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Kinder und Fernsehen: Die fünf Stufen der Standhaftigkeit

Zu viel Fernsehkonsum ist schlecht für Kinder, davon sind wir überzeugt. Aber unsere TV-Regeln durchzusetzen, ist verdammt schwer, wie uns Bloggerin Linda Ellerich anschaulich beschreibt.

Ob Fernsehen für Kinder g’scheit ist, steht Muttis Meinung nach nicht zur Debatte. Da aber auch das Feinstaub-Einatmen, das Mit-der-stinkenden-U-Bahn-zum-Kindergarten-Fahren-müssen und das Mästen-mit-Schokoladeklumpert-von-Kindergartenfreunden zu den theoretischen No-Gos gehören, sich aber praktisch nicht vermeiden lassen, redet Mutti sich den Verzicht aufs TV als realitätsfremd schirch und versucht meist voll motiviert, zumindest Frequenz und Dauer zu beschränken. Daraus lässt sich folgender fünfstufiger Eskalationsplan der Standhaftigkeit – empirisch belegt – ableiten.

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Stufe 1: Verständnis

Auf dieser Stufe befinden sich alle durchschnittlich motivierten Muttis von Anfang an und automatisch. Auf das geäußerte Bedürfnis des Nachwuchses, den Fernseher aufdrehen zu wollen, reagieren sie mit Verständnis, bleiben gleichzeitig aber standhaft. Beispiel: "Junior, ich weiß, dass du jetzt fernsehen möchtest. Das ist jedoch schlecht für deine Entwicklung und ich befürchte als Folge einen Zustand geistiger Verwahrlosung, der sich in spätestens 15 Jahren in Form exzessiven Drogenkonsums niederschlagen wird. Also nein."

Stufe 2: Ablenkung

Ist das Kind jünger als 25, führt Stufe 1 in den allermeisten Fällen zu gar nichts. Relativ schnell erklimmen Muttis also Stufe 2, die nichts anderes ist als eine hinterfotzige Version von Stufe 1, bei der man sich die Unreife des Nachwuchses geschickt zunutze macht. Beispiel: "Junior, ferngesehen wird nicht. BOAH! Hast du das Riesenflugzeug gesehen, das gerade direkt vor unserem Fenster explodiert ist? Nein? Na dann setz dich mal ans Fenster und schau, ob noch eines kommt."

Stufe 3: Lügen

Ist man einmal auf dieser Stufe angekommen, gibt es nichts zu beschönigen: Man schämt sich. Aber wie bereits bei Stufe 2 heiligt auch hier der Zweck die Mittel, gleichzeitig verliert man aber auch nicht sein Gesicht als liebevolle Mutti, die alles für ihren Nachwuchs tun würde. Beispiel: "Junior, leider sind die Batterien vom Fernseher leer. Aber morgen kaufe ich neue, versprochen."

Stufe 4: Kompromiss

An Tagen, an denen sich die Erziehungsberechtigten dazu entschieden haben, dass heute AUSNAHMSWEISE ferngesehen werden darf, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Einerseits will man den Nachwuchs nicht zum Zombie machen, indem man aufdreht und ihn selbst entscheiden lässt, wann genug ist (also nie), andererseits will man durch ein lebenslanges Verbot vermutlich keinen Vollbart tragenden, sich von Beeren ernährenden Sonderling heranzüchten, der mit gebrüllten Monologen über Chemtrails und die Verschwörung der Freimaurer die anderen Patienten in der "Erholungsklinik" verschreckt. Beispiel: "Na gut, Junior, du darfst heute fernsehen. Aber nichts, das so wild geschnitten ist, dass es einen epileptischen Anfall auslösen könnte und nichts, wo Menschen oder Tiere zu Schaden kommen und keinen Schweinkram. Also zehn Minuten Testbild. Aber ohne Ton, ok?"

Stufe 5: Resignation

"Ach, drauf geschissen. Mutti braucht nach dieser harten Woche dringend eine Stunde Nachmittagsschlaf. Hier ist die Fernbedienung. Und vergiss nicht: Wenn du mich aufweckst, ist Fernsehen gestrichen!"

Text von Linda Ellerich, ursprünglich erschienen auf muttialarm.wordpress.com.

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