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Embryoadoption Wie erzähle ich meinem Kind, dass ich es als Embryo adoptiert habe?

Frau mit Babybauch hält Teddy.
© nataliaderiabina / Adobe Stock
Vor sieben Jahren ließ sich unsere Autorin eine befruchtete Eizelle einsetzen. Nun geht das Kind zur Schule, und sie fragt sich: Muss ich es mit seiner Entstehung belasten?

April 2016. Ich bin auf dem Weg zum Embryo-Transfer. In Begleitung einer sogenannten IVF-Koordinatorin laufe ich durch den Gang einer privaten Kinderwunschklinik in Tschechien. Hinter mir liegen fünf Jahre, in denen ich verzweifelt versucht habe, ein Baby zu bekommen. Ich habe alles unternommen, was die Fortpflanzungsmedizin zu bieten hat. Am Anfang, als ich mir ein Baby gewünscht habe, habe ich Männer verführt. Später habe ich mir Sperma von freiwilligen Spendern in Plastikbechern überreichen lassen, um mich damit selbst zu befruchten. Dann habe ich meine "alten" Eizellen mit bezahlten Samen von jungen Männern – angeboten von Samenbanken – in Kinderwunschpraxen befruchten lassen. Alles ohne Erfolg.

Was ich auch versucht habe – es war vergeblich. Ich musste Abschied von der Idee nehmen, dass meine Eizellen mir ein Baby bescheren. Dieses Wissen hat mich in diese schicke kleine Privatklinik geführt. Jetzt folge ich der Koordinatorin Richtung Behandlungsraum, wo mich ein freundlicher Arzt erwartet. Mein wirklich allerallerletzter Versuch, schwanger zu werden, steht mir bevor. Ich bin entschlossen, einen Embryo zu adoptieren. Er ist aus einer Ei- und einer Samenzelle entstanden, die zwei Menschen der Klinik verkauft haben. Nichts weiß ich über sie. Nur, dass sie angeblich gründlich geprüfte Student:innen sind. Die Fragebögen zu Präferenzen bezüglich der Spender waren mir nicht wichtig, nicht mal die Ähnlichkeit hat für mich eine Rolle gespielt.

Angekommen im Behandlungsraum, bin ich nur noch äußerlich eine zielstrebige Frau. Innerlich fühle ich mich erschöpft, traurig und verzweifelt. Nach mehreren Eileiterschwangerschaften, Fehlgeburten und einer jahrelangen Odyssee durch Deutschland, Dänemark und Spanien bin ich hier gelandet, und mir kommen die Tränen, als der Embryo transferiert wird. Ich kann "das Geschehen" auf einem Monitor verfolgen.

Zu schön, um wahr zu sein

Zurück in Deutschland spreche ich mit fast niemandem über das, was ich getan habe. Ich möchte andere nicht befremden. Um den Schmerz der zahllosen Misserfolge besser zu ertragen, habe ich jede Hoffnung unterdrückt und mich mit einer "Augen zu und durch"-Attitüde gewappnet.

Dem positiven Schwangerschaftstest zwei Wochen nach dem Transfer schenke ich wenig innere Beachtung. Es ist der zehnte Test in meinem Leben, der zwei Streifen aufweist. Ein Baby hatte ich trotzdem nie zur Welt gebracht. Dann der Bluttest. Meine Frauenärztin, die meine Leidensgeschichte kennt, ruft mich abends um halb zehn an, als sie den HCG-Wert aus dem Labor bekommt. Er sei bilderbuchmäßig. Einige Wochen später ist schon ein kleines Gummibärchen auf dem Ultraschall zu entdecken. Meine Ärztin ist begeisterter als ich. Sie zeigt mir das schlagende Herz und erklärt, dass der Embryo, anders als einige Vorgänger, an einer sehr guten Stelle sitzt. Ich spreche immer noch nicht darüber. Weil ich es selbst nicht glauben kann.

Mein Bauch beginnt sich zu wölben, ich ziehe weitere Kleider an, doch ich behalte alles für mich. Zumindest alle Worte. Übergeben muss ich mich fast bis zum Ende der Schwangerschaft. Schaffe es in den Schulstunden als Lehrerin fast immer bis zur Pause mit dem Spucken. Ich sage zu niemandem, was mit mir los ist. Nur ganz wenige sind eingeweiht. Die größte Zweiflerin bin sowieso ich selbst. Es fällt mir schwer, "dem Braten" zu trauen. Was, wenn das Kind nicht lebensfähig ist? Wenn ich es verliere? Aber es bleibt und wächst und kommt zum errechneten Termin vollkommen gesund durch einen Kaiserschnitt auf die Welt.

Und da ist es: das größte Glück

Es ist, und das ist nicht hochstilisiert, das Größte, Schönste, Genialste, was mir je widerfahren ist. Ich halte mein Baby in den Armen und höre für sehr lange Zeit nicht mehr auf zu staunen. Es tun sich Gefühlswelten in mir auf, von denen ich keine Ahnung hatte, dass sie existieren. Ich weine oft vor Glück, strahle mein Kind an, beschwöre es, frage: "Wie hast du nur zu mir gefunden? Wer hat mir dich geschenkt?"

Ich bin plötzlich froh, über jeden fehlgeschlagenen Versuch. Freue mich, dass meine eigenen Eizellen für die Tonne waren. Denke und fühle, dass das hier das Wunderbarste ist, das mir je passiert ist. Ich habe durchgehalten. Ich finde es gut, so alt zu sein, und fühle mich mit meinem Schicksal versöhnt.

Während die Kinder von gleichaltrigen Freundinnen pubertieren, darf ich meins stillen und ihm bei seiner Entwicklung zuschauen. Nach den ersten intensiven, anstrengenden und glücklichen Jahren ist mein Baby kein Baby mehr, sondern ein richtiger kleiner Junge. Er wächst, fragt, rennt, klettert, fordert – und geht zur Schule!

Embryoadoption – Wie sage ich es meinem Kind?

Nach dem anfänglichen Glücksrausch bin ich in der Realität angekommen. Ich staune immer noch, dass alles so gekommen ist, aber als Alleinerziehende und -verdienende mit dem Anspruch, meinem Kind so viel Geborgenheit und Sicherheit wie möglich zu schenken, muss ich sehr viel bewältigen. Ich muss stabil und stark bleiben, fokussiert arbeiten, ich rotiere zwischen Waschmaschine, Supermarkt, Kindergarten, Herd und Schreibtisch. Organisiere tausend Dinge und laufe Gefahr, mich selbst zu vernachlässigen und zu verlieren.

In dieser Umbruchphase sehe ich mich damit konfrontiert, mein Kind über seine Entstehung aufzuklären. Die Familientherapeutin Dr. Petra Thorn sagt, es führe kein Weg daran vorbei. Sie berät Eltern, deren Kinder mithilfe von Spenden oder Leihmutterschaft gezeugt wurden. "Frühe Aufklärung und ein entspannter Umgang mit der Zeugungsgeschichte sind am besten", sagt sie. "Außerdem sollte man im Alltag darüber sprechen. Dadurch normalisiert sie sich für das Kind, und es kann auf mögliche Diskriminierung oder Hänseleien reagieren. Zu einer solchen Resilienz beizutragen ist für das Kind deutlich besser, als die Zeugung geheim zu halten." Dann entstehe ein Familiengeheimnis, unter dem Eltern und Kind leiden könnten.

Das möchte ich nicht. Aber warum ausgerechnet jetzt? Es hat sich alles so gut eingespielt. Mein Sohn und ich sind ein Dream-Team. Es muss sein, sagt die Psychologin. Sie empfiehlt, Kinder schon im Kindergartenalter darüber aufzuklären. Soll ich sagen, dass Samen und Eizelle zusammengeführt und nach erfolgreicher Zellteilung eingefroren wurden? Dass seine Entstehung mit den Zeilen begann: "Es gibt etwas Passendes in unserer Datenbank, wann möchten Sie kommen?" Ist die Frau, die ihre Gene gespendet hat, die eigentliche Mutter?! Oder die Frau (ich), die seit der Geburt des Kindes für alles gesorgt hat und jede Sekunde mit dem Kind durchgestanden hat, ohne es im Stich zu lassen?

Welche Rolle spielt Verwandtschaft?

Es gibt Menschen, mit denen ich blutsverwandt bin, die mir aber nichts bedeuteten. Ich kann mehr mit dem Zitat "Du bist zeitlebens für das verantwortlich, das du dir vertraut gemacht hast" anfangen als mit der Ähnlichkeit von Genen. Ich finde es sogar gut, dass mein Sohn nicht meiner seltsamen Sippe entspringt und ich nicht darüber nachdenken muss, welche Schwächen ich ihm in die Wiege gelegt haben könnte. Auf der anderen Seite ist die Frage, welche Informationen in der Schwangerschaft unabhängig von den Genen weitergegeben werden. Es lässt sich auch etwas über Mikrochimärismus finden, wonach es während der Schwangerschaft eine Migration von Zellen der Mutter zum Kind und umgekehrt gibt. (spektrum.de/news/wir-omamutterkind-mischwesen/1345475). Das spricht dafür, dass bis auf die ersten "Starter-Zellen" einiges von mir in den Körper meines Kindes übergegangen ist.

Ich bin nicht in der Stimmung, meinem Sohn zu sagen, wie es um seine anonyme Herkunft bestellt ist. Schwierig ist auch, dass ich selbst nicht allen in unserem Umfeld die ganze Wahrheit sage, sondern es eher in der Schwebe lasse. Ich nuschle etwas von Kinderwunschbehandlung, nicht von Embryo-Adoption. Jetzt verlangt meine Vernunft ein Outing von mir, für das ich mich nicht reif fühle. All die schwierigen Fragen und noch viel komplizierteren Antworten würde ich gern ad acta legen.

Unter nahestehenden Verwandten habe ich mich seit Beginn meines Alleingangs zum Baby extremer Ablehnung ausgesetzt. In ihren Augen ist es unfassbar egoistisch, ohne Vater ein Kind in die Welt zu setzen. Was ich mir einbilde? "In deinem Alter, in deiner beruflichen Situation." Purer Egoismus sei es, einen Menschen ungefragt in so eine schwierige Lebenssituation zu stürzen, prekäre Lebensverhältnisse zu kreieren. Die Worte, die sie für mich finden, wenn ich nicht dabei bin, möchte ich lieber nicht hören. Noch weniger möchte ich meinen Sohn einer ähnlichen Bewertungsmaschinerie ausliefern. Es reicht, dass er im Kindergarten mit "Wo ist dein Papa? Jedes Kind muss einen Papa haben!" drangsaliert wurde. Sein Schulstart erscheint mir ungeeignet für neue Angriffsflächen. Und so halte ich mich vorläufig zurück und erziehe ihn mit einer gewissen Doppelbödigkeit: dem Wissen um die Wahrheit und dem, was ich kommuniziere.

Offenheit – und zwar von Anfang an

Petra Thorn sagt: "Am einfachsten haben es die Eltern, die bereits ab Schwangerschaft oder noch früher in ihrem Umfeld offen mit der Zeugung umgegangen sind. Sie haben viel Übung und haben vor allem auch Wörter entwickelt und wissen, wie sie über die Zeugung per Spende sprechen können. Das hilft immens, mit dem Kind frühzeitig zu sprechen."

Außenstehende habe ich fast gar nicht eingeweiht, doch meinem Sohn habe ich von Anfang an erzählt, dass ich ihn aus einer Klinik im Ausland abgeholt habe. Ich habe ihm ein kleines Buch geschrieben und versucht, kindgerechte Worte zu finden. "Es gibt Kliniken, die Menschen, die keine Kinder bekommen können, helfen. Da bin ich hingefahren, und du bist mir, als du noch miniminimini warst, in den Bauch gelegt worden." Die anonymen Spender und den technischen Komplex habe ich ausgelassen. Auch, dass in Deutschland aus juristischen Gründen eine solche Behandlung nicht möglich ist und es ihn nur gibt, weil ich die deutsche Rechtsprechung durch die Reise ins Ausland umgangen habe.

Petra Thorn sagt, es gibt nur wenige Erfahrungswerte, wie Kinder diesen Umstand auffassen. "Die meisten Kinder, die im Ausland mit Methoden gezeugt sind, die hier unter Strafe stehen, sind noch recht jung. Ich vermute jedoch, dass dies für Kleinkinder eher unwichtig ist. Zudem durchbrechen Aufklärung und ein offener Umgang mit der Zeugungsgeschichte das Tabu, dass die Familienbildung mithilfe Dritter umgibt. Diese Familien leisten somit einen Beitrag, diese Familienformen zu normalisieren."

Vielleicht muss ich alles umdeuten und neu denken. Versuchen, stolz zu sein, dass ich mich von nichts habe abhalten lassen, dass ich durchgehalten habe, bis sich mein Lebenstraum erfüllt hat. Ich möchte progressiver mit unserer Geschichte umgehen und zu einer Gesellschaft beitragen, in der die "Double Donation", also die Doppelspende von Eizelle und Samen, nicht länger geheim gehalten werden muss. Damit fange ich noch nicht diese Woche an, aber bald. Und mit ein bisschen Glück treffe ich auf andere Eltern mit ähnlicher Geschichte.

Was ist eigentlich eine Embryospende?

In Deutschland dürfen einer Frau nur eigene künstlich befruchtete Eizellen eingesetzt werden. Eizellspenden und kommerzielle Embryonenspenden sind laut Embryonenschutzgesetz verboten. Das Gesetz wurde 1990 verabschiedet, um Kinder davor zu schützen, mit zwei Müttern aufzuwachsen ("gespaltene Mutterschaft"). Inzwischen fordern Expert:innen aus Medizin, Politik und Ethik jedoch eine zeitgemäße Anpassung. Zumal in fast allen anderen europäischen Ländern (außer der Schweiz und Norwegen) die Eizellspende legal ist. 

INFOS: netzwerk-embryonenspende.de. Fachtherapeut:innen für psychosoziale Kinderwunschberatung wie Dr. Petra Thorn findet man beim Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland: bkid.de

Hinweis der Redaktion: Die Autorin hat ihre Geschichte unter einem Synonym aufgeschrieben.

Brigitte

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