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"Komm zu Mama und mach Sitz!" Kann man Muttersein mit nem Hund üben?

Mamasein mit Hund üben
© Studio / Shutterstock
Es ist völlig in Ordnung, sein Herz an ein Tier zu hängen, es zu lieben und vielleicht auch zu vermenschlichen. Aber hört auf, eure Hunde mit meinen Kindern zu vergleichen!

Liebe Hundemutter,

in letzter Zeit begegnen wir uns öfter mal. Neulich zum Beispiel, bei einem Abendessen bei Freunden. Da hast Du mir erzählt, dass Du auch irgendwann Kinder willst, aber jetzt erst mal zusammen mit Deinem Freund einen Hund gekauft hast, quasi als Probelauf fürs Baby. Denn, klar: Wer gemeinsam einen Hund erziehen kann, der macht das später bei den Kindern mit links.

Muttersein mit einem Hund üben?

Ich habe mich heftig verschluckt, aber nichts dazu gesagt, man will ja nicht als Klugscheißerin gelten. Aber ich frage mich schon, wie Du auf diese Idee kommst. Weil ein Hund auch Bedürfnisse hat, die man in gegenseitiger Absprache irgendwie erfüllen muss? Weil man auch von einem Welpen nachts ab und zu geweckt wird und sich vielleicht darüber streitet, wer jetzt aufsteht und kurz die Terrassentür aufmacht, damit der kleine Vierbeiner draußen sein Geschäft erledigen kann? Wer glaubt, diese Erfahrung bereite auf ein Leben mit Kindern vor, der hält ein Wanderwochenende im Harz auch für eine gute Vorbereitung für eine Everest-Besteigung.

Viel beunruhigender als Deine etwas naiven Vorstellungen über das Leben mit einem Baby finde ich allerdings, dass Du, seit Du diesen Hund hast, Dich tatsächlich für ein Mitglied im Mamaclub hältst. Wie neulich im Park, als wir nebeneinander auf der Bank am Ententeich saßen und ich meinen Sohn dreimal ermahnen musste, keine Entenkacke mit den Fingern vom Boden zu pulen. Da hast Du Deinen angeleinten Labradorwelpen hinterm Ohr gekrault und mit mildem Spott zu mir gesagt: "Du, mein Trainer in der Hundeschule hätte jetzt echt mit den Augen gerollt, dass Du dasselbe Kommando dreimal hintereinander geben musst. Erziehung ist wirklich nur eine Frage der Konsequenz." Da war ich doch ein bisschen fassungslos.

Hunde sind wunderbare Gefährten

Klar, Du hast es nett gemeint
und wolltest unsere Gemeinsamkeiten betonen, ein bisschen
Smalltalk so von Mutter zu
"Mutter". Und auf den ersten Blick gibt es ja auch tatsächlich
ein paar Gemeinsamkeiten: Kinder und Hunde sind beide niedlich, man liebt sie abgöttisch, kauft ihnen zu viel Spielzeug und ist erstaunlich viel mit ihren Körperausscheidungen in Kontakt. Aber genau hier hören die Gemeinsamkeiten auch auf. Glaub mir, ich hatte auch mal einen Hund, den ich sehr geliebt habe, und dessen Tod ich bis heute betrauere. Hunde sind wunderbare Gefährten. Aber ein Hund ist kein Kind. Und der Kauf eines Hundes macht Dich nicht zur Mutter.

Dein Hund hat nämlich schon eine Mutter. Eine echte Hundemutter, die ihn zur Welt gebracht und ihm – so lange sie durfte – alles beigebracht hat, was er zum Hundsein braucht. Die echte Hundemutter hat Deinen Liebling in die Lage versetzt, sich in ein neues Rudel einzufinden und sich einem neuen Leittier unterzuordnen – nämlich Dir.

Was hat Hundeerziehung mit Kindererziehung zu tun?

Du erziehst Deinen Hund, damit er nicht auf den Teppich kackt und immer schön "bei Fuß" bleibt. Ich erziehe mein Kind, damit es mich eines Tages verlassen kann, auch wenn mir der Gedanke daran schon jetzt das Herz bricht. Mein Kind soll nicht sein Leben lang bei Fuß gehen, sondern irgendwann seine Koffer packen und in die Welt hinausziehen, allein, ohne mich. Ich gebe keine "Kommandos" und ich erziehe mein Kind nicht, damit es gehorcht. Ich setze ein paar Leitplanken und hoffe, dass mein Kind mir eines Tages widerspricht. Mich herausfordert, sich eine eigene Meinung bildet, auch wenn das vielleicht nicht immer meine ist.

Ich verstehe schon, dass Du deinen Hund sehr liebst. Das ist vollkommen in Ordnung, es gibt in der Liebe keine Hierarchien. Aber einen Hund zu lieben ist vergleichsweise einfach, denn was Du an ihm liebst, ist ja vor allem, dass er Dich so liebt. Dein Hund vergöttert Dich, das ist seine Natur, es hat gar keine andere Wahl. So lange er sich auf den Beinen halten kann, wird er aufgeregt und schwanzwedelnd zur Tür hechten, wenn Du nach Hause kommst, sogar, wenn Du nur zehn Minuten weg warst. Würdest Du deinen Hund auch dann noch lieben, wenn er Dir "Ich hasse Dich!" ins Gesicht schreien, die Tür knallen, frauchenverachtenden Gangster-Rap hören und mit seinen Freunden zu viel kiffen würde? Kinder verändern sich, sie wachsen nicht nur einfach. Sie sind dynamische Persönlichkeiten, und meistens reiben wir uns vor allem an den Charaktereigenschaften, die sie von uns geerbt haben. Dein Hund dagegen wird mit den Jahren verlässlich derselbe bleiben, vielleicht ein bisschen weniger stürmisch, aber doch dasselbe treue Wesen, das sich jederzeit und bis ins hohe Alter begeistert von Dir beschmusen und streicheln lässt. Versuch das mal mit einem siebzehnjährigen Kind.

Ein Hund ist kein Kind

Niemand erwartet von Dir, Deinem Hund ein gutes Vorbild zu sein. Er wird Dich nicht mit seinen Launen, seinen Tobsuchtsanfällen, seinem Schlafrhythmus in den Wahnsinn treiben und das Zusammenleben mit ihm wird kein echter Belastungstest für dein Selbstbild oder deine Beziehung. Ich habe jedenfalls noch nie von frisch getrennten Paaren gehört, dass die Beziehung gescheitert ist, weil man seit der Anschaffung des Hundes keinen Sex mehr hatte, völlig übernächtigt ist, er nie im Haushalt hilft , sie im Umgang mit dem Hund immer alles besser weiß, und obwohl man sich vor dem Hund noch geschworen hatte, gemeinsam die Verantwortung zu übernehmen, er dann doch wieder Vollzeit arbeiten gegangen ist und sie dann halt in Teilzeit ein bisschen was dazu verdient, jetzt aber total frustriert ist, weil es so verdammt schwierig ist, Karriere und Hund unter einen Hut zu bekommen.

Und trotzdem kommt es vor, dass sich meine alleinerziehende Freundin Solidaritätsbekundungen von Hundemüttern anhören muss, die sich auch das Hundesorgerecht für Purzel mit dem Ex teilen und genau zu wissen meinen, wie anstrengend das ist, denn obwohl Purzel ausschließlich rohes Fleisch zu fressen bekommen soll, habe der Ex in seiner Purzel-Woche wieder mit Trockenfutter angefangen.

Hundemutter - eine andere Art von "Mutter"

Liebe Hundemutter, bitte missversteh mich nicht: Es ist vollkommen in Ordnung, sein Herz an ein Tier zu hängen, es zu lieben und zu verwöhnen und vielleicht auch zu vermenschlichen. Es ist in Ordnung, die Gesellschaft von Hunden der Gesellschaft von Kindern vorzuziehen oder sich einen Hund zuzulegen, weil man keine Kinder bekommen konnte oder wollte. Das Muttersein an sich macht mich auch nicht zum besseren Menschen. Aber hör bitte, bitte auf, Deinen Hund mit meinen Kindern und Deine Erfahrungen mit meinen zu vergleichen. Es ist nicht dasselbe.

Lass uns einfach andere Gemeinsamkeiten finden, wenn wir uns das nächste Mal treffen und miteinander plaudern. Ich zum Beispiel stehe echt nicht auf Katzen.

Wäre das vielleicht ein Anfang? 

BRIGITTE MOM 04 / 2017

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