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Stiefkinder: "Hast du dein eigenes Kind lieber als mich?"

Was soll eine Mutter tun, wenn der Stiefsohn fragt, ob sie das eigene Kind lieber hat? Drei Experten geben Tipps wie man die Situation löst, ohne zu verletzen.

Jesper Juul, Kirsten Boie und Katharina Saalfrank sind die Autoren derKolumne "Familientrio" der Süddeutschen Zeitung. Jetzt kann man die gesammelten Fragen und Antworten zur Kindererziehung endlich nachlesen: in dem unterhaltsamen Ratgeber "Was tun, wenn der Hamster den Löffel abgibt?" (Beltz Verlag).

Wir zeigen hier einen Auszug zu einer Frage, die ihr euch vielleicht auch schon gestellt habt:

Kann man die Liebe zwischen eigenem Kind und Stiefkind vergleichen?

"Mein Mann hat mit seiner Ex-Frau bereits einen Sohn. Bald nachdem wir ein Paar wurden, bekamen wir auch noch ein Kind. Der Sohn meines Mannes wohnt jede zweite Woche bei uns, wir verstehen uns gut und haben ein enges Verhältnis. Doch neulich stellte er mir plötzlich, ohne dass etwas vorgefallen wäre, die Frage, ob ich das eigene Kind lieber mag als ihn, den Sohn meines Mannes. Was soll ich dem Kind darauf sagen?"

Michaela K.

Das raten die Experten:

Kirsten Boie:

"Leider verraten Sie nicht, wie Ihre ehrliche Antwort auf diese Frage lautet – auch wenn man es vermuten kann. Die muss nämlich keineswegs eindeutig sein! Nachdem Ihr Stiefsohn auch bei Ihnen und seinem Vater aufwächst und Sie nicht nur ab und zu besucht, ist die Gewissheit für ihn, dass seine Eltern ihn lieben, so ungefähr das Wichtigste auf der Welt – und Sie sind jetzt nun mal auch seine Mutter.

Aber Sie können ihm schon erklären, dass man verschiedene Menschen niemals auf die gleiche Weise liebt. So lieben Sie seinen Vater zum Beispiel anders als ihn und somit auch anders als das Geschwisterkind.

Bei einem kleineren Kind etwa spielt das Gefühl, es beschützen zu müssen, noch eine viel größere Rolle, das weiß er ja selbst. Und mit einem größeren Kind kann man schon viel mehr unternehmen und sich richtig vernünftig unterhalten, da entsteht noch mal eine andere Art, sich lieb zu haben.

Liebhaben ist etwas sehr Kompliziertes. Vielleicht sagen Sie ihm, wie glücklich Sie sind, dass er Ihr Sohn ist, den Sie einfach so geschenkt bekommen ha- ben, und nehmen ihn dabei ganz fest in den Arm?"

Jesper Juul:

"Die Antwort hängt davon ab, wie Sie empfinden, und außerdem, wie alt das Kind ist. Ist Ihr Stiefsohn älter als drei Jahre, könnte ich mir vorstellen, dass Ihre Wahrheit lauten könnte: 'Ich liebe euch beide, auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Ich habe darüber ehrlich gesagt nie nachgedacht, bis du mich das jetzt gefragt hast. Also lass mich ein paar Tage darüber nachdenken und dann sprechen wir noch einmal darüber. Aber danke, dass du mich das gefragt hast.'"

Katharina Saalfrank:

Eine neue Familie ist weder für Sie, noch für Ihren Partner noch für die Kinder eine leichte Situation. Beide Seiten sind verunsichert, und eine Familie entsteht ja erst dadurch, dass sich eine Beziehung und bestenfalls auch eine emotionale Verbundenheit entwickeln.

Zunächst: Patchwork ist nicht nur ein modernes Phanomen, sondern war in der Geschichte unter anderem wegen viel höherer Sterblichkeitsraten fast schon Normalität. Und dass die 'Stiefkinder' dann schlechter wegkamen, ist in unzähligen Sagen und Märchen beschrieben. Nehmen Sie nur die Geschichte vom Aschenputtel.

Wie ist es denn, wenn Sie in sich hineinhören? Spüren Sie eine Unsicherheit? Es ist ja überhaupt schwierig, Liebe graduell in ein mehr oder weniger einzuteilen. Jede Beziehung ist individuell und definiert sich aus der gemeinsamen Beziehungsgeschichte. Ihr leibliches Kind kennen Sie seit der ersten Minute, Ihr 'Bonuskind' kam erst später dazu. Dass dieses Kind Ihnen aber offensichtlich genauso wichtig ist wie Ihr leibliches, können Sie über eine innige Beziehung sicher vermitteln. Wichtig sind dann Botschaften wie diese: Sie lieben Ihren angenommenen Sohn so, wie er ist. Und Ihr eigenes Kind ebenso."

Das Buch: Dreifachrat gegen Elternstress

Noch mehr spannende Fragen zu Kindererziehung und Familienalltag beantworten die drei Experten in dem Ratgeber "Was tun, wenn der Hamster den Löffel abgibt?" (Beltz Verlag, 224 S., 12,95 Euro) Infos dazu und eine Leseprobe findet ihr auf www.beltz.de.

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