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Getrennt leben trotz Kindern - Zusammenziehen kommt nicht in Frage

Mutter und Tochter verabschieden Vater an Tür
© fizkes / Shutterstock
Gesa, 38, und Mirco, 47, lieben einander. Sie haben zwei Töchter, Robin, 5, und Toni, 5 Monate. Aber eine gemeinsame Wohnung? Ein No-Go!

Wir sind noch zusammen, weil wir nicht zusammen wohnen

Gesa sagt:

"Die Fragen kamen mit meiner ersten Schwangerschaft, da waren Mirco und ich seit drei Jahren zusammen. Vorher hatten die Leute in unserem Umfeld es mehr oder weniger kommentarlos zur Kenntnis genommen, dass jeder von uns in seiner eigenen WG wohnen blieb. Aber Eltern werden und nicht zusammenleben, das ging vielen nicht in den Kopf. Dabei war für uns die Grundvoraussetzung, als wir über Kinder geredet haben: bloß nicht deshalb unsere Eigenständigkeit aufgeben. Einen Umzug gab es tatsächlich, aber nur, weil es in meiner damaligen Wohnung zu eng geworden wäre mit dem Kind. Deshalb habe ich seit Robins Geburt meine eigene Bleibe, Wohnzimmer, Kinderzimmer und ein halbes Zimmer zum Schlafen.

Leute, die uns neu kennenlernen, halten uns oft für ein Trennungspaar. Weil die Kinder mal hier, mal dort wohnen. Wenn sie dann verblüfft feststellen, dass wir ein anderes Modell leben, erkläre ich ihnen: Wir sind zusammen, nicht obwohl, sondern weil wir nicht zusammenwohnen. Unter einem Dach würden wir uns nicht die Köpfe einschlagen, aber wir wären weniger glücklich. Jetzt mit dem Baby verbringen wir zwar die meiste Zeit zu viert, aber das wird sich auch wieder ändern. Bis zu Tonis Geburt hatten wir ein perfektes Arrangement: höchstens an fünf Tagen pro Woche alle zusammen, mal bei mir, mal bei Mirco, und jeder von uns Erwachsenen mindestens einen Tag ganz für sich. Ganz zu Anfang habe ich meine Solo-Tage immer sehr vollgestopft, mit Arbeit, Sport, Ausgehen. Heute genieße ich es auch, einfach mal nichts zu tun und in der Badewanne zu liegen, wenn Mirco die Kinder hat. Klar, unser Alltag ist auch manchmal unpraktisch – spätestens in dem Moment, in dem es morgens regnet und die Kinder-Gummistiefel in der falschen Wohnung liegen. Aber die Vorteile überwiegen. Mirco und ich haben nicht den romantischen Anspruch, unser ganzes Leben zu teilen. Wichtiger ist, interessant füreinander zu bleiben."

Mirco sagt:

"Wenn man alles voneinander mitkriegt, woher soll dann die positive Spannung kommen? Ich finde es schön, wenn man sich dieses Besuchsgefühl, diese Vorfreude aufeinander erhalten kann. Wir haben auch kein gemeinsames Konto, wir führen unsere Haushalte unabhängig - das gibt uns mehr Zeit, über wirklich Wichtiges zu sprechen. Nicht nur unsere Kinder, sondern auch unsere Beziehung, oder einfach Themen, die uns interessieren. Ich habe vor Jahren einmal mit meiner damaligen Freundin zusammengelebt und fand es schwierig, so vom Alltag verschluckt zu werden. Und diese Streitereien zu führen: Wer bin ich überhaupt, wo ist mein Platz. Mit kleinen Kindern kommt dazu: Man ist ja sehr in der Elternrolle. In den Zeiten, die ich für mich habe, kann ich wieder derjenige sein, der ich vorher war, nebenbei bin und später wieder sein werde - nicht so sehr "Vater von Robin und Toni", sondern einfach Mirco.

Klar, es gibt immer mal Leute, die uns misstrauisch beäugen und für beziehungsgestört halten. Als würden wir Nähe nicht aushalten oder uns vor Verantwortung drücken. Völlig falsche Einschätzung. In anderthalb Jahren werden wir gemeinsam in ein Wohnprojekt in einem Neubauviertel ziehen, zwar unter einem Dach, aber jeder von uns in einer anderen Wohnung mit anderen Mitbewohnern. Ich glaube, damit leben wir auch unseren Töchtern etwas sehr Wichtiges vor: Menschliche Beziehungen haben viele Schattierungen, gesellschaftliche Normen darf und soll man ruhig hinterfragen, und jeder Mensch hat ein anderes Bedürfnis nach Nähe und Distanz."

Brigitte 05/2018

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