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#GleichesRechtfürEltern "Wie eine Strafe für meine Schwangerschaft"

#GleichesRechtfuerEltern: Verena K.
Verena K., 39, Steuerfachangestellte aus Magdeburg, 2 Kinder, 4 und 1
© Jens Passoth
Verenas Chef erklärte ihr einen Monat vor dem Ende ihrer Elternzeit, dass ihre Nachfolgerin sie ersetzen wird. Hier ist ihre Geschichte. Unterstütze unsere Petition unter www.brigitte.de/petition

Diskriminierung ist für mich nicht neu. Ich erinnere mich noch an zwei Vorstellungsgespräche, die ich mit über 30 führte. In einem Fall hieß es: "Sie sind super geeignet für die Stelle, fallen ja aber bestimmt bald aus, weil Sie schwanger werden." Die andere Person erkundigte sich direkt, wie es denn mit meinem Kinderwunsch aussähe.

Obwohl man solche Fragen ja nicht oder nicht wahrheitsgemäß beantworten muss, fühlten sie sich komisch an und verrieten mir viel über das Unternehmen. Bei meinem letzten Arbeitgeber, einer größeren Gesellschaft für Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung, war ich prinzipiell zufrieden, auch wenn der Job sehr stressig war. Auf meine Schwangerschaft reagierte mein Vorgesetzter positiv, und ich arbeitete wie eine Besessene, um alle meine Aufgaben vom Tisch zu kriegen und nebenbei noch meine junge Vertretung einzuarbeiten.

Berufliche Bestrafung durch Schwangerschaft

Als mein Bauch häufiger hart wurde, weil die Belastung zu hoch war, wollte meine Frauenärztin mir vier Wochen vor meinem offiziellen Mutterschutz ein Beschäftigungsverbot erteilen. Wir einigten uns darauf, dass ich statt acht nur noch vier Stunden pro Tag arbeiten würde. Letztlich war ich doch täglich sechs Stunden im Büro, da ich meine Sachen ordentlich übergeben wollte. Einen Monat vor Ende meiner Elternzeit lud mich mein Vorgesetzter zum Gespräch ein. Ich hatte schon alles organisiert, der Kita-Platz war ganz in der Nähe, lediglich meine Arbeitszeit wollte ich von 40 auf 35 Stunden pro Woche reduzieren.

Nach kurzem Smalltalk erklärte mir mein Chef, dass er gar nicht mehr mit mir gerechnet hätte und lieber meine Nachfolgerin behalten wolle. Mir fiel wirklich die Kinnlade und ich habe ihn völlig fassungslos angeguckt. Mir wurde richtig übel. Er zog indes einen Aufhebungsvertrag aus der Schublade und schob ihn mir rüber. Natürlich unterschrieb ich nicht und sagte, dass das nicht in Ordnung sei und die Firma mich dann schon entlassen müsse. "Machen wir", war die achselzuckende Antwort, worauf ich eine Kündigungsschutzklage ankündigte.

Es folgten Gespräche und teils einschüchternde Briefwechsel zwischen unseren Anwälten. Ohne juristischen Beistand hätte ich das wahrscheinlich nicht durchgestanden. Einen Tag vor dem Gerichtsprozess lenkte mein Ex-Arbeitgeber per Fax ein und zahlte die geforderte Abfindung. Er hätte den Prozess verloren. Was lange blieb, obwohl ich sogar schnell eine viel bessere Anstellung fand, war das Gefühl, beruflich bestraft und abgewertet worden zu sein, weil ich ein Kind bekommen hatte – gegen diese Diskriminierung konnte ich ja nicht juristisch vorgehen. Gleichzeitig bin ich froh, geklagt zu haben. Das hat mich gestärkt.

So sieht es rechtlich aus:

Die Kündigung hatte diskriminierenden Charakter, weil sie aufgrund der Elternzeit erfolgte und man die Mutter ohne Vorliegen betriebsbedingter Gründe loswerden wollte. Es könnte sich um eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts handeln. Die ist jedoch in der Rechtspraxis mit vielen Unsicherheiten verbunden. Deshalb werden neben Kündigungsschutzklagen oftmals keine zusätzlichen Klagen auf Schadensersatz nach dem AGG eingereicht. Das aber würde die Verhandlungsbasis von Müttern stärken; in diesem Fall hätte man eventuell noch eine höhere Abfindung erzielen können.

Juristische Einordnung: Rechtsanwältin Sandra Runge

#GleichesRechtfuerEltern: Logo Petition
© Eltern / Brigitte

#GLEICHESRECHTFÜRELTERN

So unterstützt du unsere Kampagne: Eltern-Diskriminierung ist ein Skandal. Gemeinsam mit dir wollen wir die Politik bewegen, endlich zu handeln. Deshalb haben wir eine Petition gestartet, damit Elternschaft im Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen wird. Wir wollen so viele Stimmen wie möglich sammeln und unser Anliegen offiziell beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags einreichen. Unterstütze uns dabei, unterzeichne unsere Petition zur Änderung des AGG auf www.brigitte.de/petition. Die Petition läuft bis zum 14. Juni 2021.

Je mehr Beispiele wir zeigen, desto wirksamer wird unsere Forderung. Deshalb möchten wir wissen, was du selbst als Elternteil im Job erlebt hast. Maile uns deine Geschichte – auch anonym – an elternrechte@brigitte.de und erzähle: Welche Diskriminierungen hast du am Arbeitsplatz erfahren? Wann ist es passiert? Wie hast du reagiert? Diese Geschichten sind wichtige Belege für die Benachteiligung von Eltern. Wir werden sie sammeln und in Berlin übergeben. So erhöhen wir den Druck auf die Politik. Gemeinsam ändern wir das Gesetz!

Alle Infos auf www.brigitte.de/elternrechte und www.proparentsinitiative.de

BRIGITTE 08/2021

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