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Dammrisse, tagelange Wehen und Co.: Warum ich panische Angst vor der Geburt habe

Tokophobie: Portrait von Yasemin Kulen
© Susanne Lange
Immer mehr Frauen haben panische Angst vor der Geburt. Das geht so weit, dass dies sogar den eigenen Kinderwunsch beeinflusst. So wie bei unserer Redakteurin. Ein Kommentar.

Früher sagte ich immer: Ich will einmal Kinder haben. Klar, warum auch nicht. Ich bin eine Frau und die bekommt nun mal Kinder. Oder? 

Abgesehen davon, dass ich mich seit meiner Jugend von diesem gesellschaftlich geprägten Frauenbild distanziere, spielt noch eine ganze andere Sache eine große Rolle bei meiner Kinderwunschplanung: Ich habe panische Angst vor dem Schwangersein, der Geburt – und der Mutterschaft. 

Haarsträubende Geschichten

Schon von meiner Mutter hörte ich haarsträubende Geschichten, dass bei der Geburt "da unten" was reißen könne, und meine Freundin E. (die zugegebenermaßen einen großen Kopf hat, was wohl schon als Baby der Fall war) erzählte mir, ihre Mutter hätte gehört, wie ihr bei der Geburt der Damm riss. Man zeige mir bitte die Frau, die dann noch sagt "Juhu, ich will Kinder!" 

Dazu kommen abstruse Horrorgeschichten von 36 Stunden anhaltenden Wehen und Frauen, die in letzter Sekunde – für sie und Baby – per Notkaiserschnitt das Kind auf die Welt gebracht haben. Ja, ich gehöre zwar auch zu den Frauen, die jeden Mist im Internet googeln, aber das waren tatsächlich alles Damen, die ich kenne. 

Geburt ekelt mich an

Ich habe es daher auch immer vermieden, mir Videos oder Bilder von Geburten anzuschauen. Blut, Schleim, Schmerzen und die Nachgeburt. Liebe Frauen, ich benenne es einfach nur, wie es ist: Eine Geburt ist und bleibt einfach eine seeeehr blutige Angelegenheit – da versöhnt mich auch nicht das süße Baby (verschleimt und verschrumpelt), das ich am Ende in den Armen halten werde. 

Für alle Frauen, die sich schon mal eine Spirale oder eine Kupferkette haben legen lassen (ich hatte beides) – die Schmerzen, die ihr in dieser Nanosekunde hattet, habt ihr bei einer Geburt stundenlang. Zumindest wurde mir gesagt, die Schmerzen würden den Wehen sehr ähneln ...🤔 Mir persönlich hat es aber schon gereicht, wie die Ärztin mir am Muttermund herumgepopelt hat. Und dann soll da ein Mensch herauskommen. Ich bitte euch: Wer würde mir denn verübeln, dass ich einfach panische Angst vor diesem ganzen Prozess habe? 

Die Angst vor der Geburt: Tokophobie

In Fachkreisen nennt man diese Form der Angst Tokophobie. Sie wurde erstmals im Jahr 2000 in einer Studie von Kristina Hofberg untersucht. Rund 13 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie aufgrund ihrer Angst eine Schwangerschaft vermeiden oder verschieben würden. Rund sieben Prozent entschieden sich deshalb für einen Kaiserschnitt, obwohl dieser medizinisch nicht notwendig wäre. Aber auch die Option des Kaiserschnitts nehme den Frauen nicht unbedingt die Angst. 

Die Forscher unterscheiden dabei zwischen primärer und sekundärer Tokophobie. Letztere käme erst zustande, wenn Frauen bereits eine traumatische Geburt erlebt hätten. Erstere sei nicht nur die Angst vor den Schmerzen, sondern vielmehr richten sich die Befürchtungen der betroffenen Personen auf vermeintlich unfähige Ärzte, Hebammen oder auf die Befürchtung, den Anforderungen als Mutter generell nicht gewachsen zu sein.

Wer sagt, dass ich einmal eine gute Mutter werde?

Dies spiegelt ziemlich genau all meine Ängste wider. Neben den körperlichen Anstrengungen und der Tatsache, dass ein Lebewesen in einem wächst (Hallo Alien-Feeling), frage ich mich auch immer wieder, ob ich je eine gute Mutter sein würde. Ich liebe meine Eltern, aber sie haben weiß Gott viele Fehler gemacht. Das würde ich einfach für kein Kind dieser Welt wollen. 

Einseitiger Kinderwunsch führt zum Problem

All das führt dazu, dass ich sage: Nein, ich möchte keine Kinder. Mein Partner kann das nicht verstehen. Für ihn ist das Kinderkriegen wie ein Zahnarztbesuch: Ist zwar nicht cool, macht man aber halt, weil man eben muss. Seine Sinnsuche im Leben endete einst in der Erkenntnis, Kinder würden unserem ganzen Dasein erst den nötigen Sinn verleihen. Während er sagt, dass wir ja in den nächsten zwei Jahren loslegen könnten, habe ich ihn um fünf Jahre Aufschub gebeten. Und hoffe, dass ich in dieser Zeit nicht mehr so große Angst haben werde. Oder er vielleicht doch nicht mehr will …

In fünf Jahren wäre ich 35 Jahre alt und würde eine Risikoschwangerschaft eingehen – das wiederum schürt meine Ängste erst recht. Ich fühle mich nicht in der Lage, ein Kind zu gebären oder großzuziehen. Und dann bin ich auch noch schuld, dass es mit einer Behinderung auf die Welt kommt. Na toll …! Dazu reiht sich eine andere, tief sitzende Angst ein: Was ist, wenn ich meine Bedenken nicht überwinden kann und damit den Mann verliere, auf den ich mein ganzes bisheriges Leben gewartet habe? 

Frauen müssen sich irgendwann entscheiden

Frauen haben in der Hinsicht ein entscheidendes Problem: Ab einem gewissen Alter müssen wir uns zwangsläufig mit diesem Thema beschäftigen, weil uns die Biologie irgendwann einen Strich durch die Rechnung macht. Männer können wiederum noch mit 60 sagen, dass sie jetzt doch bereit sind für ein Kind. 

Am Ende werde ich nie erfahren, wie es sein wird, schwanger zu sein und Kinder zu bekommen, bevor ich da nicht einfach durchgehe. Einfach mal machen. Sagt man doch so. In fünf Jahren dürft ihr mich dann noch mal fragen, wie es mit meiner Kinderplanung aussieht …

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