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Berufstätige Mütter: Eine Woche Wahnsinn

Eigentlich ist gar nichts Besonderes los in diesen acht Tagen. Nur das Übliche. Ein kleiner Mitschnitt aus dem Leben einer alleinerziehenden berufstätigen Mutter.

Montag: Büro und Magen-Darm

Halb acht, und Luis liegt immer noch im Bett. Dort wird er auch bleiben für den Rest des Tages, ihm ist schlecht, vermutlich Magen-Darm. Ich lege Klamotten für Mia raus, treibe sie an, bringe sie in den Kindergarten und rase mit dem Fahrrad in die Redaktion, um mir Arbeit für zu Hause zu holen. Ich will meinen kranken Elfjährigen nicht den ganzen Tag allein lassen. Auch meine Gedanken rasen: Letzte Woche dreimal vorzeitig den Arbeitsplatz verlassen. Einmal Arzttermin, ein halber Tag Urlaub wegen Mias Hort-Eingewöhnung, ein Fotoshooting für eine Reportage in meiner Wohnung. War zwar für den Job, aber weg ist weg. Und jetzt schon wieder. In der Redaktion stürzt mein Computer mehrmals ab, als ich versuche, die Manuskripte auszudrucken, die ich zu Hause bearbeiten will. Währenddessen hat Luis mir schon zweimal auf die Mailbox gesprochen, "bitte, Mama, du musst kommen", höre ich ihn weinen. Meine Chefin steht in der Tür und sagt: "Du musst heute die Stellung halten, ich habe einen wichtigen Termin und bin erst um zwei wieder hier." Ich kann nicht. Ich fahre nach Hause. Ich tröste meinen Sohn, koche Tee, bringe ihm Zwieback. Später hole ich Mia vom Kindergarten ab und kaufe die Zutaten für Salate und Spieße für zwölf Personen. Packe eine Schultüte. Bügele eine weiße Bluse und eine blaue Hose. Putze Mias Schuhe. Dann hole ich meine Mutter vom Bahnhof ab. Morgen ist Einschulung.

Dienstag: Einschulung mit Ex-Mann

Luis ist immer noch schlecht. Sein Vater kommt und bleibt bei ihm. Mia, meine Mutter und ich gehen ohne die beiden zum Einschulungsgottesdienst, sie kommen später direkt in die Schul-Aula zur Feier. Während der Veranstaltung inklusive Kaffeetrinken wechselt mein Ex-Mann etwa drei Worte mit mir. Mit meiner Mutter, die er seit zwei Jahren nicht gesehen hat, spricht er anfangs gar nicht. Meine Mutter fängt an zu summen, weil sie immer summt, wenn sie nervös ist. Bei der anschließenden Feier im Café einer Freundin brate ich dutzende von Spießchen und stürze nebenbei drei Gläser Sekt runter, weil ich das Summen meiner Mutter und das Schweigen meines Ex-Mannes nüchtern nicht ertrage. Am späten Nachmittag schauen wir mit den Freunden bei uns zu Hause "E.T." (FSK 6!), die DVD hatte ich in Mias Schultüte gesteckt. Zwei Stunden später weint sie sich in den Schlaf, "E.T", schluchzt sie. Ich heule ein bisschen mit.

Mittwoch: alles halbwegs ruhig

Am Morgen bringe ich meine Mutter zum Bahnhof. Im Job gibt es keine nennenswerten Vorkommnisse. Ein guter Tag. Um halb fünf hole ich Mia vom Hort ab. Nach Hause fahren lohnt sich nicht, wir radeln gleich weiter zum Fußballplatz, wo Luis ein wichtiges Fußball-Pokalspiel hat (und ich war seit Wochen bei keinem Punktspiel dabei). Nach einer knappen Niederlage fahren wir fix nach Hause, ich setze Nudelwasser auf und übergebe die Kinder dem Babysitter, denn ich muss weiter zu einer Buchvorstellung von zwei Freunden, deren Manuskript ich gegengelesen hatte, obwohl ich jetzt nichts lieber täte, als aufs Sofa zu sinken. Auf der Party unterhalte ich mich jeweils fünf Minuten mit etwa zehn Menschen, dann treten die beiden Autoren ans Mikrofon und danken ein paar Leuten, unter anderem mir. Just in diesem Moment klingelt mein Telefon, es ist der Babysitter. Mia hat Bauchschmerzen, ich soll kommen.

Donnerstag: Zahnprobleme und durchweichte Pizza

Gerade wird alles ein bisschen viel, ich merke es daran, dass ich schon um halb sechs wach werde und nicht mehr einschlafen kann. Um sieben gehe ich in den Supermarkt, denn ich habe nicht genug im Kühlschrank, um die Brotdosen der Kinder zu füllen. Bevor ich zur Arbeit fahre, rufe ich eine Freundin an und bitte sie, Mia heute Nachmittag mit zum Judo zu nehmen, denn um fünf habe ich mit Luis einen Kieferorthopäden-Termin. Am Ende dieses Termins steht fest, dass Luis in den kommenden 36 Monaten 36 Termine bei der Kieferorthopädin haben wird und ich die 2000 Euro, die diese Behandlung kostet, auch dann zahlen muss, wenn er die Termine nicht wahrnimmt. Wir fahren nach Hause und holen unterwegs Mia ab, dann räume ich schnell die Wohnung auf, weil zwei alte Freundinnen aus München in der Stadt sind, die ich viel zu selten sehe. Ich hole Pizza, aber weil Donnerstag ist und der halbe Stadtteil in Ausgehlaune ist, sitze ich eine Stunde in einer überfüllten Pizzeria und warte, während zwei Frauen und zwei Kinder hungrig in meiner Küche sitzen. Auf dem Heimweg weicht der Regen die Pizzapappverpackung auf.

Freitag: ein hektisches Date

Nach einem angespannten Vormittag in der Redaktion rase ich um fünf vor halb eins mit dem Rad in ein Restaurant in der Nähe, wo ich mit einem Freund von Freunden verabredet bin, mit dem ich in den letzten Wochen ein paar lustige Mails auf Facebook gewechselt hatte. Abends treffen war zeitlich nicht drin, also Mittagessen. Der Mann ist ein relativ bekannter Schauspieler, und kurz vorm Aufbruch hatte ich noch hektisch nach meinem Aufnahmegerät gesucht, weil mir in der Eile entfallen war, dass es sich um ein privates Date handelt und ich unser Gespräch nicht aufnehmen und hinterher abtippen muss. Im Restaurant esse ich einen Salat, erzähle ein paar komische Anekdoten aus meinem Leben, finde den Mann eitel und komme mit einer halben Stunde Verspätung und einem schlechten Gewissen zurück in die Redaktion. Meine Chefin hatte mich schon gesucht, sie wollte was Wichtiges mit mir besprechen und dachte, ich sei vielleicht im Aufzug stecken geblieben. Zu Hause streite ich mich mit meiner Tochter, weil ich ihr nicht erlaube, an dem Fußball-Punktspiel morgen teilzunehmen, für das wir um 8.15 Uhr vor einer Turnhalle am anderen Ende der Stadt bereitstehen müssten. Am Abend kommen zwei Freunde von Luis zum Übernachten. War seit zwei Wochen abgesprochen. Um Mitternacht sind die Jungs immer noch wach.

Wochenende: die Ruhe vor dem Sturm

Die beiden Tage verlaufen unauffällig. Außer dass mein Sohn seine neuen weiß-goldenen Nike-Fußballschuhe in der S-Bahn liegen lässt und ich eine Goldkrone in einem Stück Brezel verliere. Ich versuche, im Internet einen Suchauftrag bei der Bundesbahn einzugeben, und hoffe, dass ich nächste Woche einen Zahnarzttermin kriege, der nicht in meiner Arbeitszeit liegt. Am Nachmittag schleudere ich schreiend meine Handtasche durch den Flur, weil ich meinen Haustürschlüssel nicht finde. Luis schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an, hebt einen Stapel Briefe hoch, fischt den Schlüssel darunter hervor, reicht ihn mir stumm. Mia, die jetzt ein Schulkind ist, erklärt mir am Sonntag beim Frühstück, dass manche Kinder in ihrer Klasse - anders als im Kindergarten - schon um ein Uhr mittags von ihren Müttern abgeholt werden, und ich sage ihr, dass ich das sicher auch ein-, zweimal im Jahr hinkriegen könnte.

Montag: Läuse und Haarausfall

Um fünf von der Arbeit zu Hause. Kind abgeholt. Nichts zu tun. Herrlich. Um halb sieben kommt Luis vom Fußballtraining und erklärt, dass sein Kopf juckt. Ich gehe in die Apotheke, um Läuse-Mittel zu kaufen, und beschwöre die Kinder, in der Schule kein Wort darüber zu verlieren, weil ich am nächsten Tag einen wichtigen Termin im Job habe und auf keinen Fall zu Hause bleiben kann. Sicherheitshalber sprühe ich uns alle mit dem Mittel ein. Als ich meine Haare über dem Waschbecken kopfüber mit dem Läusekamm bearbeite, sagt mein Sohn: "Mama, was hast du da?" Ich begucke mit dem Handspiegel meinen Hinterkopf und sehe die kahle Stelle. Kreisrunder Haarausfall. Soll, so lese ich im Internet, irgendwie mit Stress zusammenhängen.

Text: Ulrike Thomassen Illustration: Martin Haake

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