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Hilfe, mein Kind ist nur normal begabt!

Bloggerin Frau Mutter hat einen ganz normalen Sohn - der umzingelt ist von Hochbegabten. Wie erklärt man einem Erstklässler, dass er jetzt schon zur nullten Stunde Nachhilfe bekommen soll?
Sebstians Schwester Constanze ist aber bestimmt hochbegabt, denn sonst wäre sie ja nicht mit einer Intellektuellen-Brille auf die Welt gekommen, oder?
Sebstians Schwester Constanze ist aber bestimmt hochbegabt, denn sonst wäre sie ja nicht mit einer Intellektuellen-Brille auf die Welt gekommen, oder?
© Frau Mutter

"In der 1 b sind mindestens 60 Prozent der Kinder hochbegabt mit einem IQ von 140, aber machen Sie sich mal keine Sorgen, der Sebastian ist ganz normal!" Das waren die Worte von Sebastians Klassenlehrerin. Ganz normal? Keine Sorgen machen? Wenn mein armes Kind nur von zukünftigen Nobel-Preisträgern umgeben ist?
"Wir sind hier in Berlin-Zehlendorf, Frau Mutter, hier ist gar nichts normal", schob die Pädagogin noch hinterher.
Was haben wir unserem Sohn nur angetan? Wären wir doch nur in Kreuzberg geblieben, da könnte er jetzt auf der Neuköllner "Rütli-Schule" der Einäugige unter Blinden sein, aber hier?

blog-liebling-frau-mutter-tIch habe wohl einfach die letzten Jahre total gepennt und meinen Sohn nicht genug gefördert. Jetzt rächt sich das Kinderturnen im 08/15-Sportverein und unzählige "Kika"-Einheiten anstatt eines Mandarin-Kurses. Oder liegt es etwa an den shitty Durchschnitts-Genen, die er von uns mitgekriegt hat?
Ein Glück haben wir eine super engagierte Lehrerin, die folgenden Rat hatte: Spielerisches Coaching in der nullten Stunde in den schwächeren Fächern.

Zum Glück ist mein Sohn nicht der einzige sechsjährige Zehlendorfer Normalo: Zusammen mit seinem ebenbürtig normal begabten Freund paukt er nun morgens um 7:30 Uhr Buchstaben und Laute. Oder man könnte es auch "nach der Decke strecken" nennen, um mit den Superhirnen Schritt zu halten ...

Die "140er- Mädels" (na klaro, die Hochbegabten sind weiblichen Geschlechts) lesen derweil die Landkarten, Namensschilder und alles andere Lesenswerte, was sie im Klassenzimmer finden. Eine der zukünftigen "Mensa"-Mitglieder habe ich kürzlich dabei beobachtet, wie sie den staunenden Eltern den Inhalt des Sicherungskastens vorgelesen hat.

Manchmal wird zum Morgenkreis auch einfach mal eine kleine Bruchrechnung geübt. Der Raum, in dem unsere Normalos derweil sitzen, heisst "Zauberzimmer". Höchst passend, denn es wird wohl magische Kräfte benötigen, aus Sebastian einen "140er" zu machen. Nun ist man ja als Mutter eines durchschnittlich begabten Kindes dann gleich in der Erklärungsnot dem Kind gegenüber, warum nun schon nullte Stunden abgeleistet werden müssen.

Ich habe ihm das so erklärt: "Weißt Du, der Spiderman konnte, bevor er Spiderman wurde, auch ganz schlecht lesen. Der wusste auch nicht, wie das "Schlangen-S" aussieht und trotzdem kann er fliegen und Leute retten!"

Sebastian: "Und der Superman? Kann der gut rechnen?"

"Ach, was! Der zieht immer nur sein tolles Trikot an und gibt an!"

Das Schöne ist, dass seine Motivation noch nicht nachgelassen hat. Er geht gerne und entspannt in die Schule mit dem Zauberzimmer und den Super-IQ-Mädels. Ihn scheint es nicht zu stören, wenn er manchmal länger benötigt, um etwas zu kapieren. Und der Inhalt des Sicherungskastens interessiert ihn schon mal gar nicht. Sebastian hängt sowieso lieber Tarzan-mäßig an den Bäumen herunter. Ich sollte mir wirklich ein Beispiel an ihm nehmen, normal kann so entspannt sein!

Text von Nina Massek, ursprünglich erschienen auf www.frau-mutter.com

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