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"Wenn Väter sich trennen, hat die Trennung meist einen (weiblichen) Namen"

Verlassenwerden: Kind mit Bild einer glücklichen Familie
© Halfpoint / Shutterstock
Sie wurden verlassen: Hier kotzen sich fünf Mütter aus, die den Kindern erklären mussten, warum ihr Vater "sich verändern" will.

Clara, zwei Söhne (7 und 11)

"Meine heile Welt zerbrach an einem Freitagabend. Plötzlich, ohne jede Vorwarnung. Irgendwann, nachdem ich abends die Kinder zu Bett gebracht hatte und Martin vom Joggen nach Hause gekommen war. Frisch geduscht setzte er sich an unseren langen Esstisch, sah mich schweigend an und heulte plötzlich los. Ich sehe mich bis heute vor ihm stehen, erst besorgt um ihn, dann fassungslos über all das, was er mir unter Schluchzen an den Kopf warf. "Ich kann nicht mehr." "Wir funktionieren doch nur noch nebeneinander." "Wir sind doch nicht mehr glücklich." Immer wieder schlugen diese Sätze auf mich ein. Ich konnte nichts sagen, sah nur schweigend den Mann an, mit dem ich seit zwölf Jahren zusammen war, davon zehn verheiratet – und mit dem ich zwei Kinder in die Welt gesetzt hatte. Ich konnte mich nicht bewegen, nichts denken. Ich spürte nur, dass plötzlich alles anders war, während er weiterflennte.

Ich weiß nicht, nach dem wievielten "Ich kann nicht mehr" ich schließlich wieder einen Satz formulieren konnte. "Sag mal, beendest du gerade unsere Beziehung?", hörte ich mich fragen und kannte dabei bereits die Antwort. Martin ist Jurist, der sagt nichts, was er nicht so meint. Sein "Das mit uns hat keinen Sinn mehr" besiegelte schließlich das Ende und ich wusste, dass es das war – mit unserer Ehe, unserem Leben zu viert. Vor allem zerbrach in diesem Moment die Welt unserer neun und fünf Jahre alten Söhne, die in ihren Betten schliefen und keine Ahnung davon hatten, dass ihr Vater gerade alles zerschlug – unsere Familie.

Es gab eine andere, deutlich jüngere Frau und plötzlich fühlte ich mich verdammt alt

Dass es da eine andere gab, war mir sofort klar. Auch wenn er es abstritt. Ich wusste es trotzdem. Wenn Männersich trennen, hat die Trennung meist auch einen Namen. Ich hatte einfach zu viele Ehen und Beziehungen in meinem Umfeld in die Brüche gehen sehen. Nur hätte ich eben nie gedacht, dass es mich mal erwischen könnte.

Wir waren eine dieser "Wir-haben-es-geschafft"-Familien: mit schicker Altbauwohnung, guten Jobs, Klavier spielenden und sportlichen Kindern und einem gut sortierten Freundeskreis. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass wir ständig glücklich miteinander gewesen waren. In unserem vollen Leben waren wir mit Terminen und Verpflichtungen eng getaktet, da fällt man nicht mehr jeden Abend auf dem Küchentisch übereinander her, da gibt es oft auch Zoff. Aber wir waren dennoch eine Familie, hatten immer einen guten Draht zueinander, uns immer etwas zu sagen gehabt.

All das interessierte Martin plötzlich nicht mehr. Obwohl ich ihn anflehte, an die Jungs zu denken, an uns beide und an das, was uns verband. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Ich hatte keine Chance. Es endete damit, dass er auf dem Sofa schlief und ich in unserem Bett, in dem er danach nie mehr gelegen hat.

Ich weiß nicht mehr, wie ich die darauffolgenden Wochen geschafft habe. Ich bewegte mich wie in einem Nebelfeld, der Boden unter mir war Watte. Ich wankte durch die Tage mit den Kindern, im Büro, wollte funktionieren, mir nichts anmerken lassen und rannte bei jeder Gelegenheit aufs Klo, um zu heulen.

Martin und ich versuchten, uns so gut es ging aus dem Weg zu gehen, obwohl wir weiter gemeinsam in der Wohnung blieben. Wir sprachen lange nicht mit den Kindern über die Trennung, wollten es ihnen erst sagen, wenn wir wüssten, wie es weitergehen sollte. Dass er nun im Gästezimmer schlief, erklärten wir den Jungs mit seiner nächtlichen Schnarcherei. Sie glaubten es.

Mein Leben glich seitdem einer einzigen Farce. Nach außen mimte ich weiter die glücklich Verheiratete, während er sich mit seiner Freundin traf und ich mich irgendwann auf Tinder anmeldete und mit Männern chattete, die mindestens zehn Jahre jünger waren als ich. Ich musste raus aus diesem Sumpf der Enttäuschung und Demütigung.

Ich wollte mich nicht als das sehen, was ich war: eine Verlassene

Vielleicht auch deshalb, weil unsere Trennung den gewöhnlichsten Grund aller Zeiten hatte: eine Frau, die zwanzig Jahre jünger war als ich. Wenn der eigene Mann mit einem Mädchen rum macht, das seine Tochter hätte sein können, dann fühlt man sich plötzlich verdammt alt.

Ich hasste ihn dafür, dass er mir dieses Klischee zumutete. Für das, was er mir und den nichts ahnenden Kindern mit seinen Schmetterlingen im Bauch antat. Und ich schämte mich für ihn, dass er so ein rücksichtsloser Partner und Vater geworden war.

In dieser Zeit sprach ich nur mit meiner Familie und meinen besten Freunden darüber. Die Gespräche und Verabredungen retteten mich vor dem Abgrund – und die ungezählten Stunden im Fitness-Studio. Ich quälte mich fast täglich mit Gewichten, als ob meine wachsenden Muskeln über meine schwindende Kraft hätten hinwegtäuschen können.

Martin und ich versuchten, ruhig miteinander umzugehen, im Interesse der Jungs. Aber wenn sie nicht da waren, schrien wir uns an, und ich knallte ihm Worte an den Kopf, die ich nie zuvor zu jemandem gesagt hatte. Ich verachtete ihn zutiefst. Er widerte mich an in seiner nicht zu übersehenden Verliebtheit auf unserem Scherbenhaufen.

Irgendwann sagten wir es dann den Kindern, bei einem unserer verlogenen Abendessen zu viert. Der Kleine fing sofort zu weinen an, der Große starrte nur auf sein Wurstbrot vor sich auf dem Teller und sagte gar nichts. Ich weiß nicht mehr, wie der Abend weiter verlief. Ich habe es verdrängt, vielleicht auch deshalb, weil mein Schmerz nichts war im Vergleich zu ihrem, weil Martin ihnen ein Messer ins Herz rammte.

Ich hätte mir die beiden am liebsten wieder in meinen Bauch gestopft, um sie davor zu bewahren, was ihnen da angetan wurde: Das Ende ihrer heilen Kindheit.

Ich hasste ihn für das, was er uns antat

Irgendwann war klar, dass wir so nicht mehr weiterleben konnten. Es zerfraß mich. Ich bezog eine kleine Wohnung, die ich an den Tagen nutzte, wenn er sich um die Kinder kümmerte. Wenn ich bei den Jungs war, wohnte er bei seiner Freundin.

Dazwischen pendelte ich zwischen zwei Leben hin und her: dem als Mutter und dem als plötzlicher Single mit 43 Jahren. Die eine Woche schmierte ich Pausenbrote, in der anderen saß ich morgens oft völlig übernächtigt im Büro, weil mich in der seelen- und kinderlosen Wohnung nichts hielt und ich mir kopflos die Nächte bei Freunden oder in Clubs um die Ohren schlug.

Ich stand völlig neben mir, war ohne jede Zuversicht und merkte dennoch: Es muss weitergehen. Für mich und die Kinder. Ich wollte kein Opfer, vor allem aber den Jungs eine besonders gute Mutter sein, so pathetisch das auch klingen mag. Ich redete viel mit ihnen, tröstete sie, versuchte zu erklären, was ich selbst nicht verstand, und wiegte ungezählte Male meine weinenden Kinder in den Schlaf – und hasste dabei Martin.

Wenn ich die Jungs an den Wochenenden hatte, verabredete ich mich mit anderen Familien, was nicht immer leicht war. Trennungen machen Angst, zeigen, dass die vermeintlich heilige Familie ganz schnell in sich zusammenfallen kann. Die Furcht, sich an dieser Krankheit anstecken zu können, hat manchen Kontakt weniger werden lassen. Zum Glück nicht jeden. 

Heute weiß ich: Jedes Ende bedeutet auch einen Anfang

Wir fuhren mit Freunden in den Urlaub, machten viele Ausflüge – ich versuchte die Lücke in unserem Konstrukt mit Wahlverwandten zu schließen. Das hat uns dreien geholfen. Auch weil Martin und ich irgendwann anfingen, wieder vernünftig miteinander umzugehen. Wir wollten gemeinsam Eltern bleiben, wenn wir schon keine Familie mehr sein konnten.

Inzwischen sind seit unserem Schicksalsabend zwei Jahre vergangen. Unsere Wohnung ist verkauft, die Scheidung läuft, und die Jungs pendeln alle zwei Wochen zwischen zwei Elternhäusern hin und her. Martin und ich schaffen es, Kindergeburtstage gemeinsam zu feiern und uns friedlich miteinander abzusprechen. Das beruhigt mich und nimmt mir die Angst, dass die Jungs wegen der zerbrochenen Liebe ihrer Eltern als emotionale Zombies enden könnten. Wir alle haben unseren Frieden mit der Situation gemacht.

Doch der Weg dorthin war eine zuweilen kaum auszuhaltende emotionale Tortur. Martin ist noch immer mit seiner Freundin zusammen. Und in meinem Leben gibt es seit drei Monaten Ben. Mich hat die Geschichte mit Martin nicht kaputtgemacht, auch wenn der Schmerz bis heute immer wieder hochkommt. Aber seitdem ich Ben kenne, weiß ich, dass ich noch immer vertrauen, lieben und wieder glücklich sein kann. Wenn er mich ansieht, dann weiß ich: Jedes Ende bedeutet auch einen Anfang.

Miriam, eine Tochter (3)

"Nachts allein im Bett habe ich Mordfantasien: Ich will mich rächen für ein Verbrechen, für das es kein Wort gibt und keine Strafe: Er ist glücklich ohne mich."

Am meisten fertig macht mich, dass ich nicht nur meinen Mann verloren habe, sondern die Hälfte der Zeit mit meinem Kind. Ich wollte diese Trennung nicht, er hat sich neu verliebt, zack, aus. Aber warum haben wir uns dann zwei Wochen vor seinem Blitz-Auszug noch für richtig viel Geld ein riesiges Familienbett gekauft, damit es nachts nicht zu eng wird mit unserer Kleinen? Das werde ich nie verstehen. In diesem Bett liege ich jetzt jede zweite Woche ganz allein. Dann ist Maja bei ihrem Vater. Wir sind ja so vernünftig: Eltern, die nur das Beste wollen, mit Pendelkind. Ich mache Faltboxenübergaben, als wäre ich der Lieferant und mein Kind ein Service, alles ganz professionell. Aber nachts im Bett, wenn ich mir vorstelle, dass mein Kind jetzt mit seinem Papa und der Neuen kuschelt, habe ich Mordfantasien. Ich will mich rächen für ein Verbrechen, für das es kein Wort gibt und keine Strafe: Er ist glücklich ohne mich. Und er will meinen Segen, "damit es für Maja leichter ist". Sie fehlt mir so: Was bin ich denn für eine Mutter in der Woche, in der mein Kind nicht bei mir ist?

Nancy, zwei Töchter (6 und 8)

"Er will immer da sein für Mareike und Amelie. Auf diese lebenslange Präsenz, die mir jetzt blüht, würde ich persönlich gern verzichten. Er soll einfach weg sein."

Manchmal wünsche ich mir, er wäre tot. Dann könnte ich wenigstens um ihn trauern. Wie andere Frauen, die ihren Mann verloren haben. Aber meinem Ex geht’s super, er verwirklicht sich jetzt mit seiner Chefin selbst, von der ich mir jahrelang anhören musste, was für eine blöde Kuh sie doch sei. Die beiden starten noch mal voll durch, beruflich wie privat. Und er will "immer da sein für Mareike und Amelie, wirklich immer". Auf diese Präsenz, die mir jetzt lebenslang blüht, würde ich persönlich gern verzichten. Er soll einfach weg sein, dieser Arsch. Ich will den Mann zurück haben, in den ich mich verliebt habe. Aber den gab es vielleicht nie. Er hat mir so viel kaputtgemacht – sogar meine Freude an Thanksgiving! Meine Familie stammt aus Boston. Und dort waren wir bei meinen Eltern zu Besuch, als er mir aus heiterem Himmel eröffnet hat, dass es aus ist. "Die werden sich schon um sie und die Kinder kümmern", hat er sich gedacht und ist überstürzt zu einem Meeting mit der Chefin abgereist. Meine Familie wird nie mehr unbeschwert Thanksgiving feiern.

"Wenn Väter sich trennen, hat die Trennung meist einen (weiblichen) Namen"

Hanna, Zwillinge (8 Jahre)

"Ich hätte ihm die Freude geraubt. Ein Kind um jeden Preis – das sei nicht sein Lebensentwurf gewesen."

Wir haben neun Jahre versucht, ein Kind zu bekommen, bevor ich schwanger wurde: Zwillinge, ein Junge, ein Mädchen. In der 28. SW bekam ich Wehen. Krankenhaus, drei Wochen liegen, Lungenreifebehandlung. Beim CTG hatte ein Kind plötzlich keine Herztöne mehr. Notkaiserschnitt. Julia musste kurz nach der Geburt reanimiert werden. Sie sah aus wie ein totes Mäusebaby. Es gab kaum Hoffnung, dass sie das unbeschadet übersteht. Ich glaube, mein Ex hatte sie da schon aufgegeben. Und mich und unseren Jungen gleich mit. Ich habe das in dem Moment nicht realisiert, ich war völlig neben der Spur. Aber als es bergauf ging, und ich auf der Nachsorgestation beim Känguruhen immer öfter allein war mit beiden Kindern auf dem Bauch, hat eine sehr liebe Intensivkinderkrankenschwester, mit der ich bis heute befreundet bin, als Trost zu mir gesagt: "Du bist nicht die erste Mutter, die hier am Ende allein mit ihren Kindern rausgeht." Und so ist es gekommen: Ich hätte ihm die Freude geraubt, ein Kind um jeden Preis – das sei nicht sein Lebensentwurf gewesen. Er habe einfach keine Kraft mehr. Und dann ist er sehr schnell wieder Vater geworden. Ohne mich, mit seiner neuen Freundin, ganz natürlich und unbeschwert von mir und meinen Kindern Julia und Niklas, die sich übrigens prächtig entwickeln.

Elli, zwei Söhne (16 und 17)

"Meine Jungs sind in keiner leichten Phase. Sie brauchen ihren Vater. Aber er fühlt sich alt, wenn er mit ihnen zusammen ist. Er hat jetzt zwei süße Mädchen."

Ich hätte nie gedacht, dass wir einfach so austauschbar sind. Mein Ex hat sich vom Acker gemacht, als es mit unseren beiden Jungs so richtig fies in die Pubertät ging: Mein Großer kam gar nicht mehr raus aus seinem Zimmer, der war nur am Zocken. Und der Kleine kam gar nicht mehr heim, der hing nur noch mit seinen Kiffer-Freunden rum. Beides war furchtbar. Dieser ständige Stunk daheim, das war für mich auch nicht toll, aber was ist man für ein Vater, wenn man in dieser Situation sagt: "Und Tschüss, das zieht mich hier alles zu sehr runter"? Das macht mich immer noch so wütend und fassungslos, dass ich denke: Den haben sie ausgetauscht. Das kann doch unmöglich der Mann sein, den ich mal geliebt und mit dem ich diese Kinder auf die Welt gebracht habe. Und die hat er doch auch mal geliebt. Aber andererseits ist er sich so erschreckend treu geblieben, dass ich kotzen könnte und dass völlig klar ist: Er muss einfach schon immer ein Vollidiot gewesen sein. Mein Ex hat einfach noch mal angefangen. Neue Frau, erstes kleines Mädchen, zweites kleines Mädchen. Flitterwochen haben sie in Prag gemacht, da war er mit mir auch. Und jetzt fahren sie jeden Sommer in das Ferienhaus in Dänemark, das wir früher auch immer gemietet haben. "War doch immer so schön mit kleinen Kindern dort ... " Meine Jungs sind immer noch in keiner leichten Phase. Sie brauchen ihren Vater, aber sie haben kaum Kontakt. Er fragt sie nie, ob sie mit nach Dänemark wollen oder mal was mit ihren Halbschwestern machen. Sie stören sein Bild von der ewigen Jugend: Er ist mit seiner neuen Familie zusammen und denkt, wie süß diese Mädchen sind und was für ein junger Vater er doch ist. Und dann sieht er die Jungs und manchmal sogar mich und bekommt einen Schreck, weil er weiß, dass das alles eine armselige Lüge ist.

Ein Artikel aus BRIGITTE MOM

BRIGITTE MOM 02/2019

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