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Simone Sommerland "Kindern das Singen zu verbieten - das geht nicht!"

Simone Sommerland zählt zu den erfolgreichsten Musikerinnen Deutschlands.
Simone Sommerland zählt zu den erfolgreichsten Musikerinnen Deutschlands.
© Lamp und Sumfleth Entertainment
Simone Sommerland zählt zu den erfolgreichsten Musikerinnen Deutschlands. Im Interview spricht die dreifache Mutter, die zum Kindermusik-Star avancierte ("Die 30 besten Einschlaflieder"), über die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die heilende Wirkung von Singen und warum sie schon mit 18 Jahren eine goldene Schallplatte bekam.

Dein Album "Die 30 besten Kinderlieder" hat gerade Helene Fischer vom Thron gestoßen. Wie bist du auf die Idee gekommen, Musik speziell für Kinder zu machen?

Ich habe schon im Kindergarten gesagt, dass ich Sängerin werden will. In meiner Abizeitung schrieb eine Freundin dann, dass ich den „bescheidenen Wunsch“ hätte, Popstar zu werden. (lacht) Ich bin nicht systematisch vorgegangen. Rückblickend ist alles ein ganz schöner Mix aus Zufällen, Glück, Menschen, die meinen Weg gekreuzt und beeinflusst haben und immer wieder auch bewußt gegangenen Schritten, die dann dahin führten, wo ich jetzt bin.

Mit 14 Jahren hatte ich zunächst klassischen Gesangsunterricht, mit 17 habe ich begonnen, für ein Plattenlabel die Schlümpfe-CDs zu singen, die in den Neunziger Jahren sehr erfolgreich waren. Darauf wurden aktuelle Hits in einer Schlümpfe-Version interpretiert und meine Stimme irrsinnig hochgepitcht. Das brachte mir mit 18 Jahren meine erste goldene Schallplatte ein, und es sollten noch viele weitere folgen, nur hat damals natürlich niemand gewusst, dass ich das bin. 

Das Projekt „Die 30 besten Kinderlieder“, welches heute so wahnsinnig erfolgreich ist, ist auf der Idee des Labels Lamp und Sumfleth Entertainment begründet. Als Sängerin bin ich wieder über das Prinzip Zufall, Glück und ein paar bewussten Schritte, die vorher gegangen wurden, gekommen. Der vom Label beauftragte Produzent Markus Schürjann kannte meinen Mann (Anm.: Karsten Glück, Simones Gesangspartner) und mich schon vorher, wusste, dass wir bereits viel Erfahrung im Kindermusikbereich haben. Mittlerweile hatten wir selbst zwei Kinder, Nummer 3 war unterwegs und so kam das dann alles zusammen.

In meiner Musikschule konnte ich in der Praxis ganz viel über Kinder, Eltern, ihre Stimmen und Wünsche dazu lernen. Damals wurden Kinderlieder eigentlich immer in einer sehr hohen Stimme gesungen, dabei mögen das weder Kinder, noch Erwachsene wirklich gerne hören geschweige denn selber singen. Für mich war klar: Wir machen das anders, nämlich tiefer, weicher und entspannter. Ohne Chichi, aber mit viel Freude und klarer Artikulation.

Als Eltern und Musiker ein eingespieltes Team

Deine eigenen Kinder sind auch mit in die Alben und Videos involviert. Wie finden sie es, dass Mama und Papa Youtube-Stars sind?

Was sie draußen den anderen Leuten erzählen weiß ich gar nicht so genau. Zuhause bin ich einfach Mama und dadurch natürlich auch manchmal doof. Aber grundsätzlich halten sie uns schon für lässig, weil wir seit jeher dieses Musikerleben führen. Sie fanden es aber auch ziemlich doof, dass wir an den Wochenenden für Auftritte oft weg waren. Unsere Kinder sind stolz auf uns, aus vielen Gründen, das ehrt mich zutiefst.

Alle unsere Kinder haben einen Anteil an dem Erfolg und der Musik, die wir machen. Unsere Älteste hat vor zehn Jahren schon bei der ersten CD mitgesungen, jetzt macht sie Abitur und möchte gerne Sängerin werden. Unser Sohn war ziemlich früh im Stimmbruch und aus den Kinderliedern herausgewachsen und unsere Kleinste findet es richtig toll, dass sie selbst in den Videos mitspielen durfte, zusammen mit ihren Freunden.

Berufstätige Eltern würden dieser Tage ohne deine Musik wahrscheinlich durchdrehen. Wie hoch ist dein persönliches Stresslevel aktuell?

Mein persönliches Stresslevel geht sogar einigermaßen. Ein Großteil unserer musikalischen Arbeit findet sowieso im Tonstudio statt und „digital“ sind wir durch die Streamingportale und unsere Youtube-Videos schon total lange. Live geht natürlich gerade bei allen Musikern gar nichts und das ist vor allem daher belastend, dass viele unserer Freunde auch Musiker fast ausschließlich im Konzertbereich tätig sind. Aber der eigentliche Fokus liegt im Corona-Jahr für uns auf der Familie. Unsere älteste Tochter hat ihre gesamte Abiturzeit unter Corona-Bedingungen erlebt. Da könnte ich heulen, wenn ich dran denke, was sie alles an Erlebnissen und Freude verpasst hat. 

Unser Sohn ist ganz pragmatisch, der ist 17 und hat die Schule schnell beendet, weil er sowieso längst wusste, dass er Handwerker werden möchte. Er hat das Jahr mit vielen Praktika super genutzt und seine Ausbildung begonnen.

Tja und bei unserer Kleinsten, die im Sommer den Schulwechsel vor sich hat, sind wir seit über einem Jahr mit Home Schooling dabei. Auch wenn es uns persönlich finanziell nicht den Angstschweiß auf die Stirn treibt, lässt mich die Situation der Kinder, unserer Freunde, Mitarbeiter und Musikschüler nicht kalt. Das ist ganz bitter. Schon nach dem ersten Lockdown war ich geschockt, was diese Zeit mit den Menschen gemacht hat.

Und klar, wir sind fünf Personen. So lieb ich die alle hab, aber 24/7 aufeinander zu sitzen ist alles andere als optimal. Da muss man sich viel ausdenken.

Konzerte und das gemeinsame Singen sind seit fast einem Jahr verboten. Welche Wirkung hat das auf Kinder?

Menschen, und Kindern ganz besonders, das Singen zu untersagen, halte ich persönlich für ganz schwierig. Ich lebe und erlebe, wie heilend Gesang wirkt, was etliche Studien belegen. Die Sprachentwicklung der Kinder wird dadurch gefördert, das Wohlbefinden, das ganze Koordinations- und Körpergefühl. Es ist tragisch, dass in dem so wichtigen Alter bis sechs Jahre diese Erlebnisse derzeit über lange Strecken ausbleiben.

Nicht nur neurologisch, auch körperlich tut Singen unwahrscheinlich gut. Serotonin wird ausgeschüttet, die Zellen bekommen mehr Sauerstoff und die Knochen fangen an zu schwingen. Ich breche eine Lanze für Gesang auf allen Ebenen. Es ist essentiell für die Gesundheit, die Seele, das freundliche, friedliche Miteinander. 

Ich bin überzeugt, dass es gerade jetzt sehr gesundheitsfördernd ist, zu singen. Zumindest draußen oder alleine bzw. in den Familien. Mit unseren Videos versuchen wir, dazu beizutragen. Ein wenig Kindergarten nach Hause zu bringen, lieb gewonnene Rituale wie der Morgenkreis zum Beispiel, das schaffen wir offensichtlich, denn ich erhalte viele Zuschriften von dankbaren Eltern. Der Mensch singt, bevor er spricht. Es ist die älteste Kommunikationsform überhaupt.

Singen ist gut für die Seele

In der Pandemie werden gewohnte soziale Systeme außer Kraft gesetzt. Was hilft dir und deiner Familie, die Zeit zu überstehen?

Für mich als Sängerin, Mutter, Mensch, ist Musik und Gesang seit jeher meine Medizin für alle Stresssituationen in meinem Leben gewesen. Nach einem Konzert oder tollen Gesangsstunden bin ich immer aufgetankt. Tatsächlich haben mir die mit dem Beruf erworbenen Skills, wie bewusste Atmung, Selbstwahrnehmung und auch das empathische Hinspüren für die Bedürfnisse unserer Kinder geholfen, mit den Herausforderungen klar zu kommen. Wir haben uns sehr stark ausgetauscht, über alles was uns bewegt und unzufrieden macht, aber auch versucht herausfinden, was uns im Einzelnen helfen kann.

Simone Sommerland und Karsten Glück sind beruflich und privat ein Dream Team mit drei gemeinsamen Kindern und einer steilen Karriere.
Simone Sommerland und Karsten Glück sind beruflich und privat ein Dream Team mit drei gemeinsamen Kindern und einer steilen Karriere.
© Lamp und Sumfleth Entertainment

Zu fünft waren wir auch nie wirklich einsam wie manch einer, der ganz allein lebt. Darin liegt Kraft. Zudem haben wir einen großen Garten und leben noch dazu in unserer Kleinstadt mit viel Fläche und Raum, den man ausfüllen kann. Die zusätzlichen Probleme, die in Ballungsräumen entstehen, die haben wir hier nicht. Selbst wenn alle gleichzeitig vor die Tür treten, ist es noch entspannt.

Natürlich hatten auch wir plötzlich viel mehr Zeit miteinander und haben uns sehr viel ausgetauscht und vor allem für die Kinder versucht, die neuen Herausforderungen zu besprechen und auch hier nach Lösungen zu suchen. Rausgehen und eigene Auszeiten nehmen war für uns alle wichtig. Ich persönlich habe viel gelesen, Klavier gespielt und ganz viel Kniffel, Skip Bo und andere Gesellschaftsspiele mit unserer Jüngsten.

Dass Mama und Papa die ganze Zeit da waren, das gefiel ihr auch gut. Früher waren wir sicherlich zu 50 Terminen im Jahr unterwegs, oftmals am Wochenende

Wut, Enttäuschung, Resignation, Überforderung

Haben es Eltern gerade schwerer? Wird ihnen zu viel zugemutet durch die Politik?

Das ist eine der Fragen, da bekomme ich Gänsehaut. Die packt mich emotional immer wieder total. Ohne für mich zu beanspruchen, den perfekten Lösungsweg parat zu haben, finde ich es unsäglich, was den Eltern zugemutet wird. Und auch, was man von den Kindern verlangt. Es läuft nicht überall friedlich ab, nicht alle Eltern kommen mit der Doppel- oder Dreifachbelastung klar, viele sind alleinerziehend. Wenn die Rahmenbedingungen so geschaffen sind, dass etwas Unmenschliches gefordert wird, nämlich ununterbrochenes Kümmern und Arbeiten, dann werde ich stinksauer.

Man muss auf der einen oder der anderen Seite Abstriche machen, beim Job oder beim Kind, und dann mit den Konsequenzen leben. Das zerreißt die meisten berufstätigen Eltern sowieso schon, auch ohne Corona. Aber ohne die klaren Strukturen, unter denen Familie und Beruf eigentlich nur vereinbar sind? Gerade jetzt bräuchte man eigentlich mehr Support, wirklich neue Ideen und Lösungsansätze, stattdessen werden die Familien damit allein gelassen. 

Die Solidarität, die vom Staat gefordert wird, ist für mich eine Einbahnstraße. Das ist nicht fair, denn die Familien erhalten sie nicht.

Mama und Pädagogin und Job gleichzeitig – das geht nicht.

Es entstehen Spannungsfelder, die wieder nur auf die Familien abgewälzt werden. Ich kann alle Emotionen, die da so kommen, dermaßen nachvollziehen: Wut, Enttäuschung, Resignation, Überforderung. Und zwar bei allen Beteiligten.

"Jeder Mensch und jedes Kind sind systemrelevant"

Am allerschlimmsten an der Situation finde ich, dass Kinder nicht als vollwertiger Mensch angesehen werden. Nur weil sie keine Lobby haben oder rhetorisch nicht für sich kämpfen, werden ihre Bedürfnisse einfach übergangen. In Wahrheit sind ihre Bedürfnisse aber doch viel größer als die der Erwachsenen. Wir können manche Sachen mit Vernunft und Verständnis zurückschrauben, weil wir die Situation verstehen und wissen, dass es wieder anders wird. Für ein Kind ist das nicht greifbar.

Ich mag auch das Wort „systemrelevant“ nicht. In einem System wie unserer Gesellschaft oder einer Familie sind alle wichtig. Jeder Mensch und somit auch jedes einzelne Kind ist systemrelevant. 

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