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Marshmallow-Test: Haben deutsche Kinder zu wenig Selbstkontrolle?

Marshmellow Test
© Shutterstock/ Alex Borovsky
Wer hat sich mehr im Griff - Kinder aus Deutschland oder aus Kamerun? Das Ergebnis einer Studie ist eindeutig.

Worum geht's hier?

Um ein Experiment, das erstmals in den 60ern durchgeführt wurde: der Marshmallow-Test. Dafür werden vierjährige Kinder vor einen Teller mit einem Marshmallow gesetzt. Sie haben nun die Wahl: Entweder sie essen den Marshmallow sofort. Oder sie warten geduldig, bis der Testleiter zurückkommt – als Belohnung bekommen sie dann zwei Marshmallows.

Ah, genau wie bei der "Überraschungsei"-Werbung!

Genau, dieser Spot greift das Szenario auf. Man sieht darin auch sehr schön, wie schwer es vielen Kindern fällt, der Versuchung zu widerstehen. Genau wie in diesem Video:

Was sagt der Test dann über die Kinder aus?

Der Test zeigt, ob man es schafft, kurzfristig auf etwas Verlockendes zu verzichten, um ein langfristiges Ziel zu erreichen. Es geht hier also um Selbstregulierung und um Impulskontrolle.

Warum ist die Selbstregulierung überhaupt wichtig?

Wer in sozialen Gruppen gut zurechtkommen will, muss sich den aktuellen Situationen anpassen – und kann nicht jedem Wunsch und Impuls sofort nachgeben. Sie ist auch wichtig, wenn man im Leben langfristige Ziele erreichen will. Tatsächlich zeigen Langzeitstudien, dass die Kinder, die sich beherrschen konnten, später im Leben beruflich erfolgreicher und sozial kompetenter waren.

Gibt es hier kulturelle Unterschiede?

Genau das haben Forscher der Uni Osnabrück nun erstmals untersucht. Sie führten den Marshmallow-Test mit Vierjährigen aus deutschen Mittelstands-Familien und mit Vierjährigen aus Bauernfamilien in Kamerun durch.

Und wer schaffte es besser, sich zu gedulden?

Eindeutig die Kinder aus Kamerun. Sie warteten im Schnitt sehr viel länger und blieben dabei sehr ruhig. Die Kinder aus Deutschland machten ihrem Frust oft lautstark Luft, sie schimpften, zappelten und gaben schneller auf.

Warum sind die Kinder aus Kamerun hier so viel besser?

Die Studienleiter führen das darauf zurück, wie die Kinder dort aufwachsen. Sie leben in großen Familien mit mehreren Generationen und vielen Geschwistern, es gebe eine feste soziale Hierarchie.

"Von Kindern wird schon früh erwartet, dass sie sich in diese Hierarchie eingliedern. Das Hauptziel ihrer Sozialisierung ist, dass sie soziale Verantwortung entwickeln, dazu gehören Respekt und Gehorsam gegenüber Älteren, Solidarität unter Gleichaltrigen und Fürsorge für jüngere Kinder", so heißt es in der Studie, die in der Fachzeitschrift "Child Development" veröffentlicht wurde.

Da lernt man automatisch, die eigenen Wünsche hinten anzustellen.

Genau. Studienleiterin Bettina Lamm sagt im Interview mit dem Spiegel: "Die kamerunischen Kinder haben gelernt, sich anzupassen und ihre Frustration zu regulieren."

Oje. Und all das können die deutschen Kinder nicht?

Nein, nicht so gut. Aber das ist womöglich gar nicht so dramatisch. Unsere Gesellschaft hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Anpassung und Unterordnung sind nicht mehr so wichtig, dafür hat es einen hohen Stellenwert, sein Leben selbst zu gestalten und in die Hand zu nehmen.

Und das ist es, was deutsche Eltern den Kindern vermitteln?

Genau. "Deutsche Eltern wollen, dass ihre Kinder ihr Leben aktiv gestalten und sich für die eigenen Wünsche einsetzen." Das Warten seien die Kinder daher nicht gewohnt.

Und wie wirkt sich das auf ihre Lebenslaufbahn aus?

Das wird sich zeigen. In einer Gesellschaft, die auf Unabhängigkeit setzt, kommen sie womöglich auch mit einer mangelnden Impulskontrolle weit.

Trotzdem - das sagen auch die Forscher aus Osnabrück - ist vermutlich ein Mittelweg aus beiden Erziehungsansätzen nicht das verkehrteste, auch in Deutschland.

Videotipp:

Fallback-Bild
miro

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