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Trauer um meinen Bruder: "Ich werde dich jeden Tag im Herzen bei mir tragen"

Verena und Hendrik
© Privat
Verena hat ihren großen Bruder an den Krebs verloren. Wie sie mit ihrer Trauer umgeht und wie sehr ihr der "Verein für Verwaiste Eltern und Geschwister Hamburg e. V." dabei hilft, erzählt sie hier im Gespräch mit BRIGITTE.de für das Dossier "Ein Teil meines Herzens fehlt: Wie Kinder und Jugendliche mit Verlust und Trauer umgehen und was ihnen hilft".

"Ich werde dich mein Leben lang vermissen"

"Nun ist es 5 Jahre her. In diesen 5 Jahren ist viel in meinem Leben passiert. Ich habe das erste Mal Alkohol getrunken, war feiern, bin in die Oberstufe gekommen, habe wahre Freunde gefunden, hab mich verliebt und wieder getrennt, hab meinen Führerschein erfolgreich bestanden. Ich bin volljährig geworden und hab mir ein Tattoo stechen lassen. Ich bin zu einer jungen Frau geworden ...

Doch eins hat sich in den letzten 5 Jahren nicht verändert. Trotz den 5 Jahren, seitdem du nicht mehr bei uns bist, vermisse ich dich immer noch, und es schmerzt immer wieder zu realisieren, dass ich auch die nächsten 5, 10, 15, 20 Jahre ohne dich leben muss.

Dass du nicht auf meinem Abiball mit mir tanzen kannst, dass du nicht am Flughafen stehst, wenn ich aus meinem Auslandsjahr wiederkomme, dass ich dich nicht fragen kann, ob ich das Richtige mache, dass du mir nicht auf meiner Hochzeit bestätigen kannst, dass ich den Richtigen heirate und dass meine Kinder dich nie als Onkel haben werden. Ich werde dich mein ganzes Leben lang vermissen. Jedes Jahr aufs Neue ..."

Hendrik ist jetzt fast 6 Jahre tot. Seine Schwester Verena (19) hat diese Zeilen an seinem fünften Todestag geschrieben. Für ihn, aber auch für sich selbst – um ihrem großen Bruder ein Stückchen näher zu sein. Hendrik starb zwei Monate vor seinem 17. Geburtstag an einem Hirntumor. Verena hat mittlerweile gelernt, mit dem Vermissen zu leben. Dennoch wird die Trauer um ihren Bruder in manchen Momenten so stark, dass sie dann nur noch daran denken kann, wie sehr er ihr fehlt. Es sind oft diese Momente, in denen die Familie zusammen sein sollte. An Weihnachten. An seinem Geburtstag. Am Tag ihres bestandenen Abiturs. Doch Hendrik ist nicht mehr da.

"Mein Bruder wird immer ein Teil von mir sein"

Als Hendrik starb, war Verena gerade erst 13 Jahre alt. Das Tattoo, von dem Verena erzählt, zeichnet die Haut auf ihrem linken Oberarm. Dort stehen in dunkler Farbe drei Worte, die all die Liebe und den Schmerz zusammenfassen, die Verenas Leben bestimmen: "one of two". Für Verena ist dieses Tattoo ein ganz starkes Symbol: "Man weiß nicht gleich, was es bedeutet, aber es sagt so unglaublich viel aus. Ich bin eine von zweien und mein Bruder wird immer ein Teil von mir sein".

Wie eine junge Frau den Tod ihres Bruders verkraftet: Verena zeigt ihr Tattoo
Eine Erinnerung für die Ewigkeit: Hier zeigt Verena das Tattoo, das ihre starke Verbundenheit mit ihrem Bruder symbolisiert - "one of two".
© Privat

Hendrik kam im Februar 1997 zur Welt. Seine kleine Schwester Verena kam im Juli 2000 dazu. Von Anfang an standen die Geschwister sich sehr nahe. Verena erzählt: "Wir beide haben uns immer sehr gut verstanden und viel miteinander gespielt. Wir hatten eine sehr schöne Kindheit". Später besuchten die beiden das gleiche Gymnasium. "Das war immer ein gutes Gefühl, zu wissen, mein großer Bruder ist da auch irgendwo."

"Hey Reni, das wird schon wieder"

Natürlich zofften die beiden sich auch mal, wie das so ist unter Geschwistern. Aber grundsätzlich verstanden die beiden sich immer gut. "Wenn wir doch mal gestritten haben und ich mich bei ihm entschuldigen wollte, sagte mein Bruder immer: 'Hey Reni' – er hat mich immer Reni genannt – 'Ist doch alles gut, wofür sollst du dich entschuldigen?'" Hendrik hatte eine sehr liebevolle und fürsorgliche Art mit seiner Schwester umzugehen. "Er hat mich immer unterstützt. Ich habe noch nie so einen selbstlosen, freundlichen, hilfsbereiten und lebensfreudigen Menschen wie meinen Bruder erlebt". 

Eine ihrer schönsten Erinnerungen an die Zeit mit ihrem großen Bruder bringt Verena noch heute zum Lachen: "Meine Mutter hat es nicht so mit Schminken und ist da eher skeptisch. Irgendwann sind Hendrik und ich zusammen einkaufen gewesen. Da ist er mit mir in die Schminkabteilung gegangen und wir haben zusammen meine erste Mascara gekauft. Da konnte meine Mama nichts mehr dagegen sagen." 

Wenn Verena an ihren verstorbenen Bruder denkt, hat sie vor allem diese Momente in Erinnerung: sein Lachen und wie er sie liebevoll Reni nennt. Auch ein Abend ihres letzten gemeinsamen Urlaubs auf Sylt ist für sie unvergesslich: "Da sind wir beide mit dem Rad los und haben zusammen den Sonnenuntergang angeschaut. Das war sehr schön."

Zum Zeitpunkt der Diagnose war Hendrik 15 Jahre alt

Dass Hendrik schwer krank werden würde, war nicht abzusehen. Er war immer gesund, bis auf hin und wieder ein paar Blessuren durch den Handballsport. Er war ein begeisterter Handballspieler. "Anfang 2012 hat er sich beim Handball so schwer verletzt, dass er operiert werden musste", berichtet Verena. "Wie genau die Ärzte dann darauf gekommen sind, dass Hendrik so schwer krank ist, weiß ich gar nicht genau, denn meine Eltern haben mir nicht alles im Detail erzählt, um das nicht so sehr an mich heranzulassen. Aber die Hand hat wohl angefangen zu kribbeln, dann war etwas am Ohr, es folgten immer mehr Untersuchungen und schließlich wurde festgestellt: Er hat einen Hirntumor." 

Für Verena war anfangs noch nicht klar, wie krank ihr Bruder war. "Ich wusste da noch gar nicht, dass es Krebs ist. Ich wusste nur, er hat einen Tumor, und mein Vater hat mir ganz viel dazu erzählt, was man mit Chemo und Bestrahlung dagegen machen kann. Ich habe immer gedacht, dass er jetzt krank ist, aber in zwei Monaten wieder gesund sein wird. Für mich gab es bis zum letzten Moment gar keine andere Option. Als ich später realisierte, dass er Krebs hat, war das nochmal ein Schock." 

Obwohl die Familie danach viel Zeit im Krankenhaus verbringen musste, war die Krankheit kein großes Gesprächsthema zwischen Hendrik und Verena. "Wir haben eher versucht, das Beste aus unserer Zeit zu machen." 

"Es wäre schön gewesen, wenn seine Freunde weiter für ihn da gewesen wären"

Freunde, Bekannte, Nachbarn und Lehrer reagierten sehr unterschiedlich auf die schlimme Nachricht. Es gab viel Zuspruch und freundliche Reaktionen, aber auch negative Erfahrungen: "Anfangs bekam Hendrik noch ab und zu Besuch. Aber mit der Zeit zogen seine Freunde sich immer mehr zurück. Am Ende wurde er fast gar nicht mehr besucht. Das macht mich heute noch sehr traurig." Trotzdem hat Verena Verständnis für diese Reaktion: "Viele hatten bestimmt Angst und wussten nicht, wie sie hätten reagieren sollen. Aber ob nichts zu machen dann das Beste ist, ist immer die Frage." Verena hätte sich sehr darüber gefreut, wenn Hendriks Freunde weiter für ihn da gewesen wären. 

Verena und Hendrik
Voller Vertrauen kuschelt sich das kleine Mädchen an ihren großen Bruder: Dieses Bild aus ihren Kindheitstagen zeigt, wie nahe sich Verena und Hendrik standen.
© Privat

In seinen letzten Monaten konnte Hendrik dank Hilfsorganisationen wie "Kinderwünsche e. V." noch einige besonders schöne Momente erleben: Er durfte bei einem Tatort-Dreh dabei sein und beim Schnitt zugucken, war einmal bei "Circus HalliGalli" mit Joko und Klaas dabei. Später wurde die ganze Familie von Til Schweiger zu einer Filmpremiere in Hamburg eingeladen. "Wir waren auch noch nochmal zusammen in Lübeck, haben dort einen schönen Tag verbracht, und oft zusammen im Garten gegrillt. Da haben wir noch viele schöne Erinnerungen gesammelt." Bis zu seinem letzten Moment verlor Hendrik nie seine Lebensfreude. Wenn es Verena und ihren Eltern schlecht ging, sagte er oft: "Ihr müsst doch jetzt nicht weinen".

Am 6. Dezember 2013 mussten Verena und ihre Eltern von Hendrik Abschied nehmen. Es war ein grauer, düsterer Tag. Dunkle Wolken zogen über den Himmel. Starker Wind heulte durchs Land. Es war der Sturmwind "Xaver", der an diesem Tag dafür sorgte, dass auch für Verena die Schule ausfiel. "Sonst wäre ich eigentlich gar nicht zu Hause gewesen". Während draußen der Sturm tobte, war es im Haus der Familie ganz still. Alle spürten, dass die Zeit des Abschieds gekommen war. Hendrik lag in seinem Bett, seine Eltern und seine Schwester Verena waren bei ihm. Es folgten letzte Berührungen und letzte Worte an Hendrik. Nie im Leben wird Verena diesen Moment vergessen, als Hendriks Herz aufhörte zu schlagen und er schließlich für immer ging.

Die Zeit nach seinem Tod

In der ersten Zeit nach dem Tod ihres Bruders konnte Verena kaum begreifen, was geschehen war. "Ich wollte das nicht wahrhaben. Es kam mir vor wie ein Traum. Ich wollte nur immer wieder einschlafen und aufwachen und alles wäre wieder normal." Plötzlich galt die ganze Aufmerksamkeit ihrer Eltern allein Verena. "Sie wollten immer nur, dass es mir gut geht. Das war schwierig für mich, mit dieser Aufmerksamkeit umzugehen."

In der Schule wurden Plakate mit der Nachricht von Hendriks Tod ausgehängt. "Das war ganz komisch. Die Leute wussten, dass mein Bruder gestorben ist, sahen mich an, sprachen aber nicht mit mir darüber." Auch mit ihren Freunden konnte Verena ihren Schmerz nicht teilen. "Die hatten nicht diese Erfahrung und konnten noch nicht verstehen, was das wirklich bedeutet, wenn man sein Geschwisterkind verliert. Ich war so voller Trauer und für alle anderen ging das Leben normal weiter. Ich glaube, das war auch für meine Eltern sehr schwer." 

"Unsere Familie ist zerstückelt"

Zwar half es Verena, wieder zur Schule zu gehen und so eine Struktur im Tag zu haben, doch in Gedanken war sie oft woanders. "Gerade abends kam die große Trauer, wenn ich nichts mehr zu tun hatte". Einmal, zu Weihnachten, als es ihr nicht gut, schrieb Verena an ihren Bruder:

"Weihnachten ist eigentlich etwas Schönes. Weihnachten ist das Fest der Liebe, der Familie. Viele Menschen freuen sich auf Weihnachten, sie besorgen Geschenke, stellen einen Tannenbaum auf und bereiten Essen vor. Ich fand Weihnachten auch mal schön. Als ich klein war habe ich mich auf Weihnachten gefreut. Es gab für jeden Geschenke, wir hatten immer einen großen Tannenbaum im Wohnzimmer und aßen alle zusammen. Es war ein schönes Fest. Ein Fest der Familie und der Liebe.

Jetzt macht mich Weihnachten traurig. Geschenke sind bedeutungslos geworden, denn das was ich an Weihnachten haben möchte, kann mir keiner geben. Wir haben keinen Weihnachtsbaum mehr und unsere Familie ist zerstückelt. Weihnachten erinnert mich an das, was ich verloren habe, eine gemeinsame Familie und vor allem meinen Bruder. Weihnachten ist ein Fest der Erinnerung und der Wünsche, die nicht erfüllt werden können."

Hilfe durch den Verein für Verwaiste Eltern und Geschwister

Große Unterstützung und Hilfe fanden Verena und ihre Mutter in dieser dunklen Zeit in den Trauergruppen des Vereins für Verwaiste Eltern und Geschwister in Hamburg. Dieser Verein wurde gegründet von Menschen, die selbst erleben mussten, was es bedeutet, einen geliebten Menschen durch den Tod zu verlieren. Sie alle eint der Wunsch, anderen in ihrer großen Trauer zu helfen, wenn diese nicht mehr wissen, wohin mit sich vor lauter Trauer und Verzweiflung. 

Ursprünglich wurde der Verein für Verwaiste Eltern und Geschwister in Hamburg gegründet, doch inzwischen gibt es in ganz Deutschland Gruppen des Vereins sowie einen Dachverband in Leipzig. Die Trauerbegleiter*innen des Vereins fangen die verwaisten Eltern und Geschwister in ihrer schwersten Zeit auf und schaffen für sie einen geschützten Raum, in dem sie offen über ihren Verlust sprechen oder Wege zum Umgang damit finden können – zum Beispiel in Gesprächsrunden, Gedenkgottesdiensten oder Trauerwochenenden am Meer. 

Verena besucht zwei Mal im Monat eine der Jugendtrauergruppen des Vereins. "Klar, meine Eltern hätten immer versucht, mir zu helfen. Aber sie waren ja selbst so traurig. Darum wollte ich sie nicht so sehr mit meinen Gefühlen belasten und bin eher für mich geblieben."

Auch ihre Freunde waren eher nicht bereit, über dieses Thema zu sprechen. "Wenn ich das versucht habe, kam immer schnell eine unangenehme Stimmung auf und ich merkte, die wollen lieber einen Themenwechsel. Wenn ich so ein Gefühl habe, dass eine Person lieber gar nicht davon hören möchte und daran kein Interesse hat, dann möchte ich auch nicht davon erzählen." In der Trauergruppe über ihren Bruder sprechen zu können, ist darum für Verena eine große Erleichterung.

"So viel Leichtigkeit trotz dieses schweren Themas"

Vom ersten Moment an fühlt sie sich in der Gruppe herzlich aufgenommen. "Am Anfang hat es mich schon etwas Überwindung gekostet, dorthin zu gehen. Aber dann habe ich gemerkt, wie viel Leichtigkeit dort ist, trotz dieses schweren Themas. Und dass es irgendwie schön ist und gut tut, wenn man zu diesen Treffen aus seinem Alltag herauskommt, sich Zeit für dieses Thema nimmt und darüber reden kann. Da kann man komplett abschalten von dem ganzen Stress drumherum und so gut mit den Leuten dort und den Trauerbegleiter*innen reden."

Wie genau die Gespräche in der Gruppe verlaufen, ist unterschiedlich. Verena erzählt: "In dem Raum stehen zwei Sofas und ein Tisch. Auf diesem Tisch zünden wir alle zu Beginn zwei Kerzen an. Eine für die Person, die verstorben ist, und eine für sich selbst. Mal beginnt dann der oder die Begleiterin das Gespräch, indem er oder sie zum Beispiel eine bestimmte Frage stellt. Ein anderes Mal ergibt sich einfach so ein Gespräch, wenn jemand fragt: 'Na, wie geht es dir?'. Das ist wirklich ein ganz besonderer Ort, ganz schön und ganz frei. Da sagt einem keiner, tu dies oder tu das. Es ist viel mehr ein Miteinander. Man sollte dem auf jeden Fall eine Chance geben, auch wenn man sich das nicht so gut vorstellen kann."

"Der Mensch fehlt einem das ganze Leben lang"

Aus der Trauergruppe heraus sind für Verena auch besondere neue Freundschaften entstanden, mit zwei anderen jungen Frauen, die beide jeweils ihre Schwester verloren haben. "Am Anfang war es etwas merkwürdig", erzählt Verena. "Eigentlich sind das ja fremde Menschen, doch irgendwie sind sie doch nicht fremd, weil man sich dadurch, dass man das Gleiche erlebt hat, gleich verbunden fühlt. Im Laufe der Zeit sind dann diese Freundschaften entstanden und die gemeinsamen Erlebnisse mit der Trauergruppe haben uns immer mehr zusammengeschweißt. Wir sind eigentlich ganz normale Freundinnen, die zusammen über Jungs, Schule etc. reden und zusammen Dinge unternehmen. Zusätzlich können wir aber auch immer über unsere Geschwister, Erinnerungen und den Tod reden. Das ist das Besondere und das, was uns einzigartig verbindet. Wir können ganz offen und ohne dass wir voneinander Emotionen erwarten, über unsere Geschwister sprechen und sind so auf einer Ebene, das ist sehr schön. "

Die jungen Frauen haben miteinander die Gräber ihrer Geschwister besucht. Zum Geburtstag von Verenas Bruder haben sie zusammen Heliumballons mit persönlichen Botschaften steigen lassen.

Luftballon für Hendrik
"Happy Birthday! Now you would be 22! I miss you": Diese liebevolle Nachricht schrieb Verena zu Hendriks Geburtstag auf einen Luftballon für ihren Bruder.
© Privat

"Ich habe zwar auch noch Kontakt zu Freunden von früher", erklärt Verena, "aber manchen fällt es doch schwer zu verstehen, dass die Trauer mit den Jahren nicht weniger wird. Es ist wichtig, dass man sich nicht dafür rechtfertigen muss, wenn man sechs Jahre später immer noch trauert – denn der Mensch kommt ja nicht zurück und er fehlt einem das ganze Leben lang".

Darum freut sich Verena auch sehr, wenn sie zum Todestag ihres Bruders eine liebe Nachricht von Freunden bekommt. "Selbst wenn es nur ein 'Ich denke an dich' oder ein Herz ist, weil die Freundin vielleicht auch nicht weiß, was sie schreiben soll", erzählt Verena. Wenn die Worte fehlen, ist auch eine Umarmung eine liebe Geste. "Es muss gar nichts Spektakuläres sein, solche Kleinigkeiten helfen schon sehr und geben einem das Gefühl, nicht allein zu sein." Auch über alte Fotos von ihrem Bruder würden Verena und ihre Eltern sich sehr freuen. "Es müssen noch so viele Leute Bilder von ihm haben, die wir noch nicht kennen. Das wäre so toll, solche Bilder zu bekommen."

"In Gedanken ist mein Bruder immer bei mir"

Früher lagen die Kinderzimmer von Hendrik und Verena direkt nebeneinander. Heute wohnt Verena im ehemaligen Zimmer ihres Bruders. Für Verena ist es ein schönes Gefühl, ihrem Bruder auf diese Weise nahe sein zu können. "Es sind zwar alle Möbel neu, aber sie stehen gleich wie bei meinem Bruder damals. Irgendwie ist er so immer noch hier. In Gedanken ist mein Bruder immer bei mir."

Vor einigen Monaten hat Verena ihr Abitur bestanden. Ihrem Bruder hat sie zu diesem Anlass eine Kerze gebracht, darauf steht: "Wir haben es geschafft!" Schon viele Meilensteine ihres Lebens hat sie auf diese Weise mit ihrem großen Bruder geteilt. Sie lebt ihr Leben für zwei, möchte für ihn all das erleben, was er nicht mehr erleben kann. "Diese Kerzen sind mein ganz persönliches Ritual und ich nehme mir immer Zeit, um sie vorzubereiten und sie dann zum Friedhof zu bringen."

Kerze für Hendrik
© Privat

"Lebt das Leben, versucht, alles mitzunehmen!"

Vor einigen Tagen ist Verena zu ihrem Auslandsjahr aufgebrochen. Sie freut sich sehr auf all die neuen Erfahrungen. Die Erinnerung an ihren Bruder wird sie begleiten. Doch neben der Trauer ist mit der Zeit auch wieder Raum für glückliche Momente entstanden. Ihr Leben darf weitergehen. "Mein Bruder hätte immer gewollt, dass ich mein Leben lebe und alles mache, was ich gerne machen möchte".

Diese Botschaft, dieses Gefühl, möchte Verena sehr gerne auch an andere Menschen weitergeben: "Wir haben nur ein Leben. Lebt das Leben, versucht, alles mitzunehmen! Auch wenn die Dinge mal nicht so laufen, lasst euch nicht so schnell unterkriegen. Auch wenn du mal einen schlechten Tag hast, irgendwann geht es wieder bergauf! Wichtig ist nur, dass man immer wieder aufsteht und weiter macht."

Ihren Brief zu Hendriks fünftem Todestag beendet Verena mit den folgenden Worten:

"Ich werde dich jeden Tag im Herzen bei mir tragen und alles, was du nicht mehr erleben konntest, für dich miterleben. Durch dich habe ich gelernt, was es heißt nie aufzugeben, aus jeder Situation das Beste zu machen und immer mit einem Lächeln durchs Leben zu gehen, egal wie scheiße das Leben auch sein kann.

In meinem ganzen Leben werde ich versuchen, ein Stück wie du zu sein. Ich möchte dich stolz machen. Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast, und ich glaube, von da aus, wo du jetzt bist, tust du es immer noch. Du wirst für immer mein großer Bruder sein und ich immer deine kleine Schwester.

Ich hab dich lieb,

Deine kleine Reni"

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