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Janina Breitling Alleinerziehend, Auswanderer, grenzenlos glücklich

Wie fühlt man sich, wenn man seine Familie, den festen Job und die eigenen vier Wände hinter sich lässt und mit einem Kind auf Weltreise geht? Autorin und Unternehmerin Janina Breitling hat es uns verraten.

Janina Breitling und ihr Sohn Maxi leben seit gut drei Jahren auf Bali. Die ehemalige Journalistin ist heute als "Digital Nomad" freiberuflich tätig, hat ein Buch geschrieben und das Unternehmen "Nookees" für wiederverwendbare Menstruationsunterwäsche gegründet. Mit uns sprach sie über das etwas andere Familienleben und wie sie als Single Mom das Reisen bereichert.

In deinem Buch "Bärti muss mit" erzählst du von der Weltreise mit deinem damals fünfjährigen Sohn Max. Auf der Reise habt ihr viel über unterschiedliche Werte gelernt. Zum Beispiel: Wie viel ist Besitz eigentlich wert, das Glück der Gemeinschaft oder auch Freiheit.

Ich weiß nicht, ob das auch unter Werte zählt, aber dieses Gefühl, dass wir immer alles schaffen, egal was kommt, das hat uns sehr geprägt. Maxi hat dieses Selbstvertrauen in uns, in sich selber, ins Leben , und dass irgendwie alles am Ende gut ausgeht. Ich glaube, das ist ein wichtiger Wert, den er mitgenommen hat. Ein anderer Wert ist natürlich Anpassungsfähigkeit. Meinen Sohn kann man wirklich irgendwo auf der Welt hinstellen und er spielt mit allen Menschen und Dingen, die er findet. Zudem hat Maxi keinerlei Tendenz dazu, Menschen in Hinblick auf Besitz oder Ansehen zu bewerten. Wir werden oft von den Einheimischen hier auf Bali eingeladen in ihre spartanischen Häuser und Maxi liebt das und ist unglaublich glücklich. Er duscht oft mit seinen Freunden bei den Familien zuhause, obwohl sie wenig Platz haben und sich zu viert einen Raum teilen. Er sieht letztendlich nur den emotionalen Wert und nicht den, den der Baumarkt vielleicht irgendwann mal ausgeschrieben hatte oder so. Das ist ganz toll.

Was machen wir Deutschen besser oder schlechter als andere? 

Also das freundliche und friedliche Miteinander fällt mir hier ganz massiv auf, dass hier alle immer lachen und total freundlich sind. Balinesen lieben Kinder und sind viel viel verständnisvoller als Europäer oder gerade Deutsche. Also es ist ja in vielen Ländern der Welt, ob das jetzt irgendwie in Südamerika so ist oder ob das in Asien ist oder so, die Kinder sind halt einfach ganz anders willkommen. Kinder gehören dazu und Kinder sind nun mal laut – ja super. Das ist das Leben und so nehmen wir es. Das ist aber auf jeden Fall sehr deutsch und sehr „seniorig“, dieses Aufregen über alles und eben nicht mehr die positiven Dinge sehen zu können. Das ist ja nicht so, dass man als Mama nicht auch manchmal genervt wäre, wenn das Kind rumjault.

Aber gibt es irgendwas, das euch fehlt an Deutschland? Gewisse Strukturen, das Gesundheitswesen oder ähnliches?

Ehrlich gesagt nicht so wirklich. Wir leben hier schon so ein bisschen in unserer „Bubble“, das merke ich immer mehr. Wir leben ein typisches Inselleben. Zudem ist durch den Hinduismus das Leben und Miteinander sehr friedlich. Mich wundert es dann oft, wie wenig ich doch vom Rest der Welt gerade mitkriege und wie wenig es mich eigentlich auch interessiert. Ich konzentriere mich hier auf andere Sachen und auf mein persönliches Glück. 

Du planst also nicht, in absehbarer Zeit wiederzukommen?

Also ich glaube jetzt nicht, dass wir unser Leben lang auf Bali bleiben, aber ich glaube auch nicht, dass wir nächste Woche nach Deutschland zurückkommen. Ich meine er geht jetzt hier zur Schule, ich habe hier Projekte an denen ich arbeite, wir sind beide glücklich. Viele Dinge in Deutschland sehe ich erst jetzt, mit etwas Abstand, klarer. Wie sehr manche Menschen in ihrem Leben auf Nummer sicher gehen und einen imaginären Plan abarbeiten.

Man erreicht Dinge für andere, für die Außenwirkung, aber nicht, weil man sie selbst wirklich will. Das finde ich dann manchmal ein bisschen gruselig. Ich arbeite aktuell zum Beispiel kein bisschen weniger als früher, nur anders. Ich nehme mir die persönlichen Freiheiten, die ich zum Glück brauche, auch wenn es nur eine Surfeinheit morgens um 5.30 Uhr ist. Mein Leben als "Digital Nomad" ist gezwungenermaßen effizienter und unsteter, aber rundherum zufriedener.

Die beste Entscheidung ihres Lebens

Das Kind als "persönliche Achillesferse" auf eine Weltreise mitzunehmen, den festen Job und das soziale Netz hinter sich zu lassen, hat dir das keine Angst eingeflößt?

Ohne Scheiß, das war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich habe fest in einer Redaktion gearbeitet, konnte mich sicher fühlen und eine Zukunft planen - aber trotz der Freude bei der Arbeit wusste ich, dass es so nicht weitergehen kann. Es war ein langsamer Prozess, in dem ich mich Stück für Stück unabhängiger gemacht habe, um heute gänzlich selbstbestimmt zu leben.

Allein die Arbeit an meinem Buch ist ein Beispiel dafür, wie befreiend es sein kann, sich von alten Zöpfen und eingefahrenen Mustern zu trennen. Ich habe so viel geschafft an manchen Tagen, Stunde um Stunde geschrieben, und das alles, obwohl ich mir Zeit für meine Hobbys und natürlich meinen Sohn genommen habe. Ich genieße das Leben und stelle nicht mehr die Arbeit in den Mittelpunkt, der die meiste Zeit beansprucht.

Auf deinen Reisen hast du dich in vielen Punkten - insbesondere ohne geregeltes, festes Einkommen - einschränken müssen. Wie lebt man zu zweit von 33 Euro am Tag? 

Wunderbar. Auf Bora Bora haben wir perfekt gelebt, für weniger als 33 Euro am Tag. Wenn man bedenkt, wofür der durchschnittliche Arbeitnehmer sein hart erarbeitetes Geld ausgibt, dann kann man vermutlich 80% locker streichen, weil es um teure Wohnungen, Autos oder Statussymbole geht. Auf Reisen wird einem erst wirklich bewusst, wie viel mehr wert Zeit im Vergleich zu Geld ist.

Man muss sich nur seinen eigenen Kleiderschrank anschauen oder die Kisten im Keller bzw. auf dem Dachboden, die in Vergessenheit geraten sind. Jedes einzelne Teil symbolisiert Lebenszeit, die man für irgendwas aufgebracht hat um Geld zu verdienen und das dann zu kaufen. Irgendwann dachte ich dann: Hä, eigentlich brauche ich nur 33 Euro am Tag um auf Bora Bora zu wohnen oder Urlaub zu machen und mit meinem Kind die geilste Zeit meines Lebens zu haben. Krass!

Was war für euch auf Reisen die größte Angst?

Ich habe mir ja nicht so viele Sorgen gemacht, das hat mir am Ende ja dann irgendwann mal Sorgen gemacht. Viele Bekannte reagierten viel panischer: "Oh mein Gott, du alleine mit Kind und blond und oh das kann ja nur schief gehen". Und immer diese Fragen: Was ist wenn euch das Geld ausgeht? Was ist, wenn ihr krank werdet? Was ist, wenn ihr überfallen werdet? Was ist, wenn ihr an schlechte Leute geratet und so weiter. Und ich habe mir immer gedacht: Das muss ja auch erstmal passieren und wenn das passiert, dann können wir immer noch zurückkommen. Aber es ist ja nie was passiert. Ich meine, wir sind jetzt seit über drei Jahren weg und uns ist nie etwas Schlimmes zugestoßen.

Da wären wir ja auch wieder bei dem Selbstbewusstsein, das eure Reisen dir selbst und auch Maxi mit gegeben haben. 

Ja das stimmt, das ist so. Wir sitzen hier wirklich oft zusammen und diskutieren über unser "neues" Leben. Ohne diesen imaginären, gesellschaftlichen Plan "Job, Haus, Familie, Rente". Schon in der Schule wird Kindern zum Teil das selbstständige Denken und die Identifikation und Umsetzung der eigenen Ziele abtrainiert. Man bekommt ganz genau gesagt, wo, wann und wie man was lernen muss. um gute Noten zu erhalten. Als ob das allein im Leben zählt.

Wenn ich mit meinen Freunden zu Hause rede, sagen sie oft so Sachen wie: Naja, aber du musst schon schauen wie du in der Rente über die Runden kommst. Ich denke dann nur: Leute, ja und? Soll ich jetzt deswegen die nächsten 30 Jahre hinterm Schreibtisch hocken und unglücklich sein, nur damit ich später in der Rente einen schicken Vorgarten habe und regelmäßig Urlaub mache? Nein danke! 

Dieser Text erschien erstmals im Dezember 2019 bei Gala.de.

Brigitte

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