Boskop-Äpfel, Radicchio oder ein gepflegtes Pils sind ganz schön herbe Genüsse und deswegen auch nicht jedermanns Sache. Leider - denn würden wir mehr Bitterstoffe essen, hätten wir auch weniger Gewichtsprobleme. Der Grund: Bei Bitterem vergeht uns schneller der Appetit, wodurch wir weniger essen. Außerdem sind gerade bitter schmeckende Nahrungsmittel häufig kalorienarm.
Allerdings gibt es sie immer seltener. Züchter und Industrie entbittern, wo es nur geht, und machen den Rest mit Zucker, Süß- und Aromastoffen platt. Denn mild und lieblich mögen die meisten Menschen von Natur aus gern - und essen dann auch mehr davon. Ein Teufelskreis.
Natürliche Appetitbremse
Bitterstoffe sind Gifte, mit denen sich Gemüse, Früchte oder Salat vor Fraßfeinden schützen. Für uns Menschen sind viele dieser Stoffe richtig gesund, denn sie wirken gegen Bakterien, Krebs und Entzündungen und senken Cholesterin. Andere dagegen bekommen uns gar nicht, etwa das Alpha-Tomatin in unreifen Tomaten oder das Solanin in grünen Kartoffeln.
Unsere Zunge aber unterscheidet nicht zwischen "guten" und "bösen" Bitterstoffen. Sobald die Bitterrezeptoren Alarm schlagen, geht ans Gehirn das Signal: "Stopp! Nicht weiteressen." Widerwillen kommt auf, der Appetit ist weg. Ein Mechanismus, der sich ideal fürs Abnehmen nutzen lässt, zeigte eine Studie mit 520 übergewichtigen Frauen und Männern. Die Probanden erhielten drei Monate lang zur gewohnten Kost ein bitterstoffreiches Konzentrat aus Wildkräutern und verloren im Durchschnitt 4,1 Kilogramm, weil sie weniger aßen. Zugegeben, der Extrakt war richtig bitter. Doch auch Chicorée oder Rosenkohl können die Appetitbremse bei uns auslösen. Nur müssen wir wieder lernen, feine Bitternuancen zu schmecken.
In welchen Lebensmitteln stecken Bitterstoffe?
Man muss schon gezielt nach Bitterstoffen suchen. Eine gute Adresse ist der Naturkost-Handel. Bio-Gemüse und -Obst enthalten durchweg mehr "Alarmstoffe", denn sie müssen sich ohne die Unterstützung von Pestiziden gegen Schädlinge wehren. Empfehlenswert sind außerdem diese Lebensmittel:
Das ideale Getränk zum Bitter-Lernen! Besser als Schwarztee, weil seine Gerbstoffe feinherb schmecken und weniger zum Nachsüßen verführen.
Hier ist schon viel rumgezüchtet worden - zum Glück ohne durchschlagenden Erfolg. In diesen Gemüse- und Salatsorten stecken noch viele bittere (und sehr gesunde) Glucosinolate, die beim Kochen größtenteils erhalten bleiben. Radicchio und Chicorée dagegen sind geschmacklich nur noch ein Schatten dessen, was sie mal waren.
Besonders alte Apfelsorten enthalten viele Bittergerbstoffe, die wir als adstringierend ("zusammenziehend") wahrnehmen: Boskop, Blauacher, Bohnapfel und Melrose.
Von allen Zitrusfrüchten ist die Grapefruit immer noch die bitterste - aber nur die mit der gelben Schale. In den orangeroten Exemplaren stecken kaum noch Bitterstoffe.
Purer Kakao ist extrem bitter. Schokoholics wissen, dass man von Schokolade mit 80 Prozent Kakao nicht allzu viel essen kann - aber trotzdem das volle Geschmackserlebnis hat. Zum Angewöhnen können Sie eine Zartbitter-Schokolade wählen und dann allmählich den Kakaogehalt steigern.
Rotwein ist bitterer als Weißwein. Die Bitterstoffe der Weintrauben sitzen vor allem in Schale und Kern. Junger Wein schmeckt herber als alter, denn das Reifen macht ihn milder. In Weintrauben stecken inzwischen keine Bitterstoffe mehr, auf dem Markt gibt es nur noch süße Sorten.
Je weniger be- und verarbeitet, desto besser. Milchsäurebakterien setzen bei ihrer Arbeit bitter schmeckende Peptide frei. Diese kommen aber nur zur Geltung, wenn sie nicht durch Aromen, Zucker oder Süßstoffe überdeckt werden. Statt Joghurt "mild" lieber herb schmeckenden Joghurt nehmen, er enthält in der Regel Bulgaricus-Kulturen (sind in den Nährstoffangaben aufgeführt).
Vor allem Fleischgewürze stecken voller Bitterstoffe: Beifuß, Bockshornklee, Eberraute, Estragon, Korianderblätter, Kurkuma, Majoran, Oregano und Salbei. Aber auch Petersilien- und Löwenzahnblätter sind ziemlich bitter. Geben Sie eine dieser aromatischen kleinen Appetitbremsen in jede Mahlzeit, am besten frisch und pur.
Auch wenn viele Biere inzwischen aus mildem Hopfen gebraut oder mit Limonadenzusätzen angereichert werden (nicht zuletzt, um Frauen zum Biertrinken zu animieren) - nur ein herbes Pils enthält die gesunden Bitterstoffe.
Vorteil für Frauen
Unsere Reizschwelle liegt inzwischen sehr hoch, weil kaum noch Bitteres auf den Tisch kommt. Hier sind Frauen im Vorteil - sie reagieren empfindlicher als Männer. Laut einer Studie der Rutgers University in New Jersey sind Menschen mit sensiblem Bitterempfinden um etwa 20 Prozent dünner als die, die nur ein schwaches Gespür dafür haben. Etwa ein Viertel der Erwachsenen sind so genannte "Tasters" (von "taste" = schmecken). "Non-Tasters neigen zu fetten und süßen Mahlzeiten", erklärt Studienleiterin Beverly Tepper.
Doch auch sie können ihr Bitterempfinden trainieren. "Zwar ist die Zahl unserer Bitterrezeptoren genetisch festgelegt", sagt der Geschmacksforscher Dr. Maik Behrens vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke, "aber jeder Zweite hat immerhin einen mäßigen Bittersinn." Wer abnehmen möchte, sollte daher Bitteres nicht von vornherein mit Süßem maskieren, zum Beispiel den Endiviensalat lieber mit Vinaigrette statt mit süßer Sahne zubereiten oder Kaffee schwarz trinken.