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Warum lassen sich Kinder konfirmieren – obwohl ihre Eltern die Kirche ablehnen?

Konfirmation - warum entscheioden sich Kinder dafür?
© Shutterstock/Anna Nahabed
Ihre Eltern haben mit der Kirche nichts oder wenig am Hut. Was bringt Kinder dazu, sich trotzdem konfirmieren zu lassen?

Für unsere Kinder war das nicht vorgesehen

Ich bin bei einer ganz gechillten Kirche“, erzählt Fritz (9), der in einem Hamburger Szeneviertel groß wird. Er hat seine Erstkommunion und die Vorbereitung darauf sehr genossen. Ebenso wie das Fest, an dem die ganze Familie aus dem Münsterland zusammenkam, um mit ihm zu feiern. Zur Kommunion zu gehen, war seine eigene freie Entscheidung.

Viele von uns Eltern erinnern sich nur mit Grausen daran: Familienfeste in der Kindheit zogen sich wie Kaugummi, fühlten sich muffig an und eng. Konfirmation und Firmung waren in den meisten Familien ein vorgeschriebenes Ritual, das nicht in Frage gestellt werden durfte und nur widerwillig in ungeliebten Kleidern absolviert wurde. Lediglich die oft üppigen Geschenke trösteten über Zwang und Langeweile hinweg.

Viele von uns haben seitdem der Kirche den Rücken gekehrt. Jetzt werden wir vom eigenen Nachwuchs überrascht: Warum will sich ausgerechnet unser Kind konfirmieren lassen - oder zur Erstkommunion gehen?

Es geht nicht um die Geschenke - nicht nur

Alina (14) aus dem nordrhein-westfälischen Beverungen wollte vor allem dazugehören. Viele Kinder in ihrem Bekanntenkreis haben sich konfirmieren lassen. Ihre Mutter, sie ist alleinerziehend, hat nichts mit der Kirche am Hut. Ihre eigene Konfirmation fand sie schrecklich, daraus hat sie nie einen Hehl gemacht. Doch obwohl Alina wegen eines Umzugs ganz allein in eine fremde Konfirmandengruppe gehen musste, wollte sie es unbedingt. Auch wegen der Geschenke.

„Die Kids wissen: Man bekommt Geschenke, Zuwendung und die Familie trifft sich. Das alles sind positive Dinge“

Der Münchner Familientherapeut Dr. Klaus Neumann weiß, welche Gründe eine wichtige Rolle bei der Entscheidung Jugendlicher für oder gegen Kirche spielen. „Die Kids wissen: Man bekommt Geschenke, Zuwendung und die Familie trifft sich. Das alles sind positive Dinge.“

Denn neben der Progressivität, die der Jugend zu eigen sei, habe sie auch etwas sehr Konservatives: Heranwachsende sehnten sich nach einer heilen Welt mit Vater, Mutter, Kind. Daher auch die Hinwendung zu Ritualen und alten Geschichten.

Unsere Kinder suchen nach Antworten

Es geht aber auch um ganze zentrale Lebensfragen. "Kinder", sagt Neumann, „befinden sich auf hoher See, sie wissen nicht, wo es hingeht.“ Nichts ist klar, alles ist infrage gestellt - ob man mal reich und berühmt wird oder eben nicht, ob man einen Partner findet, wie das eigene Leben aussehen wird. Und die Eltern wollen immer nur „das Beste“ – aber das deckt sich nicht unbedingt mit den Wünschen der Kinder. Die Fragen „Wo komme ich her, wo geht es hin, und wozu ist das Ganze gut?“ treiben Jugendliche um. Da helfen feste Strukturen und Rituale.

Josy hat sich mit 14 Jahren taufen lassen, damit sie zur Konfirmation gehen kann. Die Schülerin aus dem wohlhabenden Hamburger Vorort Blankenese ist die erste in ihrer Familie, die Ja zur Kirche sagt. Ihre Mutter glaubt, dass bei ihrer Tochter manches zusammenkam: Die schöne Konfirmationsfeier vor ein paar Jahren im Garten der Cousine; das Gerücht im Reitstall, dass ein Mädchen 13.000 Euro zu ihrer Konfirmation bekommen habe; die Tatsache, dass sich viele Klassenkameraden konfirmieren lassen. Eines Tages habe Josy dann beim Frühstück gesagt: „Mama, ich möchte konfirmiert werden.“ Die Mutter hegte einen Verdacht: "Wenn es dir ums Geld geht, kannst du das auch ohne Konfirmation bekommen", sagte sie ihr. Aber nein, Josy hatte Sehnsucht nach einem besonderen Tag, mit einem hübschen Kleid und hohen Schuhen. Und auch, wenn sie nicht zum Gottesdienst gehen mag, findet sie es schön, nun Teil der Kirchengemeinde zu sein.

Neumann bezeichnet Heranwachsende auch als „umherirrende Fischlein im großen Meer“, die nach Zugehörigkeit und Identität suchen. „Es gibt eine archaisch begründete Sehnsucht nach Zugehörigkeit, die nach den Erfahrungen des Dritten Reichs lange negativ besetzt war und in den Hintergrund getreten ist. Sie wird jetzt wieder wach“, meint er.

Ein bisschen wie Weihnachten

Der kleine Fritz erinnert sich auch, dass seine Kommunion einen gewissen Zauber gehabt habe, etwa so wie Weihnachten. “Es war fast ein bisschen magisch, als ich die Kommunion empfangen habe“, sagt er andächtig, „ich hatte irgendwie das Gefühl, dass Gott in mir drin war.“ Auch Zauber und Magie finden in unserer aufgeklärten Gesellschaft wenig Raum.

Vielleicht spielt auch das Fehlen von Zwang in der modernen Familie eine Rolle bei der Hinwendung der Kinder zur Kirche. Fritz jedenfalls sagt: „Ich bin froh, dass ich die Wahl hatte. Ich weiß nicht, ob ich es sonst gemacht hätte.“ 

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