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"Hallo, Papas! Die Elternzeit ist nicht zum Verreisen da!"

"Hallo, Papas! Die Elternzeit ist nicht zum Verreisen da!"
© Hepp/Corbis
Gute Mütter fahren mit, wenn Väter in der Elternzeit verreisen wollen. Diese nicht. Sie findet: Männer können sich ihre Vaterschaft ruhig zu Hause erarbeiten.

Folgendes: Wenn ich noch einmal Reiseberichte von Eltern sehe oder höre, die während der Elternzeit zwei bis sechs Monate mit ihrem Baby nach Asien oder Australien oder Ibiza oder in den Himalaja gefahren sind, raste ich aus. Wenn ich noch einmal einen Vater sehe, der seinen Nachwuchs mit stolzem Blick durch irgendwelche Tempelanlagen trägt oder mit Junior auf dem Bauch am Strand Yoga macht, verpetze ich ihn mit Namen und Steuernummer beim Familienministerium.

Das Elterngeld ist kein Urlaubsgeld. Es handelt sich vielmehr um steuerfinanzierte Mittel, die genau aus drei Gründen verschenkt werden: 1. Damit Eltern in der ersten Zeit nach der Geburt bei ihrem Kind bleiben können, ohne dass die Familie in allzu große finanzielle Schwierigkeiten gerät. 2. Damit gut verdienende Frauen es überhaupt in Betracht ziehen, eine Babypause zu machen. 3. Damit die Väter mal sehen, wie das so ist. Wenn man zu Hause bleibt und füttert, wickelt, putzt, wäscht, trägt, macht und tut und alles gleichzeitig, während der andere fröhlich arbeiten geht. Wie es ist, wenn man trotz dem ganzen Scheiß regelmäßig von Wellen großer Liebe geflutet wird. Wie es eben ist, viel Zeit mit seinem Kind zu verbringen.

Hier werden jetzt sicher einige Väter den Finger in die Luft recken und sagen: Ja, aber deshalb fahren wir doch nach Asien, um so richtig intensiv zusammen zu sein. Klar. Und wer kümmert sich während der Reise ums Alltagsgeschäft Baby? Wer wickelt vor der Kulisse von Angkor Wat? Na? Pardon: deine Mudder.

"Mein Mann hat sich auf die harte Tour drauf- geschafft, was es heißt, ein Vater zu sein."

Wenn ich darüber nachdenke, bin ich wieder so stolz auf meinen Mann. Der hat zwar nur zwei schmale Monate Elternzeit nehmen können statt sechs, wie wir uns das gewünscht hatten, aber er hat es durchgezogen. Ich konnte morgens um neun das Haus verlassen und bis spätabends arbeiten, weil er mir den Rücken freigehalten hat. Er hat all das gemacht, was in den Monaten zuvor ich gemacht habe. Er ist jeden Abend auf der Couch eingeschlafen, weil er eigentlich schon seit 17 Uhr vollkommen fertig war. Er hat sich auf die harte Tour draufgeschafft, was es heißt, ein Vater zu sein. Und er hat sich jenes Elterngeld verdient, das viele offensichtlich sehr nonchalant als hübschen, gerechtfertigten Regen auf die Urlaubskasse begreifen und für höchst selbstverständlich halten.

Meine Mutter zum Beispiel hat nach drei Monaten wieder angefangen zu arbeiten, weil die Kohle reinmusste, so was wie Elterngeld gab's da noch nicht. Mich hat sie einfach mit ins Büro genommen, und obwohl ich gebrüllt habe wie am Spieß, hat sie’s irgendwie geschafft, haben wir es irgendwie geschafft. Meine Schwiegermutter ist direkt nach dem Mutterschutz (sechs Wochen nach der Geburt) in den Schichtbetrieb einer Fischfabrik zurückgegangen. Mein Mann hat deshalb in den ersten Jahren seines Lebens viel Zeit bei einer alten Dame verbracht, die in einer winzigen Butze unter meinen Schwiegereltern wohnte, und immer mal Kinder aufgenommen hat, deren Mütter schnell wieder Geld verdienen mussten. Weil es den Familien sonst nicht zum Überleben gereicht hätte.

Ich dramatisiere? Das ist etwas weit hergeholt? Waren ja auch echt andere Zeiten damals? Okay: Viele meiner Freundinnen haben vor ungefähr zehn, zwölf Jahren Kinder bekommen. Da gab’s ein paar Hundert Euro Erziehungsgeld, bis das Kind alt genug für die Krippe war. Meine Freundinnen haben in jenen Monaten ihre Altersvorsorge angezapft, um über die Runden zu kommen. Capisci? Und jetzt erzählen Sie all denen doch bitte mal was vom schönsten Strand der Welt. Ich möchte jedenfalls, dass das hier auch noch ins letzte Ferienhirn sickert: Elterngeld bekommt man für Familienarbeit, nicht für Reiseleitung.

Text: Simone B. Ein Artikel aus BRIGITTE MOM 4/2014

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