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5 typische Fehler, die wir im Umgang mit schüchternen Kindern machen

Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir schüchterne Kinder stärken können. Dazu gehört auch, sie einfach mal in Ruhe zu lassen.

Wir leben in einer Gesellschaft, die die Mutigen und die Selbstdarsteller liebt. Ob auf Youtube oder in der Politik – extrovertierte Menschen kommen einfach gut an, sie scheinen mehr Erfolg zu haben und insgesamt leichter durchs Leben zu kommen, während die Vorzüge und Talente zurückhaltender Menschen eher übersehen werden.

Eltern von schüchternen Kindern machen sich darum oft Sorgen. Wird mein Kind zu sehr untergebuttert? Hat es wegen seines Temperaments später Nachteile? Leidet es unter seinen Ängsten?

Die Autorin und psychologische Beraterin Doris Schüler hat selbst ein Kind, das sehr schüchtern war und dem es gelungen ist, seine Ängste zu überwinden. In ihrem Buch "Schüchterne Kinder stärken" gibt Doris Schüler Eltern Tipps, wie sie ihren Kindern helfen und sie besser verstehen können. Sie beschreibt auch einige typische Fehler, die wir wahrscheinlich alle schon im Umgang mit schüchternen Kindern gemacht haben (oder die wir selbst als schüchterne Kinder erlebt haben).

Fehler 1: "Du bist aber schüchtern."

Man kann es sich eigentlich denken, trotzdem machen Erwachsene es immer wieder: dem Kind den Stempel "schüchtern" geradezu aufdrücken. Womöglich noch vor einer großen Runde anderer Menschen. "Den meisten Kindern ist es äußerst unangenehm, wenn sie hören, dass Erwachsene sie als schüchtern bezeichnen", so Doris Schüler. Hilfreich ist das nicht, im Gegenteil: So könnten so Scham und Minderwertigkeitsgefühle ausgelöst werden – das Kind zieht sich noch mehr zurück. Im schlimmsten Fall kommt das Kind dadurch erst zu der Annahme, dass Schüchternheit ein fester Wesenszug von ihm sei und dass es immer schüchtern bleiben werde. Doris Schüler empfiehlt Eltern darum, den Begriff ganz zu vermeiden und andere Worte zu finden. Wenn andere Menschen das Kind als "schüchtern" bezeichnen, könne man auch reagieren, indem man zum Beispiel sagt, dass es nur ein bisschen Zeit brauche.

Fehler 2: "Jetzt gibt der Tante doch mal die Hand!"

Eine Situation, die vielen Eltern bekannt vorkommen dürfte. Verwandte, die das Kind nicht so gut kennt, laden zur Familienfeier. Bei der Begrüßung reagiert das Kind nicht so, wie sich das die Verwandten vorstellen. Es gibt kein Küsschen, es schüttelt nicht die Hand oder sagt einfach gar nichts. Um zu verhindern, dass die Verwandten eingeschnappt sind, drängen viele Eltern ihre Kinder, sich doch gefälligst adäquat zu verhalten.

Ein Fehler, so Doris Schüler. "Das Kind befindet sich dann in dem Dilemma, ob es den Erwartungen der Eltern und der Familie entsprechen soll, oder ob es zu seinen eigenen Gefühlen stehen darf." Wenn es gedrängt werde, seine eigenen Gefühle zu übergehen, könnte es zum Schluss kommen, dass seine Gefühle nicht in Ordnung seien. "Damit verliert das Kind sein Vertrauen in die eigenen Empfindungen und entwickelt ein schwaches Selbstgefühl", schreibt Schüler.

Erwachsene sollten dem Kind also stattdessen vermitteln, dass es "Nein" sagen und zu seinen Gefühlen stehen darf. Der Tante kann man stattdessen klarmachen, dass das Kind schon noch auftauen werde – wenn man es eben nicht bedrängt.

Fehler 3: "Geh doch mal zu den anderen Kindern und spiel mit!"

Gerade introvertierte, schüchterne Kinder brauchen mehr Zeit, um sich an neue Umgebungen und andere Menschen zu gewöhnen. Sie konzentrieren sich auch lieber auf eine Sache, als tausend Dinge gleichzeitig zu tun. Sie sind nachdenklicher und beobachten eine Situation oft erstmal, ehe sie sich darauf einlassen. Laut Doris Schüler ist es wichtig, dass Eltern diese Bedürfnisse respektieren und dem Kind das Gefühl geben, dass es in Ordnung ist, wenn es sich so verhält.
Akzeptiert es also, wenn euer Kind mal lieber allein zuhause spielen möchte, statt sich zu verabreden. Und wenn ihr auf einem Kindergeburtstag seid und euer Kind möchte bei den Spielen der tobenden Meute nicht mitmachen, bedrängt es nicht, sondern lasst es in Ruhe. Es wird schon mitmachen, wenn es so weit ist.

Fehler 4: "Musst du zuhause immer so laut sein?"

Zugegeben: Es gibt Angenehmeres als ein laut rumtobendes Kind im Nebenzimmer – oder gar mehrere. Aber gerade bei schüchternen Kindern ist es laut Doris Schüler wichtig, dass sie auch mal lärmen dürfen. Denn während sie außer Haus meist ruhiger sind als andere, fällt die Schüchternheit zuhause oft ab. "Sie verbieten sich das Laut-Sein oft genug selbst aus Angst davor anzuecken. Eltern unterstützen ihr Kind sehr, wenn es zu Hause geräuschvoll sein, toben und herumalbern darf", schreibt Schüler. Schön sei es auch, wenn die Eltern gemeinsam mit dem Kind mal so richtig laut sind – man kann ja abwarten, bis die Nachbarn aus dem Haus sind.

Fehler 5: "Das kannst du doch noch gar nicht."

Eine positive Sicht auf die Fähigkeiten des Kindes ist sehr wichtig, das gilt besonders bei schüchternen Kindern. Statt immer nur das zu erwähnen, was das Kind nicht kann oder falsch macht, sollten Eltern Fähigkeiten und mutiges Verhalten anerkennen. Spart nicht an Lob, wenn euer Kind es geschafft hat, ein Referat zu halten oder sich selbst eine Kugel Eis zu kaufen. Stärkt die Eigenverantwortung, indem ihr ihm Aufgaben im Haushalt übertragt und zum Beispiel bestimmte Einkäufe erledigen lasst. Hilfreich ist es auch, seine Meinung im Familienalltag einzubeziehen, so Schüler. "Eine Beteiligung an Entscheidungen stärkt das kindliche Selbstbewusstsein." Voraussetzung ist natürlich, dass diese Beteiligung dem Alter entspricht und es nicht komplett überfordert.

Buchempfehlung:

Noch mehr hilfreiche Tipps und Informationen über das Wesen von schüchternen Kindern findet ihr in Doris Schülers Buch "Schüchterne Kinder stärken" (Amondis Verlag, 19,95 Euro)

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