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Wunschkaiserschnitt: Diese Reaktionen von Müttern machen sprachlos

Wunschkaiserschnitt: Reaktionen von Müttern, die sprachlos machen
© mikumistock / Shutterstock
BRIGITTE-Autorin Elena-Katharina Sohn wusste schon immer, dass sie nicht auf natürlichem Wege entbinden wollte. Doch sie ahnte nicht, wie heftig die Reaktionen auf diese Entscheidung sein würden.

Fast wäre ich auch ein Kaiserschnitt-Kind geworden. Denn meine Mutter hatte in ihren beiden Schwangerschaften eine sogenannte Placenta praevia: einen vor dem Geburtskanal liegenden Mutterkuchen. Bei meinem älteren Bruder führte das zwangsläufig zu einem Kaiserschnitt - während es mir irgendwie gelang, das Ding beiseitezuschieben. "Donnerwetter! Das kann nur ein Mädchen sein, dass sie das geschafft hat!", zitieren meine Eltern ihren Gynäkologen noch heute gern.

Kaiserschnitt - und alle reden mit

Nun habe ich nicht nur meinen Dickschädel, sondern auch die meisten körperlichen Zipperlein von meiner Mutter geerbt. Deswegen stand für mich immer fest: Sollte ich selbst einmal Mutter werden, würde ich per Kaiserschnitt entbinden. Ich stellte mich wohl unbewusst darauf ein, dass auch ich einmal eine Placenta praevia haben würde - ehrlich gesagt, ohne zu wissen, ob diese überhaupt erblich ist.

Später hörte ich zudem, wie jede andere Frau vermutlich auch, immer wieder Geschichten von Geburten - von Verwandten, Freundinnen, Bekannten, Fremden -, und ja, alles, was ich über natürliche Entbindungen mitbekam, schien mir weitaus beängstigender als ein kleiner Schnitt in den Bauch. Tagelange Wehen, Dammrisse, Schmerzensschreie, unkontrollierbare Darmentleerungen: Ein Glück, dass ich damit nichts zu tun haben werde, dachte ich bei solchen Gelegenheiten.

Tagelange Wehen, Dammrisse, Schmerzensschreie, unkontrollierbare Darmentleerungen: Ein Glück, dass ich damit nichts zu tun haben werde

An einem Tag vor gut anderthalb Jahren dann lag ein positiver Schwangerschaftstest vor mir auf dem Badewannenrand. Mit Philipp, meinem Lebensgefährten, saß ich später voller Freude beim Frühstück, wir rechneten aus, wann es so weit sein würde, wenn alles glattging. Ein Februar-Baby! "Super, dann mache ich einen Kaiserschnitt hier im Krankenhaus um die Ecke", erklärte ich ohne zu zögern.

In den kommenden Wochen und Monaten weihten wir nach und nach unser Umfeld ein. Und ich machte keinen Hehl daraus, auf welche Weise ich würde entbinden wollen. Nicht, weil ich diese Information besonders wichtig fand, sondern nur der Vollständigkeit halber. Doch schon bald war "Kaiserschnitt, wieso das denn?" der zweithäufigste Satz, den ich dann hörte - gleich nach "Wie schön, ich freue mich für euch!". Letzterer wurde stets von einem Lächeln begleitet, der erste hingegen von einem Stirnrunzeln.

Selbst gute Freunde waren plötzlich gegen mich

Mir war bis dahin nicht bewusst, wie kontrovers die Art, sein Kind zu gebären, in unserer Gesellschaft diskutiert wird. Ähnlich emotionale Debatten drehen sich um Fragen wie Stillen oder Fläschchen, Familienbett oder Kinderzimmer oder bereits das angemessene Verhalten und die richtige Gewichtszunahme der werdenden Mutter während der Schwangerschaft. Als sportliche Frau joggte ich zum Beispiel noch bis einen Tag vor der Geburt meines Sohnes mehrfach pro Woche und nahm nur fünf Kilo zu. Als ich von meiner Laufrunde einmal bei Facebook berichtete, fing ich mir umgehend ein paar sehr kritische Kommentare ein. Es scheint, dass wirklich jeder eine Meinung zu diesen Themen hat. Und zwar Frauen wie Männer und: Eltern wie Nicht-Eltern!

Was, wenn dein Kind später schlimme Allergien bekommt?

Das erste Mal schlug mir richtiger Gegenwind von einer guten Freundin entgegen. Damals war ich gerade mal im vierten Monat, wir saßen in ihrer Küche und tranken Kaffee. Als ich vom Kaiserschnitt erzählte, riss sie die Augen auf und hielt sich entsetzt die Hände vors Gesicht. "Ich glaube einfach, dass das für mich der richtige Weg ist. Für uns ...", sagte ich ruhig und streichelte meinen Bauch - ich war auf Skepsis ja inzwischen vorbereitet. "Aber du weißt schon, wie wichtig es für ein Kind ist, durch den Geburtskanal zu gehen? Und dass es sonst vielleicht mal schlimme Allergien bekommt?" – "Ja, das mag sein", räumte ich ein, "aber es gibt doch auch viele Risiken, denen ein Baby bei einer natürlichen Geburt ausgesetzt ist." 

Eine natürliche Geburt ist auch nicht gerade risikolos

Ich kenne allein zwei Babys, die behindert sind, weil sie während der Entbindung zu wenig Sauerstoff bekommen haben. Oder eine Kollegin hatte monatelang ein Schreibaby, weil die Kleine sich während der Wehen wohl einen Wirbel verrenkt hat. "Ich glaube, so ein eindeutiges Falsch und Richtig fürs Kind gibt es da nicht", sagte ich. Doch sie hielt energisch dagegen: "Die Natur wird sich schließlich was dabei gedacht haben!"

Diesem "Natur-Argument" sah ich mich noch oft gegenüber. Und jedes Mal war ich geneigt zu sagen: "Die Natur hat für uns so vieles nicht vorgesehen, von dem wir trotzdem alle gern profitieren. Sich immer auf sie zu berufen, würde jeden Fortschritt ersticken." Und gerade in der Medizin würde kaum jemand darauf verzichten wollen.

Dauerangst in der Schwangerschaft kann ja auch nicht gut sein

Umso erstaunter war ich, als wir zur Vorbesprechung in unser Krankenhaus kamen und der Chefarzt mich, noch ehe ich ihm die Hand gegeben hatte, begrüßte: "Sie wollen also einen geplanten Kaiserschnitt machen. Können Sie mir das mal bitte erklären?" Dann nahm er mich ins Kreuzverhör, von "Haben Sie überhaupt mal an Ihr Kind gedacht?" bis hin zu "In anderen Kliniken würde man Sie zum Hauspsychologen schicken". Das mache man bei mir nur deshalb nicht, weil die Erfahrung gezeigt habe: Eine Frau, die sich gegen die natürliche Geburt sträubt und nur dazu überredet wird, bekommt meist so viele Komplikationen, dass sie dann doch bei einem Kaiserschnitt endet.

Erst als ich ihm erklärte, dass ich als Therapeutin reiflich über meine Entscheidung nachgedacht habe, wurde der Arzt etwas milder. Er müsse das alles halt fragen und auch aufklären, weil viele Patientinnen naiv und unüberlegt handelten. "Aufgeklärt" fühlte ich mich durch das Gespräch allerdings auch nicht. "Wenn ich nicht so selbstbewusst wäre", sagte ich hinterher zu Philipp, "hätte ich mich nicht getraut, bei meiner Entscheidung zu bleiben. Dann hätte ich die nächsten Monate Dauerangst vor der Geburt. Das kann ja auch nicht gut sein."

Von meiner Dogsitterin, die sich, als sie von dem geplanten Kaiserschnitt erfuhr, am Telefon derart in Rage redete, dass sie schließlich einfach auflegte, bis hin zu einer anderen Schwangeren, die mich als "ganz schön egoistisch" betitelte, könnte ich noch von vielen weiteren Episoden berichten.

Schade finde ich das nicht nur, weil ich mir vorstellen kann, wie viele andere Schwangere unter diesem Druck leiden. Sondern auch, weil der Kaiserschnitt damit zu einer Geburt zweiter Klasse degradiert wird. Was natürlich auch die Frauen, die aus einer medizinischen Notwendigkeit heraus so entbinden müssen, mitbekommen. Und, Achtung: Fast jedes dritte Baby kommt in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt! Sollten wir also nicht aufhören, unser eigenverantwortliches Handeln gegenseitig infrage zu stellen? "Wenn die Mutter sich wohlfühlt, stehen die Chancen am besten, dass es auch dem Kind gut geht, egal wie es zur Welt kommt", sagte mir übrigens eine befreundete Kinderärztin.

Und dann kam doch alles anders als geplant

Der Kaiserschnitt war für den 15. Februar geplant. Zehn Tage vorher wurde ich nachts mit einer Blutung wach. Um halb zwei trafen Philipp und ich im Krankenhaus ein; mein Operateur schlief natürlich zu dieser Zeit. Stattdessen begrüßten uns zwei junge Ärztinnen und Hildegard, eine Hebamme mit 40 Jahren Erfahrung. Und während die Ärztinnen sich berieten, ob man mit Wehenhemmern noch bis zum Morgen mit dem Kaiserschnitt warten könne, nahm Hildegard sich Zeit für mich. "Schau mal", sagte sie mir. "Du bist eine große Frau und dein süßer Sohn ist laut Ultraschall klein und zierlich. Meine Erfahrung sagt mir, wir drei schaffen das auch ohne Wunde an deinem Bauch. Was hältst du davon, wenn wir dir einfach mal eine PDA (Periduralanästhesie, die eine schmerzarme Geburt ermöglichen soll, Anmerk. d. Red.) legen und es zusammen versuchen?" Im selben Moment spürte ich, wie mein Sohn zappelte - als würde er zustimmen.

Plötzlich voller Vertrauen folgte ich Hildegard in den Kreißsaal, um vier Uhr morgens bekam ich die PDA. Ich machte Scherze mit Philipp, tanzte, sang und hörte den Herzschlag meines Babys über den Monitor neben dem Bett. Um kurz vor halb sieben gab es fünf Presswehen, um 6.47 Uhr sagte Hildegard: "Da ist er ja, der kleine Mann!" Sie legte unseren Sohn auf meine Brust. Ich lachte! Seitdem ist bald ein Jahr vergangen. Ich habe die Entscheidung, natürlich zu entbinden, keine Sekunde bereut. Für meinen Sohn war sein Weg auf diese Welt der richtige. Aber ich bin überzeugt: Ein Kaiserschnitt wäre zwar ein anderer gewesen, doch auf keinen Fall der falsche. Falsch wäre es nur, der eigenen Intuition nicht zu trauen.

Brigitte 04/2019

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