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Tigerbox-CEO Martin Kurzhals "50 Prozent der Kinderunterhaltung sind sinnlos"

Kinderunterhaltung im Jahr 2021
Kinderunterhaltung im Jahr 2021
© New Africa / Shutterstock
Mit seinem Unternehmen Tigermedia möchte Martin Kurzhals das Entertainment im Kinderzimmer revolutionieren. Wir haben mit dem Gründer über alte und neue Helden, den aktuellen Stand der Unterhaltungsbranche und seine eigene Familie im Lockdown gesprochen.

Herr Kurzhals, warum haben Sie die Tigerbox entwickelt? Was zeichnet das Produkt aus?

Wir haben festgestellt, dass im Eltern-Entertainment Flatrate-Modelle wie Netflix oder Apple Music längst Einzug gehalten haben. Wir sind voll digital, haben stets eine riesige Auswahl parat. Dann kam bei uns die Frage auf, wie man das auch im Kinderzimmer umsetzen kann. Altersgerechte Antworten gab es dafür nicht. Mit der Tigerbox Touch und dem dazugehörigen Streamingdienst Tigertones können sich Kinder in einem geschützten Raum frei und eigenständig durch ihre Lieblingsgeschichten und -lieder klicken und aus über 6.000 Titeln wählen. Das macht sie stolz und erleichtert Eltern – gerade in Zeiten wie diesen – die Beschäftigung ihrer Kleinen. 

Welches sind die erfolgreichsten Inhalte bei Tigermedia? Funktionieren unsere Helden der Kindheit auch digital am besten?

Absolut. Auch die Klassiker von damals – Bibi und Tina, Drei Fragezeichen, Benjamin Blümchen, Das Sams etc. – sind heute noch total angesagt und werden viel gehört. Neue Helden kommen durch TV-Serien, Kinofilme oder Disney hinzu. Kinder leben in bestimmten Wolken, einer Content-Welt, in der sie sechs, zwölf oder sogar mehr Monate verweilen und alles aufsaugen, was sie kriegen können. Danach stehen dann wieder neue Helden hoch im Kurs. Aber man kann sagen, dass die Klassiker 50-60 Prozent unserer Streams ausmachen. 

Viele Inhalte sind völlig sinnfrei

Schon wieder ein Lockdown, schon wieder müssen Millionen Eltern Kitas, Schulen und soziale Kontakte ersetzen. Wie steht es um die Kinderunterhaltung im Jahr 2021?

Es gibt unzählige Formate, die auf die Kinder einprasseln. Früher hatte man ein, zwei, drei Serien, die alle Kids geschaut, gehört oder gelesen haben und über die man sich auf dem Schulhof austauschte. Heute erleben wir eine Medienflut, die eine Gefahr für die Kinder darstellt und Eltern überfordert. Ich lobe mir kuratierende Orte wie Buchhandlungen, Spielzeuggeschäfte, Bibliotheken. Dieser Verantwortung wollen wir auch nachkommen. Das Hörspiel, das ein Kind abends mit ins Bett nimmt, darf keinesfalls für Albträume sorgen. Meiner Meinung nach sind 50% der Inhalte auf dem deutschen Medienmarkt anspruchs- und sinnlose Unterhaltung, weil Kinder daraus nichts mitnehmen – keine Ideen, keine Fantasie, kein Wissen. Sie werden nur kurzfristig ruhig gestellt.

"Wir haben eine soziale und gesellschaftliche Verantwortung."

Im ersten Lockdown im März 2020 haben wir uns dafür entschieden, Eltern in dieser besonderen Ausnahmesituation zu unterstützen. Dafür haben wir alle Audio-Titel der Mediathek einen Monat lang kostenlos zur Verfügung gestellt, sodass auch Eltern ohne Tigerbox oder Tigertones-Abo sich kostenfrei über die App anmelden und unser Angebot testen konnten. Nach Ablauf des Monats erlosch der Zugang dann automatisch.

Mehrere Zehntausend Menschen haben das Angebot gerne genutzt. Jetzt, wo schon wieder ein Lockdown das soziale Leben lähmt und Eltern ihre Kinder bestmöglich beschäftigen müssen, haben wir ein Home-Schooling-Programm bereitgestellt. So kann man mit der kleinen Hexe Englisch üben oder mit einem Rap Mathe lernen. Das ist unsere soziale und gesellschaftliche Verantwortung.

Der Autor und Filmemacher Thomas Brezina lobt den „Wert der Langeweile“, weil er die Kinder fordert und fördert. Wie stehen Sie dazu?

Das unterschreibe ich voll und ganz. Meine Kinder sind Teenager, da sind Smartphone und Laptop fest verankert. Irgendwann letztes Jahr war in unserer Familie ein Punkt erreicht, an dem es zu viel wurde und wir haben die Teile konfisziert. Nach ein paar mürrischen Tagen begann der Große dann, sich durch unsere Kochbücher zu arbeiten und blieb bei einem Rezept für Käsespätzle hängen. Die Herausforderung, das vom Einkaufen bis zum Kochen alleine umzusetzen, war plötzlich ein echter Antrieb. Was soll ich sagen: Es gibt bestimmt noch kulinarischen Verbesserungsbedarf, aber die Eigeninitiative finde ich klasse. Langeweile macht Kinder stärker, schlauer und kreativer.

Dieser Text erschien erstmals im Februar 2021 bei Gala.de.

Brigitte

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