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3 Wochen Kita-Streik: Mir reicht's!

3 Wochen Kita-Streik: Mir reicht's!
© Gebert/picture alliance / dpa
Nach fast 3 Wochen Kita-Streik ist MOM-Mitarbeiterin Merle Wuttke fertig mit den Nerven. Sie findet: Eltern und Kinder wurden lange genug für den Arbeitskampf benutzt. Der Streik muss aufhören. Sofort.
Merle Wuttke, 39, ist freie Journalistin und hat drei Kinder (11, 8 und 4 Jahre alt).
Merle Wuttke, 39, ist freie Journalistin und hat drei Kinder (11, 8 und 4 Jahre alt).
© privat

Vielleicht sollte ich einfach anfangen, das Ganze positiv zu sehen und die Folgen ins Gute umzudeuten. Wahrscheinlich muss ich das sogar, um in den nächsten Tagen nicht plötzlich von meiner Wut übermannt zu werden und Frank Bsirske (Verdi) und Thomas Böhle (Arbeitgebervertretung VKA) jeweils eine volle Windel meiner Tochter per Post zukommen zu lassen. Und, um den Erziehern weiterhin freundlich und respektvoll zu begegnen – sollten sie jemals wieder ihre Arbeit aufnehmen.

Denn: Mir reicht's! Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Mir steht's bis oben hin. Der Kita-Streik muss aufhören. Jetzt.

Zumindest muss es endlich mal zu Gesprächen kommen. Doch davon schienen die beiden Herren, die dafür verantwortlich sind, dass Tausenden von Eltern das Vertrauen ihrer Vorgesetzten und ein Urlaubstag nach dem nächsten flöten geht, Selbstständige wie ich Verdienstausfälle anhäufen und Kinder zunehmend verwirrter und unsicherer werden, weil sie jeden Tag wechselnden Betreuungspersonen (und den schwachen Nerven ihrer Eltern) ausgesetzt sind, bislang so gar nichts wissen zu wollen.

Erst jetzt, nach drei Wochen, gibt es überhaupt erst ein Angebot der Arbeitgeber für Verhandlungen. Ein Termin jedoch wurde noch nicht festgelegt, als hätten sie alle Zeit der Welt.

"Eltern sind sowieso im Büro die Blödmänner vom Dienst"

Ich versuche mir also einzureden, dass die organisatorische Herausforderung dieses Streiks meine Position im Job in Wirklichkeit nicht schwächt, sondern, im Gegenteil, mein Talent für logistische Probleme, meine Flexibilität und emotionale Stärke unter Beweis stellen und mir – sobald mein Kind wieder regulär die Kita besuchen darf, besonders tolle, gut bezahlte Aufgaben auf mich warten. Ha ha ha. Genau.

Eltern sind doch sowieso per se im Büro die Blödmänner vom Dienst. Jetzt werden sie überhaupt nicht mehr ernst genommen. Oder mit lebensfremden Vorschlägen genervt: "Oh, die Kita streikt? Hm, bring doch dein Kind mit!" Ja, danke. Super Idee. Da möchte ich gern sehen, wer als Erstes losschreit, sollte ich das wirklich tun – Kind oder Kollegin?

Nein, da schicke ich mir doch lieber mit fünf anderen befreundeten Eltern am Tag mindestens 25 Nachrichten, um zu klären, wer wann Schicht schieben kann, um wechselseitig ein paar Stunden unsere sechs Mädels zu betreuen.

Eine meiner "Mit-Mütter" überlegt ins Kita-Gewerbe umzusatteln: "In meiner Branche werde ich wohl demnächst kaum noch etwas verdienen, wenn das so weiter geht und ich Aufträge absagen muss."

Dank des Streiks ging die Gehaltserhöhung flöten

Bei einer anderen Mutter nutzten die Chefs den Streik im Gehaltsgespräch, um ihr die Erhöhung abzuschlagen (von wegen, sie sei ja nicht so flexibel wie andere Kollegen).

Dieses nervige Organisieren, die Mini-Zeitfenster zum Arbeiten, Interviews führen, während man das Kind vor dem Fernseher parkt und es die "Die kleine Prinzessin" gucken lässt, bis es sämtliche Dialoge nachsprechen kann – bislang konnte ich das alles irgendwie ganz gut wegstecken, auch, weil ich wie der Großteil der betroffenen Eltern, natürlich die Forderungen der Erzieher nach mehr Anerkennung und Geld verstehe.

Was ich allerdings nicht mehr verstehe, ist, dass sie für ihre Ziele gnadenlos uns Eltern und die Kinder benutzen – immerhin sind wir es, die über unsere Beiträge ihre Jobs mitfinanzieren. Wo bleibt die erzieherische Solidarität mit den Kindern, um die es hier ja indirekt auch geht?

Ja, liebe Erzieher, wir sind euch zwar sonst dankbar für das, was ihr tut, aber auch Dankbarkeit hat ihre Grenzen. Pädagogische Verantwortung zeichnet sich auch dadurch aus, dass man weiß, wann der Punkt gekommen ist, eine Grenze zu ziehen. Die Stimmung kippt. Sucht euch einen anderen Hebel, um den Arbeitgebern in den Arsch zu treten, aber bitte nicht länger unseren.

Text: Merle Wuttke

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