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Was diese Mutter beim Arbeitsamt erlebt, ist ein Skandal

Eigentlich will Nadine nur wieder arbeiten gehen. Doch statt zu helfen, empfiehlt man ihr bei der Agentur für Arbeit, doch einfach Hausfrau zu sein. Oder die Oma einzuspannen. Protokoll eines ungeheuerlichen Vorgangs.

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Paulina ist jetzt ein Jahr alt, die Elternzeit ist somit vorbei, das Buch ist geschrieben und ich brauche eine neue Herausforderung. Also fängt meine Lieblingsbeschäftigung an: Arbeitssuche.

Mein letzter Arbeitgeber wollte mich ja trotz mündlicher Zusage dann doch lieber nicht weiterbeschäftigen, als bekannt wurde, dass es nicht bei einem Kind bleiben würde. Was ich sehr gut verstehen kann. Windpockenepidemie, Kitastreik und Magen-Darm machen irgendwie wenig Lust, eine Mutter im Team zu haben.

Kita-Plätze sind rar

Ich höre mich um, ob Paulina einen Platz in einer Kita bekommen kann. Idealerweise in derselben wie Kasimir. Das bedeutet dann nur eine Institution, ein Plan für die 30 Schließungstage der Kita im Jahr. Und einen Anfahrtsweg, was wichtig ist, denn Kasimir in einer Gruppe, in der die Kinder nur bis 14 Uhr betreut werden. Ab 14:02 Uhr stehen die Kinder angezogen und wartend in der Vorhalle. Ab mehrmaligem Eintreffen um 14:07 Uhr wird man von der Leitung beiseite genommen und gebeten, in Zukunft pünktlich zu sein.

Wir zahlen übrigens für 35 Betreuungsstunden. Natürlich hatte ich Kasimir für 45 Stunden angemeldet, aber diese Plätze sind in unserem Stadtteil rar. "Die sind reserviert für Alleinerziehende" sagte man mir. Was ich auch verstehen kann.

Angeboten wurde uns trotz Anmeldung in sieben Kitas ohnehin nur der 35 Stunden Platz. Alle anderen waren für Geschwisterkinder vorgemerkt oder anders vergeben. Wollte ich die 35 Stunden ausreizen, müsste ich Kasimir jeden Morgen für sieben Uhr in die Kita bringen.

"Was macht denn Ihre Mutter? Kann die nicht aufpassen?

Dann kam die Überraschung. "Nein, in unserer Kita werden Geschwisterkinder nicht bevorzugt aufgenommen”, sagte man mir. Es gibt nur zwei bis drei Plätze, und wissen Sie... Sie sind doch ohnehin zu Hause, oder? Was macht denn Ihre Mutter...? Kann die nicht aufpassen? Oder eine Tagesmutter?". Gute Tagesmütter, so höre ich, gibt es natürlich wie Sand am Meer in unserem Stadtteil. Nicht.

Und stimmt- da war ja was, ich HABE ja keinen Job!

"In Ihrer jetzigen Situation rate ich Ihnen wirklich, sich arbeitslos zu melden", sagt die grauhaarige Dame von der Beratungsstelle für Wiedereinsteigerinnen. "Ohne Betreuungsplatz, wie wollen Sie da arbeiten?"

Arbeitslos melden ohne Betreuungsplatz? Geht nicht.

Das finde ich irgendwie unattraktiv. Ich melde mich trotzdem mal bei der Agentur für Arbeit, verzweifle an dem Papierkram und den Deadlines, bringe den Hotlinemann mit drei Abschlüssen aus drei Ländern im Gegenzug auch zur Verzweiflung und habe dann- tätää, tätää, Tusch!- heute den Termin bei der Akademikerberatung.

Leider erteilt man mir da eine Absage. Ich könne mich nicht arbeitslos melden, weil ich ja keine Kinderbetreuung habe. Ich müsse dem Markt zur Verfügung stehen, und ob nicht meine Mutter einspringen könne....?

<sstrong>Verdammt noch mal, meine Mutter hat noch runde fünfzehn Jahre bis zur Rente! Sie langweilt sich nicht, sie ist nicht pensioniert und sie kann nicht das Betreuungsversagen der Landesregierung abfangen! Wo leben wir denn hier bitte?

Weiterbildung am Abend wird nicht gefördert

Und Weiterbildungen, nein, die werden nur bezahlt, wenn sie unter der Woche zu üblichen Bürozeiten stattfinden. Arbeitslose sitzen ja zu Hause, die haben ja Zeit, so denke man sich das. Löblich, dass ich am Wochenende und abends gerne etwas für meine Bildung tun wollte, aber das würde dann leider nicht gefördert.

"Und die glückliche Krankenschwester aus der Werbung?" (siehe Video unten), frage ich, schon einigermaßen verzweifelt. "Die sagt doch, dass Sie einen unterstützen!"

"Das ist eine Lüge"

Der Mann guckt mich mitleidig aus seinen hellblauen Augen an. "Glauben Sie auch, dass Joghurt goldene Sternchen hat, wenn man Ihnen das in der Werbung erzählt? Dieses Programm richtet sich nicht an Akademikermütter. Eigentlich gar nicht an Mütter. Das ist eine Lüge."

Harte Worte, wie ich finde. Ich packe meinen Lebenslauf wieder ein, während er sagt: "Nun bleiben Sie halt zu Hause und sind Hausfrau und Mutter. Und wenn die Betreuungssituation geklärt ist, dann melden Sie sich und Sie bekommen Arbeitslosengeld, und eine Weiterbildung, und dann suchen Sie sich einen Job."

Ich argumentiere mit verlorener Lebenszeit, wenn ich "nur" zu Hause sitze, mit finanziellen Engpässen, mit dem Wunsch, meine Karriere weiter zu verfolgen, aber, wie er sagt: Unterstützung ist für die Schwachen vorgesehen. "Sie sind stark, Sie haben ja studiert. Sie kommen schon klar. Aber denken Sie daran: Wenn Sie eine halbe Stelle haben, wird mit den Betreuungskosten natürlich kaum etwas übrigbleiben."

Ich googele gerade: "Auswanderung nach Schweden" und "Überall, nur nicht hier."

Text von Nadine Lashuk, ursprünglich erschienen auf nadinelashuk.wordpress.com

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Lesetipp:

Mehr von Nadine Lashuk lest ihr in ihrem neuen Buch "Liebesgrüße aus Minsk". Darin erzählt sie aus dem Land, in dem die "Babuschka regiert und Heringe Pelzmantel tragen". Sehr unterhaltsam! (256 Seiten, Piper Verlag)

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