ist, dass diese Gesundheitsprobleme erkannt werden und dass darüber gesprochen wird - und das geschieht immer noch viel zu selten: "Wir wissen, dass ein bestehendes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen häufig nicht so ernst genommen wird wie bei Männern, und zwar gleichermaßen von Ärzten wie Patienten", sagt die Studienleiterin Prof. Ioanna Gouni-Berthold von der Universität Köln.

Erst letztes Jahr zeigte übrigens eine große amerikanische Studie, wie sich Stoffwechsel und Herzkreislauf gegenseitig beeinflussen: Frauen mit Bluthochdruck haben ein dreimal höheres Risiko, eine Typ-2-Diabetes zu entwickeln - völlig unabhängig von ihrem Body-Mass-Index (BMI), also von der Frage, ob sie übergewichtig sind oder nicht.

Eine sorgfältige ärztliche Betreuung ist bei solchen Risikofaktoren wichtig - und die bekommen Diabetespatientinnen und -patienten eher von Ärztinnen als von deren männlichen Kollegen. Das zeigte eine andere Auswertung derselben 45.000 Datensätze schon im Herbst 2006: Diabetiker, die bei Frauen in Behandlung sind, erhalten häufiger eine strukturierte Diabetesschulung, eine diätetische Therapie und wenn nötig blutdrucksenkende Mittel.

Warum das so ist, darüber kann der Studienleiter Prof. Heiner Berthold nur spekulieren: "Diabetes ist eine extrem komplizierte Erkrankung für Ärzte und Patienten. Möglicherweise liegt es Ärztinnen mehr als ihren männlichen Kollegen, mit ihren Patienten zu besprechen, warum welche Therapie nötig ist und welche Ziele sie gemeinsam erreichen wollen."

Wie gut, dass letztes Jahr unter den Studienanfängern im Fach Medizin 63 Prozent Frauen waren und unter den Erstmeldungen bei den Ärztekammern 56 Prozent. So kommen wir auf Dauer vielleicht doch noch zu einer weniger gefährlichen Medizin - sogar für Frauen.

Text: Irene Stratenwerth Foto: Silke Goes Illustration: Tim Möller-Kaya

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