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Waschen als Extremsport: Viele Grüße vom Mount Washmore!

Sobald Kinder im Haus sind, wird Waschen zum Extremsport. Kommentare wie "Dann wasch eben nicht so viel" helfen da nicht weiter. So gar nicht. Eine Anatomie des Wäschewaschens von San aus dem Blog "Familienfreundlich".
Immer raus mit dem Gefühl: Bloggerin San, 34
Immer raus mit dem Gefühl: Bloggerin San, 34
© privat

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Blog Familienfreundlich von Bloggerin San, Fotografin mit drei Kindern. Leider hat sie das Bloggen inzwischen aufgegeben. Hier lest ihr trotzdem ihren tollen Text übers Waschen:

Das böse B-Wort

Man mag es nicht für möglich halten, aber ich hatte auch mal keine Kinder.

Damals, kinderlos, wohnte ich in einer WG: Altbau, Parkett, vierter Stock, kein Aufzug, keine Waschmaschine.

Wenn ich zu dieser Zeit etwas zu waschen hatte (im Schnitt einmal die Woche), fuhr ich zu einem Waschsalon. Dieser Waschsalon hatte einen klitzeminigroßen Pizzaladen in der Nachbarschaft. Das fand ich prima. Denn während meine Wäsche wusch, las ich und aß eine kleine Artischockenextrakäse.

Die gewaschene Wäsche warf ich in Gänze in den Trockner (Immer. Alles. Rückblickend: ganz schlecht.) und wenn sie fertig war, faltete ich sie und fuhr nach Hause. Waren mal zwei Teile dabei, die gebügelt werden mussten, bügelte ich sie schnell.

Lagen meine Klamotten dann nach insgesamt höchstens drei vergangenen Stunden wieder im Schrank und der schrumpfverfilzte Wollpulli im Müll, wars gut. Für eine Woche.

Eine Familie später hat sich das geändert.

Ein Beispiel:

Man stelle sich einen beliebigen Morgen während einer regulären Schulwoche vor. Am Abend zuvor hat man dem Kind / den Kindern voller Stolz ob der eigenen Weitsicht bezüglich der morgendlichen, dringend erforderlichen Zeitersparnis Anziehsachen zurechtgelegt. Wetterangepasste. Saubere. Zusammenpassende. Faltenfreie. Yeah.

Es ist kurz vor halb acht. Das zweite Kind, das gleich das Haus verlassen soll, ist noch im Badezimmer.

Dann ruft es. Das Kind.

Und bemängelt, daß man ihm ein weißes T-Shirt ausgesucht habe, obwohl es doch heute ausgerechnet und unter keinen Umständen Weißes tragen könne, da es an diesem Tag im Schulgarten helfe, mit der Auflage, Buddeltaugliches am Leib zu haben, was wirklich alles sein dürfe, abgesehen von weiß.

Aha.

Ich nehme an, anderswo geht man jetzt zum Kleiderschrank im Kinderzimmer und greift sich ein T-Shirt in Nichtweiß.

Anderswo.

In DIESEM Haus bricht um 7.30 Uhr auf die Frage nach einem anderen T-Shirt die nackte Panik aus.

Die Klamotten, die nämlich an diesem Morgen im Schrank liegend so-fort verfügbar wären, sind Flatterkleidchen (zu kalt), Rollkragenpullis (zu warm), T-Shirts in Nichtweiß, aber in 128 (zu klein) und Badeanzüge (also bitte).

Ob wir unseren Kinder keine Anziehsachen kaufen? In saisonal ausreichenden Mengen? Und vielen Farben? Und, schlimmer noch, nicht maßtabellenangepasst?

DOCH!, rufe ich und stampfe mit dem Fuß auf. Das tun wir! Wir kaufen zu jeder Jahreszeit Kleidung in rauen Mengen und bunt und in der richtigen Größe! Es gibt diese Kleidung! Hier! Sie liegt nur nicht im Schrank! Sie liegt... sie macht... SIE BILDET DEN KAUM ZU BEZWINGENDEN MOUNT WASHMORE!!

Und der ist ehrlich unfassbar riesig! Aber damit nicht genug, der hat auch noch einen Bruder! Den noch viel unfassbareren und viel riesigeren, den noch viel weniger zu bezwingenden Bügelberg! Jawoll!

Um 7.35 Uhr an einem normalen Morgen eines regulären Schultags einfach so ein anderes T-Shirt als das Vorgesehene anziehen zu wollen, bedürfte in diesem Haus also entweder zuerst des Waschens und Trocknens, zumindest aber des Bügelns des Gewünschten, was aber völlig egal ist, weil beides nicht zur Debatte steht um diese Uhrzeit!

Wie das passieren kann? Wieso ich nicht zu Rande komme mit den uns eigenen Hausbergen?

Äh. Wie jetzt? Abgesehen davon, daß wir 5 Leute sind? Und daß es genau genommen keine Berge, sondern eher Gebirgszüge sind, die sich durchs ganze Haus ziehen? Und davon, daß Bügeln für mich wirklich. das. Allerletzte. ist?

Naja, das Waschen selbst ist eigentlich nicht hochdramatisch. Dramatisch ja, schließlich will ich meinen Jammertalstatus nicht verlieren, aber eben nicht HOCHdramatisch. Da kann man auf dem Weg ins Büro oder ins Bett oder sonstwohin schon mal einen Schwung in die Maschine werfen. Den Weg in den Trockner oder auf den Wäscheständer findet der nasse Klumpen pinker Hosen dann auch auf eher unspektakuläre Art und Weise.

Aber dann! Das nun folgende Elend wird zum einen regelrecht eingeläutet durch das hohe, unerbittliche, Ich-bin-fertig-du-kannst-mich-ausschalten-öffnen-und-entleeren-jetzt-jetzt-jetzt-jetzt-jetzt-Piepsen des Wäschetrockners. Ein Signalton im Übrigen in einer Frequenz, die mein Mann angeblich nicht hören kann. 20 Jahre Schlagzeugspielen hätten gewisse Bereiche seiner akustischen Wahrnehmungsfähigkeit... Ja. KLAR!

Zum anderen werden auch die Stücke, die ich auf Wäscheständern verteilt habe, irgendwann trocken und stören mich nicht nur platztechnisch, sondern auch wegen des farblich unausgewogenen Gesamtkonzepts.

Stapel frisch gewaschener, trockener Wäsche türmen sich jetzt also in oder neben Körben auf der Couch oder im Schlafzimmer und wollen weiterverarbeitet werden. Ja, spinnen die? Als hätte nicht gerade jemand "Mama!" gerufen / ich nicht festgestellt, daß überhaupt kein einiges Lebensmittel mehr im Haus ist (das ich mag) / ich nicht einen Arbeitstag im Büro / ich nicht dem Chaos im Haus "Pass bloß auf!" zugerufen / ich nicht schon drei neue Klamottenberge aus den Kinderzimmern eingesammelt/ ich nicht gerade Besuch / ich nicht viel Schöneres zu tun und einfach ü-ber-haupt-st keine Lust!

Aber gefaltet ist doch gleich? Und gebügelt auch, wenn man nicht immer soviel anhäuf...

KLAPPE! Ich mag das "böse B-Wort" so wenig, ich habe nicht nur Gebirgszüge, ich habe sogar einen eigenen Sommer- und einen Winterbügelhaufen! Was das ist? Na, man wäscht z.B. im Januar irgendwas, das dann aber nicht so schnell wieder benötigt wird, dann passt es nicht mehr zu den Temperaturen, bleibt aber liegen, liegen, liegen und liegt da, bis es wieder kalt ist und dann zwar bedarfsgebügelt werden soll, größentechnisch aber nicht länger passt. Das Gleiche im Juli. `S doch klar. Pfh.

Wegen der irgendwann völligen Aussichtslosigkeit hinsichtlich eines erfolgreichen Versuchs, in den Gipfel des Wäschebergs mein Fähnchen zu rammen, habe ich mir letztes Jahr selbst ein Geburtstagsgeschenk gemacht: Eine bezaubernde Dame, die mir von meiner Freundin empfohlen wurde, hat hier an einem Montagnachmittag drei mehr als überquellende Körbe voller Bügelwäsche abgeholt. Am Dienstagnachmittag hat sie mir alles, perfekt entknittert und gefaltet oder auf Kleiderbügeln hängend, wieder zurückgebracht.

Ich habe 47 (in Worten: siebnunvierzich) Minuten lang Wäsche in fünf verschiedene Kleiderschränke geräumt. Und konnte dann die Türen nicht mehr schließen. Boh. Ham wir viele Klamotten, so, an einer (!) Stelle betrachtet.

Jaaa, sagt mein Mann. Dann wasch eben nicht so viel.

WTF?

Jaaaaa, höre ich da hinten jemanden raunen, vielleicht hat er Recht? Vielleicht muss auch nicht alles, das einmal getragen wurde, gleich in die Wäsche?

Hallo? Kindergartenmatschhosen beispielsweise befreie ich nur durch Schütteln vom Schmutz. Und wenn ein Teil, ausgenommen Unterwäsche (Doppelhallo: WIR liefern diese Nur19malimJahreinefrischeUnterhoseanziehen-Statistik NICHT!!), wenn ein Teil also weder schmutzig ist noch müffelt, wird es ein zweites Mal angezogen. Ich bin doch nicht bescheuert.

Jaaaaa, aber man kann Zusatzarbeit auch selbst verschulden. Wer will denn immer überall Weißes - eine weiße Couch, 1000 weiße Kissen und Bettwäsche und auch im Garten (!) weiße Damasttischdecken (!!) und Teppiche (!!?)?

Ich will das. Weil das auch mein Zuhause ist. Und mein wohn-ästhetisches Empfinden nach viel Weißem verlangt. Aber diese Dinge wasche ich ja auch nicht täglich. Täglich wasche ich "das andere".

Ja, gut. Aber sooo immens viel kann das doch auch wieder nicht sein, oder?

Hm. Mal sehen. Ein normales Wäschepensum lässt sich hervorragend anhand des letzten Wochenendes protokollieren. Aufgemerkt.

Samstagmorgen war ich beim Sport. Wieso alles, was ich dabei trug, dringend gewaschen werden musste, willkeinerwissen.

Nachmittags fuhren wir mit den Kindern zur DirtBikeBahn. Dirt Bike Bahn. Dirt Bike. Dirt.

Dass ich mich, wieder zurück, erfrischt und umgezogen habe, lag nicht alleine daran, dass ich die erste halbe Stunde auf der Dirt(!)BikeBahn neben dem Jüngsten hergelaufen bin, bis es nicht mehr "Wieso is hier keine Kinderbahn? Ich will auf einer Kinderbahn fahren!" gerufen hat, sondern alleine ganz mutig und mit einem Affenzahn über kleinere Hügel geprescht ist, sondern auch daran, daß ich auf einer Party Bilder machen durfte und mich zwar nicht dem Motto, aber doch dem Anlass anpassen wollte. Und außerdem kam ich ja gerade von der Dirt... ihrwisstschon. Zwischen Radln und Party grillten wir. Sonntags waren wir zu einem traumschönen Fest geladen, im Garten, bei bekannt sommerlichen Temperaturen, mit viel leckerstem Essen und Badespaß und Rasen mit den Resten des Badespaßes und auf dem Nachhauseweg noch einem Eis aus unserem allerliebsten Café. Abends ging mein Mann dann zum Sport. Wie übrigens auch Freitag. Wieso die Sachen, die er jeweils dabei trug...

Anders ausgedrückt: verschwitzte, verstaubte, bematschte und bekleckerte Kleidung wird von mir auf jeden Fall gewaschen. Noch Fragen?

Jaaaaa, aber so was wie letztes Wochenende macht man doch wohl auch nicht jeden Tag?

HERRSCHAFTSZEITEN, zu wem wird hier denn gehalten? Wenn wir nicht beim Biken oder beim Grillen oder im Sommergarten sind, dann gehen die Kinder zu einem fantastischen Geburtstag auf den Bauernhof. Sie malen mit Pinselfarben. Die Katze spuckt. Ganz egal, denn IRGENDWAS IST IMMER! Kaum hat man sich mannhaftst überwunden und den Berg ein kleeeeines bißchen dezimiert, steckt sich ein Kind mit einem MaDa-Virus an. Oder sollte einfach eine Optimierung der Distanzüberbrückung zwischen Teller und Mund bei der Nahrungsaufnahme in Betracht ziehen. Oder sollte sich, hat eben Genanntes reibungslos geklappt, den Mund dann NICHT an der Schulter, sondern besser an der bereitliegenden Serviette abwischen. Oder stolpert mit einem vollen Kakaobecher über eine Teppichfalte Richtung farbneutraler Sofahussen.

Oder - San verarbeitet (auch noch am Samstag des letzten Wochenendes) Holunderblüten, lässt alles versehentlich überlaufen und kann das heiße, klebrige Sirup nur mit Unmengen von klatschnassen Geschirrtüchern von der noch heißeren Herdplatte wischen, ehe es vollends ver- und einbrennt, schüttet sich in der Eile zusätzlich das randvolle Proseccoglas über die Hose, das da stand und das sie zur Arbeitsmotivation um halb zwei Uhr morgens eben so braucht, während sie voller Entsetzen die Dunstabzugshaube anwirft und inständig hofft, daß die Rauchentwicklung, die beim Karamellisieren von Holunderblütensirup zwangsläufig gegeben ist, nicht auch noch den Feuermelder aktiviert. Jaha! So gehts hier zu!

Der Wäschekreislauf in diesem Haus ist jedenfalls ein endloser und ich bin felsenfest davon überzeugt, daß sich so, wie ich mich deswegen fühle, auch der Hamster von Sisyphos gefühlt haben muss.

Ach, übrigens: ich bin an diesem normalen Morgen eines regulären Schultags dann in ein anderes Kinderzimmer gerannt. Das Buddelkind konnte das Haus in einem grauen AC/DC-Shirt verlassen. Dem seines Brud... Oh. Der Trockner piepst.

Text von Sandra Schober auf familienfreundlich.blogspot.de

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