Wie bitte? Was ist jetzt am Weihnachtsmann schlecht?
Am Weihnachtsmann selbst ist natürlich nichts schlecht. Aber die Psychologen Christopher Boyle und Kathy McKay sind sich sicher, dass die Lügengeschichte, die wir Kindern erzählen, schädlich ist.
Schädlich? Das ist doch eine der schönsten Weihnachtstraditionen!
Die beiden Wissenschaftler haben ganz gute Argumente auf ihrer Seite: Die niedliche Weihnachtsmann-Geschichte hat nämlich den Preis einer bitteren Enttäuschung: Jedes Kind merkt irgendwann, dass es von Eltern und Familie sein Leben lang angelogen wurde - und das in einem sehr wichtigen Punkt. Manchen Kindern wird durch diese Erkenntnis den Rest ihres Lebens der Spaß an Weihnachten ein Stück weit genommen - sie werden immer an diesen Moment zurückdenken, an dem sie sich zum ersten Mal im Leben verraten fühlten.
Ach Gottchen. Da mussten wir doch alle durch und sind damit klargekommen.
Ja, aber laut Boyle und McCay haben wir alle einen unterschiedlich großen Knacks davon bekommen. Kinder vertrauen ihren Eltern blind. Oft riechen sie den Weihnachtsmann-Braten ja recht früh und fragen bei Mama und Papa nach, ob es den Weihnachtsmann wirklich gibt. Und Eltern wollen dann das Spiel möglichst lange am Leben halten und zerstreuen die Zweifel. Oder, noch schlimmer, sie reden energisch auf ihr Kind ein, dass es den Weihnachtsmann DOCH gibt. Die Wahrheit lernen die Kinder dann entweder von fremden Menschen, oder weil die Eltern sich verplappern. Auf jeden Fall wird das kindliche Grundvertrauen in die Eltern tief erschüttert - sagen Boyle und McCay.
Aber Kinder freuen sich doch so auf den Weihnachtsmann, das ist so niedlich!
Genau, darum erzählen wir unseren Kindern die Geschichte ja überhaupt. Und das bringt uns zu einer unbequemen Erkenntnis: Wenn wir ganz, ganz ehrlich sind, ziehen wir die Nummer mit dem Weihnachtsmann vor allem für uns selbst durch. Weil der Glaube an den Weihnachtsmann ein Symbol für eine unschuldige, glückliche Kindheit ist. Weil wir später so niedliche Geschichten darüber erzählen können, wie die Kinder versuchen, das Weihnachtsmann-Mysterium zu verstehen. Und einen Moment lang dürfen wir uns fast selbst wieder wie Kinder fühlen und noch einmal den besonderen Glanz und Zauber der Weihnachtszeit weitergeben. Das alles ist wunderschön, keine Frage. Aber wir sollten uns selbst gegenüber zugeben, dass der Weihnachtsmann uns mehr bringt als unseren Kindern.
Und wenn schon - es macht doch allen Spaß!
Darüber sind sich die Psychologen eben nicht einig. Eine Studie der MIT besagt, dass Kindergartenkinder, die merken, dass die Eltern sie belogen haben, selbst verstärkt dazu neigen, ihre Umwelt zu belügen und auch beim Spielen eher zu betrügen. Doch die Psychologin Gail Heyman von der University of California wiegelt ab: Für sie gibt es keinen Beleg dafür, dass Kinder nachhaltig von der Weihnachts-Lüge traumatisiert werden. Das Vertrauen in die Eltern ist von zu vielen anderen Faktoren abhängig, als dass ein Weihnachtsmann ganz allein das Vertrauen zerstören könnte.
Eltern erzählen: So regeln wir die Weihnachtsmann-Frage
Wieviel Weihnachtsmann ist richtig? BRIGITTE-Redakteurinnen erzählen, wie sie es mit ihren Kindern handhaben.
Seitdem meine Tochter (dritte Klasse) letztes Jahr gesagt hat: "Mal ganz ehrlich, Mama, das bist doch du, die die Geschenke kauft!", gebe ich mir da keine Mühe mehr. Aber immerhin fragt sie jetzt: "Mama, was soll ich jetzt allen anderen sagen, die noch an den Weihnachtsmann glauben?“ Dann sag ich: "Am besten gar nichts sagen. Nicht lügen, aber den Zauber auch nicht kaputt machen."
- Katja Böhlhoff, Artdirectorin BRIGITTE MOM
"Als ich meinen Kindern mal eine Statistik vorgelesen habe, dass die meisten Kinder noch in der dritten Klasse an den Weihnachtsmann glauben, haben sie sich schlapp gelacht. Beide waren damals noch im Kindergarten! Ich war ein bisschen traurig, weil ich mir immer so viel Mühe gegeben habe. Und ich habe bis heute nicht rausgekriegt, woher sie wussten, dass ich der Weihnachtsmann bin. Sie haben nur gesagt: "Das weiß doch jedes Baby!" Seitdem mache ich mir keine Illusionen mehr, dass man Kindern und ihren geheimen Wissensquellen irgendetwas vorenthalten kann . Egal um welches Thema es geht."
Angela Wittmann, Redaktionsleiterin BRIGITTE MOM
"Meine Töchter (6 und 2 Jahre alt) glauben beide noch ganz fest an den Weihnachtsmann. Die Große fragte mich allerdings neulich mal, ob es ihn denn auch wirklich gibt. Kalt erwischt habe ich ein bisschen herumgestottert, aber wollte ihr – und vor allem der kleinen Schwester – diese wunderbare Illusion nicht nehmen. Ich holte philosophisch aus: „Das ist so wie mit Gott. Da kann auch keiner beweisen, dass es ihn wirklich gibt, aber viele Menschen glauben an ihn.“ Ging durch und blieb unkommentiert. Ich bin gespannt, ob die Große in den nächsten Jahren vor der Kleinen dicht hält, wenn sie irgendwann nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt … "
Sabine Rodenbäck, Beauty-Redakteurin
"Früher habe ich mir in der Adventszeit Sorgen darüber gemacht, was ist, wenn mein Sohn mitbekommt, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt. Ich dachte, wenn ihm klar wird, dass wir ihn jahrelang angelogen haben, wird sein Vertrauen in uns und die Welt unwiderruflich erschüttert. Nichts dergleichen ist geschehen. Er hat selbst sehr lange an dem Glauben festgehalten (bis er 8 oder 9 war), und dann hat er irgendwo mitbekommen, dass die Eltern die Geschenke kaufen. Er hat uns nie der Lüge bezichtigt. Und jetzt freut er sich, seine Weihnachtswünsche direkt platzieren zu können. Okay, wir weniger, denn jetzt können wir es nicht länger auf die begrenzten Kapazitäten des Weihnachtsmannes schieben, wenn die X-Box oder das Smartphone nicht dabei ist."
Susanne Arndt, Redakteurin Gesellschaft und Aktuelles
"Ich glaub den gibt es nicht." Forsch und ein kleines bisschen nervös hatte mein vierjähriger Sohn mir das ausgerechnet Heiligabend vor den Latz geknallt und guckte jetzt neugierig, was als nächstes passieren würde. Und das mitten beim Spazierengehen. Ich seufzte, hob ihn auf meinen Arm und zeigte in den Himmel. "Guck mal", raunte ich ihm ins Ohr, "Da oben fliegt er jetzt und verteilt Geschenke. Du kannst ihn sehen." Meinem Sohn klappte die Kinnlade nach unten, als er den Weihnachtsmann entdeckt hatte. "Ja, weiß ich doch", sagte er verlegen und wollte dann ganz, ganz schnell nach Hause um zu gucken, ob schon eine Weihnachts-Lieferung für ihn abgegeben wurde. Wir machten uns auf den Weg, und ich bedankte mich innerlich beim Weihnachtsmann - und bei dem GPS-Satelliten, der eben wie ein leuchtender Stern über uns den Himmel durchquert hatte.
- Henning Hönicke, Aktuelles und Social Media
Wie soll ich denn jetzt mit dem Weihnachtsmann umgehen?
Das muss natürlich jeder selbst entscheiden. Ideal ist vermutlich ein Mittelweg: Es ist sicher nichts falsch daran, die Weihnachtsmann-Tradition weiter mit seiner Familie am Leben zu halten. Aber wenn die Kinder skeptisch werden, sollte man ihnen den Weihnachtsmann nicht mit aller Macht wieder einreden - ist ja eigentlich gut, wenn Kinder Dinge kritisch hinterfragen, die ihnen komisch vorkommen.
Und wenn die Stunde der Wahrheit gekommen ist, kann das auch ganz schön sein: Eltern, die ihrem Kind erzählen, dass der Weihnachtsmann ein Märchen ist, mit dem alle zusammen ihre Freude an Weihnachten feiern, machen garantiert keine Kinderseele kaputt. Schließlich sind Weihnachtsmann-Kostüme und die damit zusammenhängende mühevolle Vorbereitung greifbare, reale Dinge - genau wie die Freude, die das Ganze macht. Und dafür ist schließlich kein Kind jemals zu alt!