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Social Freezing Eizellen einfrieren – Der Snooze-Modus für die biologische Uhr?

Frau schaut nachdenklich in die Ferne
© Getty Images
Lia Grünhage revolutioniert mit AVERY Fertility die Familienplanung. Was es mit Social Freezing auf sich hat und warum Aufklärung so wichtig ist, verrät sie uns im Interview.
Interview von Julia Ballerstädt

36, weiblich, kinderlos. Da wird gerne mal die Klischee- Keule geschwungen: „Egoistische Karrierefrau eben!“ Und die biologische Uhr erst, die immer lauter tickt…Dabei gibt es viele Gründe, warum nicht jede Frau spätestens mit Anfang 30 auch einen runden Bauch bekommt. Manchmal fehlt der richtige Partner, die Einnahme von Medikamenten zwingt dazu, den Kinderwunsch nach hinten zu schieben und manche ja, manchmal möchte man sich auch einfach erst einmal auf den eigenen Weg konzentrieren. Denn seien wir mal ehrlich, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Karriere ist in den meisten Bereichen nach wie vor ein schlechter Witz. 

Trotzdem: Gegen die biologische Uhr ist noch kein Kraut gewachsen...

...und auf eine Maschine zum Zeitanhalten werden wir womöglich vergebens warten, oder? Wenn man Lia Grünhage, Gründerin von Avery Fertility fragt, kann man die Zeit zumindest ein wenig verlangsamen. Denn mit Social Freezing haben Frauen nun ein paar Jahre mehr Zeit bzw. einen Plan B statt blöder Sprüche über tickende Uhren. Avery Fertility hat es sich zu Aufgabe gemacht, Frauen über ihre Möglichkeiten aufzuklären, das Thema Social Freezing zu enttabuisieren und verfügt über ein großes Netzwerk an renommierten Reproduktionsmedizinern. 

Lia, was genau versteht man unter Social Freezing und warum sollte es kein Tabu-Thema mehr sein?

Lia Grünhage von AVERY Fertility:  In kurz und knapp steht Social Freezing für die Konservierung von Eizellen. Das heißt, dass diese entnommen, dann eingefroren und aufbewahrt werden. Die Qualität – also Fruchtbarkeit – der eingefrorenen Eizellen bleibt dabei erhalten. Klappt es auf natürlichem Wege nicht, schwanger zu werden, können alternativ die zuvor eingefrorenen Eizellen eingesetzt werden. 

Wie bist du zu dem Thema gekommen?

Vor einem Jahr wurde ich in meinem Bekanntenkreis selbst mit dem Thema unerfüllter Kinderwunsch konfrontiert. Eine Freundin war mit 34 Jahren aus gesellschaftlicher Sicht noch nicht alt, aus evolutionsbiologischer Sicht leider schon. Nach vielen Monaten des Probierens die harte Diagnose: Ihre Fruchtbarkeit sei eingeschränkt. Mit jüngeren Eizellen wären die Chancen besser. Der lange Weg der künstlichen Befruchtung begann. Ich habe diesen Zustand des Wartens und Hoffens indirekt miterlebt und festgestellt, wie hoch der Leidensdruck eines unerfüllten Kinderwunsches ist. Was mich besonders schockiert hat, ist auch, wie wenig viele Frauen über Fruchtbarkeit wissen. Jahrelang lernen wir wie wir es verhindern, schwanger zu werden, aber nichts darüber, was uns erwartet, wenn wir uns dann ein Baby wünschen.

Wie läuft Social Freezing im Detail ab? Wie kann ich mir das vorstellen?

Als erstes wird medizinisches Beratungsgespräch über den Vorgang und die Risiken sowie eine gründliche Voruntersuchung durchgeführt. Sollte die Patientin sich danach für eine Behandlung entscheiden, startet etwa am dritten Zyklustag die Stimulation der Eierstöcke durch eine individuelle Zusammensetzung von Hormonen, damit in diesem Zyklus mehr als nur eine Eizelle reift. Während der Stimulation finden 2-3 Kontrolltermine vor Ort statt, um die Entwicklung der Eizellreifung zu beobachten. Die meisten Frauen vertragen diese hormonelle Stimulation gut und können ganz normal ihrem Alltag nachgehen. Nebenwirkungen wie Unwohlsein, Übelkeit oder Bauchspannen sind in manchen Fällen aber möglich. Nach ca. 10 Tagen leitet die Patientin dann in Absprache mit dem Arzt per Hormongabe den Eisprung ein – ca. 36 Stunden später findet die Entnahme statt. Dabei führt man eine dünne, flexible Nadel durch die Vagina ein und entzieht den Eibläschen die Eizellen. Das dauert normalerweise nur ca. 15 Minuten und die Patientin ist währenddessen im Tiefschlaf. 

Und was passiert dann mit den Eizellen?

Die reifen Eizellen werden nach der Entnahme erst gründlich untersucht und dann im Bruchteil einer Sekunde schockgefroren. Nach dem Schockfrieren lagern die Eizellen bei –196° in flüssigem Stickstoff in speziellen Tanks, in der Regel vor Ort in der Praxis. Da bei dieser Temperatur keine biologischen Alterungsprozesse mehr auftreten, können die Eizellen theoretisch ein Leben lang ohne Qualitätsverluste aufbewahrt werden. 

Warum ist Social Freezing aus deiner Sicht so wichtig?

Das Einfrieren von Eizellen bietet die Möglichkeit, die aktuelle Fruchtbarkeit für eine spätere Schwangerschaft zu bewahren. Die Fruchtbarkeit bei vielen Frauen nimmt bereits ab dem 30. Lebensjahr ab. Mit 30 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, noch bei ca. 20-25 Prozent pro Zyklus, mit 40 Jahren schon nur noch bei knapp unter 10 Prozent pro Zyklus. Die eingefrorenen Eizellen sind also ein Plan B, sollte eine Schwangerschaft auf dem natürlichen Wege nicht mehr funktionieren. Ich möchte dafür sorgen, dass sich Frauen aktiv mit ihrer Fruchtbarkeit auseinandersetzen, sich der Chance des Social Freezings bewusst sind und dann eine informierte Entscheidung für oder gegen eine Behandlung treffen können, bevor es eventuell zu spät ist.

Das bedeutet aber doch auch, dass sich Frauen schon unter 30 mit dem Thema Social Freezing auseinandersetzen müssen, um qualitativ gute Eizellen einfrieren zu lassen, richtig?

Ja, deswegen ist die Aufklärung ja so wichtig. Grundsätzlich gilt: Je früher wir uns mit dem Thema beschäftigen, desto besser. Denn mit 30 Jahren nimmt die Qualität der Eizellen merklich ab – ab 35 Jahren nochmals signifikanter. Die Eizellen sind in jüngeren Jahren also fruchtbarer und machen damit eine spätere Schwangerschaft wahrscheinlicher. Aus medizinischer Sicht findet die Behandlung idealerweise mit 25-35 Jahren statt.

Wie viele Eizellen können pro Zyklus entnommen werden, und wie viele der konservierten Eizellen kann ich später nutzen?

Wie viele Eizellen entnommen werden können, hängt grundsätzlich von vielen individuellen Faktoren ab. Ein großer Einflussfaktor ist aber das Alter der Frau. Bei jüngeren Frauen können auch mal mehr als 15 Eizellen in einem Zyklus entnommen werden. Diese Anzahl sinkt mit steigendem Alter. Es wird empfohlen, 15-20 Eizellen zu lagern, weshalb weitere Zyklen notwendig sein können, um die Zahl zu erreichen. 

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Schwangerschaft?

Durch Social Freezing besteht – wie auch auf natürlichem Wege – keine Schwangerschaftsgarantie. Eine Studie der Harvard-Universität hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft bei der Entnahme von 20 reifen Eizellen bei einer Frau unter 35 Jahren bei ca. 90 Prozent liegt. Sind es 10 Eizellen, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 70 Prozent. Insbesondere ab einem Entnahme-Alter von 35 Jahren nehmen diese Wahrscheinlichkeiten zunehmend ab. 10 eingefrorene Oozyten (Eizellen) einer 37-jährigen Frau erreichen nur noch eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft. Social Freezing macht noch keine Schwangerschaft, auch wenn es die Chancen einer späteren Schwangerschaft erhöht.

Mit welchen Kosten muss ich für Social Freezing rechnen?

Grundsätzlich kann man für einen Zyklus mit Gesamtkosten von ca. 4.000 Euro rechnen, abhängig vom behandelnden Arzt, von dem Standort und der benötigten Medikamentendosis. Die Anzahl der benötigten Zyklen hängt von vielen Kriterien ab. Das Alter ist hier eines der entscheidendsten, denn je jünger Frauen bei der Behandlung sind, desto mehr Eizellen können in einem Zyklus gewonnen werden. Generell wird empfohlen, 15-20 Eizellen zu konservieren, was bei Frauen unter 30 Jahren auch in einem Zyklus möglich ist. Der behandelnde Arzt gibt aber eine individuelle Einschätzung, wie viele Eizellen pro Zyklus gewonnen werden können. Für die Lagerung der Eizellen werden üblicherweise ca. 350 Euro pro Jahr in Rechnung gestellt. Der AVERY-Service ist immer kostenfrei. Außerdem bietet AVERY Finanzierungsmöglichkeiten für eine Behandlung an.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Social Freezing ist aktuell keine Kassenleistung. Allerdings wurde 2019 entschieden, dass das „Medical Freezing“, also das Einfrieren der Eizellen, wenn ein medizinischer Grund wie beispielsweise eine Krebserkrankung mit Chemotherapie, vorliegt, von der Kasse getragen wird. 

Porträt Grünhage
© PR

Lia Grünhage war zuletzt als Managing Director bei Amorelie tätig, wo sie entscheidend den Markt für Lovetoys und den gesellschaftlichen Umgang mit unserem Liebesleben veränderte. Gemeinsam mit Fabian Blatt und Frederik Brandis gründete sie jetzt das Unternehmen AVERY, mit dem sie Aufklärung in einem Bereich Fruchtbarkeit und Social Freezing betreibt, indem sie den Zugang zu solchen Behandlungen vereinfacht. 

Barbara

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