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Psychologie So zeigt sich die Geschwisterdynamik bis ins Erwachsenenalter

Kinder liegen auf dem Boden des Kinderzimmers
© Syda Productions / Adobe Stock
Wie wir als Erwachsene mit anderen Menschen umgehen, kann auch etwas mit der Familienkonstellation im Kindesalter zu tun haben. Genauer: mit den eigenen Geschwistern. Wir verraten, was die Forschung bisher über ihren Einfluss weiß.

Wer mit Bruder, Schwester oder mehreren Geschwistern aufgewachsen ist, hat definitiv Geschichten zu erzählen. Wir erinnern uns an Momente, in denen wir uns unseren Geschwistern besonders nah gefühlt oder sie uns tierisch genervt haben – oder wir vielleicht selbst einem Geschwisterteil so sehr auf den Geist gegangen sind ... dass wir selbst kurze Zeit später die Konsequenzen tragen mussten. Beispielsweise in einem heftigen Streit oder indem wir bei den Eltern angeschwärzt wurden ... kleine Momente, die uns lange Zeit begleiten können.

Der Einfluss von Geschwistern aufeinander

Wie Forschende der Penn State University zeigten, verbringen Kinder außerhalb der Schule oft mehr Zeit mit ihren Geschwistern als mit den Eltern oder Freund:innen. "Geschwister sind bei den meisten Menschen die am längsten anhaltenden Beziehungen – von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter. Das heißt, sie können uns auf eine Weise verstehen, wie andere Menschen es nicht können", erklärt Susan McHale, Professorin für menschliche Entwicklung und Familienforschung gegenüber der "American Psychological Association". 

Doch was bewirken diese Familienbande bis ins Erwachsenenleben und wo erleben wir das? Vermutlich in mehr Situationen, als wir es denken würden. Allerdings ist dieses Feld noch recht wenig erforscht, da meist mehr Wert auf den Einfluss der Eltern gelegt wird als auf die Geschwisterteile. Einige interessante Ergebnisse gibt es aber bereits.

Was Geschwisterbande im Erwachsenenleben bewirken

Eine Studie aus 2019 zeigte, dass ältere Erwachsene mehr Herzlichkeit oder "Wärme" gegenüber ihren Geschwistern sowie ein niedriges Maß an Geschwisterkonflikten und elterlicher Bevorzugung empfanden. Schwester-Paare hatten untereinander die herzlichste Geschwisterbeziehung. Bei dem Sample mit 608 Erwachsenen, unter ihnen 329 Männer und 279 Frauen, fanden sie einen Zusammenhang zwischen Geschwisterkonflikten sowie elterlicher Bevorzugung mit Symptomen von Depression, Angst, Feindseligkeit oder Einsamkeit.

Ein gute Geschwisterbeziehung hingegen wurde mit weniger Einsamkeit assoziiert – und einem besseren Wohlbefinden. Denn: Geschwister lernen voneinander und beeinflussen sich auf positive als auch negative Weise. In jungen Jahren liegen ihre Lebensrealitäten meist näher beieinander, weshalb sie sich oft besser verstehen und unterstützen können, als es bei den Eltern der Fall ist. Im Alter können nahestehende Geschwister einander ein Anker sein und sich gegenseitig emotional unterstützen. Laut einer Studie ist die Unterstützung von Geschwistern ebenso effektiv wie die von Eltern, was unter anderem zu größeren Fortschritten bei Zielen und mehr subjektivem Wohlbefinden führte. Allerdings trat sie sehr viel seltener auf als die Unterstützung durch die Eltern.

Versteckte Geschwisterdynamik: Wo sie sich zeigt

Eine prägende Beziehung wie die zu Geschwistern kann sich in unser Verhalten einschleichen. Durch Geschwister lernen wir, wie wir einen Streit angehen, wo wir kooperieren, verhandeln oder versuchen, den Schein zu wahren. Sind wir dann erwachsen, greifen wir teilweise auf diese Erfahrungen zurück, wenn es zu einem Konflikt kommt.

Die lizensierte US-Therapeutin Karen Gail Lewis schreibt in ihrem Buch "Siblings in Therapy" (zu deutsch: "Geschwister in Therapie"): "Brüder und Schwestern beeinflussen sich stark in ihrer gegenseitigen Persönlichkeitsentwicklung, sozialen Anpassungsfähigkeit, emotionalen Vitalität, Familienerfahrung und den Lebensentscheidungen in Liebe oder Arbeit." Gerade ungelöste Konflikte mit Geschwistern sollen dafür sorgen können, dass wir sie in Situationen mit anderen Menschen nachempfinden und entsprechend reagieren. Laut Lewis könne das Verhalten eines:einer Arbeitskolleg:in uns dann an einen Bruder oder eine Schwester erinnern und sich dadurch auf unser Verhalten auswirken.

Verwendete Quellen: psychologytoday.com, ncbi.nlm.nih.gov, wwnorton.com, apa.org

lkl Brigitte

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