Anzeige

Studie zeigt Unkoordinierte Babybewegungen sind gezielte Übungen – ziemlich clever!

Ein Baby streckt sich
© Nattakorn / Adobe Stock
Ab der 20. Schwangerschaftswoche kann es schon losgehen: Hier ein kleiner Ellenbogen, dort mal ein Füßchen, das die Bauchdecke leicht anhebt. Ist der:die Zwerg:in, dann auf der Welt geht das Gestrampel fröhlich weiter. Es scheint, als seien die ersten Bewegungen vor und nach der Geburt willkürlich – eine Untersuchung zeigt jetzt aber: Das ist gezieltes Training.

Ein Verfahren, was vor allem auch beim Film angewandt wird, um animierte Bewegungen zu schaffen, hat jetzt auch neue Erkenntnisse in Sachen Kindsbewegung hervorgebracht. Gearbeitet wurde mit Motion-Capture – ein Verfahren, das zum Beispiel Gollum aus "Der Herr der Ringe" zum Leben erweckt hat. Detaillierte Motion-Capture-Aufnahmen von Neugeborenen und Säuglingen wurden mit einem Computermodell des Bewegungsapparats verknüpft.

Wiederholte unterschiedliche Handlungen führen zu einem guten Körpergefühl

Grundlage der Studie war die Beobachtung von Muskelinteraktionen. Denn: Einerseits sendet das Gehirn Anweisungen an unsere Muskeln. Das kann entweder eine Kontraktion sein oder das Signal zur Entspannung. Nur durch die Anweisungen des Gehirns kann ein Mensch überhaupt ein Glas greifen. Andersrum gehen aber durch Sinnesrezeptoren in unseren Muskeln, Sehnen und Gelenken Informationen an unser Gehirn und geben eine Rückmeldung über ihre Bewegung und Position. Das ist der Grund, warum wir immer wissen, wo unsere Füße gerade sind, ohne sie sehen zu müssen.

Dieses Körpergefühl entwickelt sich allerdings erst. Säuglinge wissen also noch nicht sofort, wie man etwas greift und wo sich die Hand dann befindet. Ein Team um Forscher Hoshinori Kanazawa von der Universität Tokio in Japan hat nun untersucht, wie diese scheinbar unkoordinierten spontanen Bewegungen der Babys dazu beitragen, dass sich die Kinder später gezielt bewegen können.

Babybewegungen wurden mit Motion-Capture-Aufnahmen aufgenommen

Das Forschungsteam stattete zwölf Neugeborene im Alter von weniger als zehn Tagen sowie zehn Säuglinge im Alter von drei Monaten mit Markern für Motion-Capture-Aufnahmen aus – diese sehen aus wie kleine aufgeklebte Elektroden. Auf diese Weise konnten die Bewegungen aufgezeichnet werden. Die aufgenommenen Bewegungen übertrugen sie wiederum auf ein Ganzkörpermodell eines Babys, um so die Muskelaktivitäten und die sensorischen Eingangssignale abschätzen zu können. Mithilfe eines Computeralgorithmus analysierten sie, wie Sensorik und Muskelaktivität räumlich und zeitlich zusammenspielten.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass frühe Bewegungen auf selbstorganisierende Weise zur sensomotorischen Entwicklung beitragen", so die Forscher:innen. Bisher war die Annahme, dass eine bestimmte Handlung einfach nur stetig wiederholt werden musste, um sie zu erlernen. Die aktuelle Studie zeigt jedoch, dass es nicht immer dieselbe ist, sondern eine Vielzahl an Handlungen.

Studienergebnisse können Kindern mit Entwicklungsstörungen helfen

Zwar sind die frühen Bewegungen durchaus noch nicht zielgerichtet, liefern aber Regelmäßigkeiten in den Informationen, die zwischen Muskeln und Gehirn hin- und hergeschickt werden. Was wiederum darauf schließen lässt, dass die zappelnden Ärmchen und Beinchen schon erste Übungen in Richtung eines guten Körpergefühls sind – damit die Kleinen auch schnell spüren, wo sich ihre Füße gerade befinden, ohne sie erst mal in den Mund stecken zu müssen, um zu wissen, dass sie da sind. Übrigens: Selbst die Bewegungen im Mutterleib scheinen bereits Regelmäßigkeiten aufzuweisen. Diese werden dann nach der Geburt einfach weiter ausgebaut.

Diese neuen Erkenntnisse der frühen motorischen Entwicklung können den Forscher:innen zufolge auch dabei helfen, Entwicklungsstörungen frühzeitig zu diagnostizieren und Säuglinge mit entsprechendem Bedarf möglichst gezielt zu fördern.

Verwendete Quellen: wissenschaft.de, Hoshinori Kanazawa (Universität Tokio, Japan) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2209953120

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei eltern.de.

slr

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel