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"Eine Vasektomie ist nicht das Ende der Männlichkeit!" – Barbara und Roland Trettl

"Eine Vasektomie ist nicht das Ende der Männlichkeit!" – Barbara und Roland Trettl
© Barbara Digital
Spitzenkoch Roland Trettl und Barbara haben die 40 passiert und befinden sich in ihrer Lebensmitte. Und nun? Ein Gespräch über das Glück des Älterwerdens und wirklich schmerzhafte Einschnitte
von Stephan Pick

Barbara: Roland, du bist jetzt 46. Das ist das beste Alter für eine amtliche Midlife-Crisis. Wie ist es denn so mitten im Krisengebiet?

Roland: Midlife-Crisis? Wann geht die los?

Barbara: Mit Punkt 42.

Roland: Das hat mir niemand gesagt. Vielleicht habe ich deshalb noch keine. Vielleicht ist mir aber auch das Konzept dieser Lebensmittenkrise suspekt. Ich profitiere doch jetzt von den Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre, das müsste doch allen so gehen.

Barbara: Nicht alle haben aber ein so aufregendes Leben wie du. Ein Sachbearbeiter der Buchstaben K bis L bei der Allianz-Kfz-Haftpflicht sieht die Sache womöglich anders. Denn normalerweise ist es doch so, dass du mit Anfang 40 schon 15 bis 20 Jahre im selben Job bist, in etwa gleich lang in derselben Beziehung steckst, die Kinder sind aus dem Gröbsten raus und das Haus halb abbezahlt. Und dann denkst du: Mist, alles, was ich auf der Uhr hatte, ist erledigt – und noch so viel Zeit, bis ich sterbe ...

Roland: Aber das ist doch gar nicht der Punkt. Wenn dein Sachbearbeiter mit dem, was er da 20 Jahre lang betrieben hat, glücklich ist, dann hat er wenig Veranlassung, etwas für die nächsten 30 Jahre zu verändern.

Barbara: Wenn das so ist, hattest du vor ein paar Jahren doch eine Midlife-Crisis. Du hast deinen tollen Job im Spitzenrestaurant Ikarus im Hangar-7 in Salzburg gekündigt, hast geheiratet und bist Vater geworden. Sehr viel Veränderung.

Menopause ante portas?

Roland: Aber nicht, weil ich zu wenig erlebt hatte, was der Grund für die meisten Männerkrisen ist. Sondern zu viel. Ich war schlicht überarbeitet, und ich hatte einfach genug von unverbindlichen Frauengeschichten. Aber wie ist es denn bei dir? Menopause ante portas?

Barbara: Also entschuldige mal! Ich habe gefühlt doch gerade erst noch ein Kind bekommen! Da ist alles aktiv und auf Leben eingestellt!

Roland: Sorry. Ich frag ja nur. Aber irgendwann, so leid es mir tut, bist auch du dran.

Barbara: Das blende ich aus. Ich denke immer, dass alles, was für andere gilt, für mich keine Bedeutung hat. Wenn irgendwo steht, Rasen betreten verboten, denke ich: Die meinen ja nicht mich.

Roland: Also ignorierst du, dass die Grenze zur 40 schon hinter dir liegt?

Barbara: Als ich 40 wurde, wurde ich oft auf diese Grenze angesprochen, so nach dem Motto: 39, zwinker, zwinker, ist schon was anderes, oder? Ich habe das lange brüsk bestritten und behauptet, es würde sich ja nichts ändern. Aber das stimmt nicht.

Roland: Aha. Was ist denn anders?

Barbara: Mein Leben ist einerseits sehr viel besser geworden.

Roland: Und andererseits?

Barbara: Habe ich angefangen, total bescheuert mit dieser Zahl zu kokettieren. Mein Vierzigsein überzubetonen. So ein Quatsch. Ich habe schließlich genug Leben, um dieser Zahl eine echte Bedeutung zu geben.

Sind Frauen nicht noch gefährdeter als Männer für eine Krise mit Mitte 40

Roland: Ich bin, wie gesagt, kein Experte auf dem Gebiet, deshalb frage ich mal: Sind Frauen nicht noch gefährdeter als Männer für eine Krise mit Mitte 40?

Barbara: Nein, weil wir uns früher mit diesen Themen beschäftigen. Wir bereiten unsere 40er deutlich besser vor. Männer fangen ja erst mit dem Nachdenken an, wenn sie akut umfallen.

Roland: Okay, aber eine Sache ändert sich bei euch definitiv mit Mitte 40: Ihr schließt mit dem Kinderkriegen ab.

Barbara: Das ist allerdings wahr. Und das ist eine große Sache, denn solange du noch theoretisch in der Lage oder bereit bist, Kinder zu bekommen, zählst du dich zur Gruppe der jungen Menschen. Danach bist du ... in der anderen Gruppe.

Roland: Zu denen gehöre ich auch. Zu den anderen.

Barbara: Wieso?

Roland: Ich habe mich sterilisieren lassen.

Barbara: Wirklich? Wow. Wieso?

Roland: Aus zwei Gründen. Erstens: Meine Frau und ich sind glücklich mit unserem einen Sohn, mehr wollen wir nicht. Und zweitens: Ich wollte vorbeugen.

Barbara: Was vorbeugen?

Roland: Einer potenziellen Krise mit Mitte 60. Ich will auf keinen Fall einer von diesen Typen werden, die dann noch ein Kind in die Welt setzen, um sich und der Welt damit zu beweisen, was für geile Hengste sie immer noch sind.

Barbara: Ist ja cool. Habe ich so noch nie von einem Mann gehört.

Roland: Da reden wir ja auch nicht drüber. Also, ich schon. Und wie oft bin ich hinter der vorgehaltenen Hand von Typen gefragt worden, ob ich nicht Angst hätte, dadurch meine Männlichkeit zu verlieren.

Barbara: Was antwortest du dann?

Roland: Immer dasselbe: Wenn du darüber ernsthaft nachdenken musst, warst du noch nie männlich.

Barbara: Bämm! Großartig! Roland, du bist ein Mann der Tat. Und du hast diese eine Sache ultimativ aus dem Kopf, wie gut.

Im Vergleich zu dem, was Frauen ihrem Körper antun müssen, um zu verhüten, ist so eine Vasektomie wirklich keine große Sache

Roland: Vor allen Dingen im Bett. Und jetzt mal ehrlich: Im Vergleich zu dem, was Frauen ihrem Körper antun müssen, um zu verhüten, ist so eine Vasektomie wirklich keine große Sache.

Barbara: Und ein echter Beweis von Männlichkeit, wenn ich so drüber nachdenke. Und dass du das so angstfrei ...

Roland: Na ja, so ganz angstfrei war es dann doch nicht. Ich hatte schon ein wenig Schiss, dass ich meine Männlichkeit verliere. Deshalb bin ich nach dem Eingriff gleich nach Hause und habe masturbiert, obwohl man eindringlich davor gewarnt wird, diesen Bereich in den Tagen danach … sagen wir mal: zu fordern.

Barbara: Und?

Roland: Ich habe total blaue Eier bekommen.

Barbara: Aber warum hast du nicht auf die Ärzte gehört?

Roland: Ich habe gedacht: Ich bin Südtiroler, bei mir geht das schon.

Barbara: Ich stelle gerade fest, dass wir Frauen wohl doch zu wenig reden. Über das, was sich bei euch Männern verändert. Und bei uns. Also, wenn bei mir die Wechseljahre einsetzen, dann bist du der Erste, der es erfährt.

Roland: Danke. Aber mach dir darum keinen Kopf. Ist doch eh egal, was in fünf Jahren ist oder zehn.

Barbara: Bist du so ein Hier-und-Jetzt-Typ?

Roland: Total. Ich habe mir noch nie Gedanken über die Zukunft gemacht.

Barbara: Ich auch nicht. Ich möchte wissen, wann nächste Woche mein freier Tag ist. Darüber hinaus plane ich nicht. Ich habe auch keine Angst vor der Zukunft, weil mich bisher jeder ungeplante Schritt in meinem Leben vorangebracht hat. Deshalb gehe ich davon aus, dass es mit allen weiteren Schritten genauso sein wird.

Roland: Hört sich so an, als ob du ein glücklicher Mensch bist. Gibt es weitere Geheimnisse auf dem Weg dahin?

Barbara: Vielleicht, dass ich immer so gelebt habe, wie es meinem Alter entsprochen hat. Mit 20 habe ich noch nicht an Kinder gedacht. Und jetzt, mit 43, hänge ich eben auch nicht mehr in irgendwelchen Clubs herum. Dadurch bin ich eigentlich nie im falschen Film.

Roland: Geht mir genauso. Ich bin 20 Jahre lang in Clubs gewesen. Wenn ich heute mal beruflich hineinmuss und dort Leute in meinem Alter sehe, die das freiwillig machen, denke ich: Ihr Armen.

Ich weiß das, weil ich den Weihnachtsbaumtest entwickelt habe

Barbara: Oh ja. Ich fahre in Berlin oft an Schlangen vor irgendwelchen In-Läden vorbei, und ich denke dann immer: Ich würde jetzt viel Geld dafür bezahlen, um da nicht reinzumüssen. Nein, ich fühle mich zu Hause in meinem Leben. Ich weiß das, weil ich den Weihnachtsbaumtest entwickelt habe.

Roland: Wie geht der?

Barbara: Jedes Jahr, wenn ich unter dem Weihnachtsbaum sitze, spüre ich nach, ob ich noch im richtigen Leben bin. Und ich habe früher oft irgendwo gesessen und gedacht: Das ist nicht mehr das Leben, das ich leben will.

Roland: Interessant. Ich merke das, wenn ich mit Männern essen gehe, die irgendwann unruhig werden und noch durch irgendwelche Läden ziehen wollen, um etwas zu erleben, während ich einfach nur nach Hause will. Und nicht mehr irgendwelchen Titten hinterherstarren.

Barbara: Wobei, apropos Titten: Ich habe mit 40 schon gemerkt, dass da noch was ginge, da kamen und kommen noch Angebote. Die Zielgruppe ändert sich zwar, und das Meer teilt sich nicht mehr, wenn ich irgendwo langlaufe – aber ich bin nicht unsichtbar. Und ich finde es schon enorm wichtig zu wissen: Da geht noch was.

Roland: Warum auch nicht. Ich glaube, ich war vor 20 Jahren nicht so sexy wie jetzt.

Barbara: Ich finde mich heute auch besser.

Roland: Weil das Paket besser ist. Du bist viel interessanter als früher, weil du so viele Erfahrungen gemacht hast.

Barbara: Und die waren wichtig. Auch für meine Beziehungen. Wenn ich jungen Menschen da draußen einen Rat geben soll: Lernt die Liebe eures Lebens bitte nicht vor Mitte 30 kennen.

Roland: Das stimmt. Dann erst haben beide gelebt und wissen, wie es funktioniert. Und weißt du was: Ob bei mir noch etwas mit einer anderen ginge, ist mir komplett wurscht.

Barbara: Warum?

Roland: Ich hatte neulich ein Gespräch mit meiner Frau, eine Diskussion um eine Liebesgeschichte in einem Buch. Es ging darum, was der eine täte, wenn der andere stirbt. Meine Frau sagte daraufhin: Ich habe mit dir die Liebe meines Lebens gefunden, ich kann mir niemand anderen mehr in meinem Leben vorstellen. Und mir geht es komplett genauso. Ich würde Single bleiben. Ich habe vorher genug ausprobiert, und ich weiß: Besser kann es nicht werden.

Barbara: Das ist ein super Gefühl. Und das findet beileibe nicht jeder im Leben.

Roland: Erinnerst du dich, als wir mal gemeinsam diese Veranstaltung hatten mit 200 Managertypen? Testosterongeladene Kerle, du mittendrin, und da erkennt man dann, dass wir wirklich vom Affen abstammen. Wie haltet ihr Frauen so etwas nur aus?

Barbara: Ich bin da eher teflonbeschichtet. Wenn sie sich wie Affen benehmen, kann ich drüber lachen. Gibt es eigentlich noch andere Dinge, bei denen dir klar ist: Das ist vorbei, das kommt nicht wieder?

Roland: Außer, dass ich entgegen meinem Ursprungsplan definitiv kein Eishockeyprofi mehr werde: nicht, dass ich wüsste. Bei dir?

Barbara: Was ich mit einer gewissen Melancholie empfinde, ohne dass es mich traurig macht: Das Leben ist nicht mehr so offen. Ich fahre nicht mehr mit ein paar Leuten planlos in die Ferien, das war früher toll. Und ich wäre schon gern noch mal 17, um bestimmte Dinge zum ersten Mal zu machen. Nicht nur Sex. Sondern zum ersten Mal Urlaub ohne Eltern machen. Zum ersten Mal Auto fahren. Mit einer jugendlichen Unberührtheit Dinge entdecken, die heute selbstverständlich sind. Ich finde es schade, das Wissen zu haben, dass ich das Davor nicht mehr reproduzieren kann.

Roland: Ist das die Kehrseite unseres erfahrenen, glücklichen Lebens? Dass wir abgestumpft sind für das Staunen der Jugend?

Barbara: Sieht so aus.

Nein, noch mal 17, kein Bedarf, danke.

Roland: Hm. Aber ich glaube, ich will auch das nicht mehr. Nein, noch mal 17, kein Bedarf, danke.

Barbara: Ich auch nur, wenn man mir garantiert, dass ich genau jetzt hier wieder herauskomme.

Roland: Was ist mit dem anderen Ende des Lebens? Wann gehst du in Rente?

Barbara: Interessante Frage. Ich erinnere mich noch an die Generation meiner Großeltern. Die sind mit 65 in den Ruhestand gegangen, und im Grunde begann damit das Warten auf den Tod. Diese Sektionen – Kindheit, Arbeit, Rente, Tod – gibt es doch nicht mehr. Leben, Jugend, Erwachsensein, Arbeit, Freizeit – das geht bei mir alles ineinander über, als ob das Leben ein langer bunter Zeitstrahl ist.

Roland: Ich denke gerade: Wenn ich keine Midlife-Crisis habe, werde ich auch keinen Ruhestand haben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich irgendwann mal nichts tue.

Barbara: Ich weiß, was du meinst. Nur zu Hause sitzen und den Nägeln beim Wachsen zugucken, nein, das kann ich nicht. Bevor das passiert, werde ich irgendwo einen kleinen Blumenladen aufmachen. Und da stehe ich dann Tag für Tag, mittlerweile mit einen grauen Haardutt auf dem Kopf und wirklich tiefen Falten im Gesicht.

Roland: Genau. Es gibt kein Ende von irgendwas, weil Arbeit und Leben für mich auch gar nicht zu trennen sind. Es gibt nur einen 24/7-Trettl, und der ist immer privat und immer bei der Arbeit.

"Eine Vasektomie ist nicht das Ende der Männlichkeit!" – Barbara und Roland Trettl
© Barbara & Roland / Barbara Digital

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