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Ich will ein zweites Kind - mein Mann aber nicht

Antikes Kinderspielzeug aus Holz
© Olivier Le Queinec / Shutterstock
Eine Mutter wünscht sich unbedingt ein zweites Kind, doch ihr Partner ist dagegen. Wie soll man mit diesem Dilemma umgehen?

Das eine reicht, sagt er. Schon das überfordere ihn. Das klingt jetzt nach wenig Liebe, so ist es überhaupt nicht. Matthias ist ein guter Vater. Ein Sonnengesichter-Maler und Bauchweh-Wegstreichler. Am Morgen bringt er Anne in die Kita und abends meist ins Bett. Er hat mich noch nie gefragt, was er ihr anziehen soll oder welche Windelgröße sie hat. Er beteiligt sich an der Erziehungsarbeit. Nicht fünfzig-fünfzig, aber doch sehr viel.

Warum etwas ändern, das an die Grenzen geht, aber doch glücklich macht?

Das ist anstrengend. Anne ist jetzt drei. Unser Leben ist durchgetaktet. Matthias sagt, dass er keine Energie hat für ein zweites Kind. Dass Anne ihm manchmal das Gefühl gibt, kein eigenständiger Mensch mehr zu sein. An einem Abend, nachdem Anne partout nicht einschlafen wollte, hat er mir das so erklärt: Sie zieht ihn runter wie ein Krake, der sich an ihm festgesaugt hat. Er schleppt sie mit, aber es kostet irre viel Kraft. Ich verstehe ihn ja. Es gibt tausend Tage, da geht es mir nicht anders. Und es gibt tausend Tage, die sind wunderschön. Gestern war so einer, da war ich einfach nur glücklich, so ganz tief. Wir waren auf dem Weg zum Geburtstag meiner Oma. Anne, Matthias und ich saßen im Auto und sangen sehr laut und sehr schief ein selbst gedichtetes Lied. Nimmt man dieses Glück, sagt Matthias, und addiert die Anstrengung obendrauf, komme doch ganz klar raus: kein zweites Kind. Warum etwas ändern, das an die Grenzen geht, aber doch glücklich macht? So einfach ist das für ihn. Für mich nicht.

Da ist eine Sehnsucht in mir, die ich kaum beschreiben kann. Ich kann sie auch nur schwer aushalten. Ich weiß: Ich möchte noch mal Mama werden. Ich will wieder einen Mini-Menschen im Arm halten. Bei aller Kraft, die es braucht, ist es doch das absolut Größte. Ein winziges Baby, mit Haar so fein wie Seide und einem Duft, der süchtig macht. Es heißt Kinderwunsch, verdammt noch mal, nicht einfach nur Kindwunsch.

Und da ist noch mehr: Ich möchte nicht, dass Anne als Einzelkind aufwächst. Ja, ich weiß: Einzelkinder sind keine verzogenen Biester, sozial sogar oft kompetenter, das sagen zahlreiche Studien. Habe ich mir alles ergoogelt. Das hilft aber nicht. Ich finde ein Einzelkindleben schlicht einsam. Ich habe zwei Brüder, mein Mann eine Schwester. Bei aller Eifersucht und allem Streit, den es gab: Es ist toll, vor Geburtstagen gemeinsam nach Geschenken zu suchen, die doch irgendwo gebunkert sein müssen. Oder Allianzen gegen die Eltern zu schmieden. Darauf soll Anne verzichten? Und wenn Matthias und ich alt sind: Wen hat sie dann, der ihr hilft? Ich spreche nicht von Pflege, das erwarte ich nicht. Aber schon Entscheidungen allein treffen zu müssen ist hart. Das merken wir gerade selbst, seit Matthias’ Vater sich nicht mehr allein versorgen kann. Wir sind froh, dass wir uns die Verantwortung mit seiner Schwester teilen.

Was zählt mehr: Seine begrenzte Kraft oder meine Sehnsucht?

Trotzdem versteht Matthias mich nicht. Annes Einsamkeit lässt er als Argument nicht gelten. Wir haben Freunde, sind oft mit anderen Familien unterwegs. Für den Sommerurlaub haben wir ein Haus in Frankreich gemietet, sechs Erwachsene, fünf Kinder. Und nur weil Anne vielleicht eines Tages überfordert sein könnte, soll er sich heute überfordern? Die Zukunft ist ungewiss. Das Jetzt aber bekannt.

Die Frage ist also: Wo fängt Überforderung an? Und was zählt mehr: Seine begrenzte Kraft oder meine Sehnsucht? Lassen Grenzen sich nicht auch verschieben? Man wächst doch mit seinen Aufgaben. Manchmal kommen mir Matthias' Grenzen einfach nur lächerlich vor. Ein zweites Kind ist schließlich so normal wie langweilig, der Passat unter den Familien, easy to go. So schwer kann das doch nicht sein! Erst recht nicht, wenn man schon Erfahrung hat. "Wer das erste Kind wuppt, wird am zweiten nicht scheitern", sagt meine Nachbarin. Das dachte ich früher auch. Doch genau das ist jetzt meine Angst. Dass ich unser Leben zerstöre. Dass ich kaputt mache, was wir haben. Fast jede zweite Ehe geht in die Brüche. Bei jeder zweiten Scheidung sind minderjährige Kinder betroffen. Das sind die Fakten.

Und Fakt ist auch: Kinder sind ein Trennungsgrund. Ich kenne nicht nur einen Vater, der gegangen ist. "Ich kann nicht mehr." Es ist fahrlässig, dieses Statement nicht ernst zu nehmen. Vielleicht haben wir den richtigen Zeitpunkt verpasst. Als Anne ein Jahr alt war, da hätten wir es einfach wagen sollen. Bevor Anne anfing durchzuschlafen. Wir haben uns schnell an den Luxus gewöhnt. Das ist es auch, was Matthias immer wieder sagt: Willst du echt nochmals auf Anfang, jetzt, wo es langsam leichter wird? Wir Anne auch mal bei meinen Eltern lassen können für eine Nacht. Das ist auch ein Kompliment. Zeit zu zweit war uns immer wichtig. Wir haben uns versprochen, dass wir uns als Paar nicht verlieren, wenn wir Eltern sind.

Es ist schwer, mit anderen über den Wunsch nach dem zweiten Kind zu reden. Die meisten verstehen es schlicht nicht. Die einen finden, ich solle glücklich sein mit dem, was ich habe. Warum brauchst du ein zweites Kind? Hast doch schon eins! Die anderen sagen, dass Matthias sich anstellt. Beim zweiten Kind! Beim dritten, ja, das könnten sie verstehen. Weil zwei Hände dann nicht mehr reichen, um alle im Griff zu haben. Weil die Kinder dann in der Überzahl sind. Weil die Eltern von der Manndeckung zur Raumdeckung übergehen müssen.

"Meinst du im Ernst, ich hätte auch nur eins meiner Kinder, wenn ich die Entscheidung meinem Mann überlassen hätte?"

Über all diese Argumente kann meine Nachbarin nur lachen. Sie hat sechs Kinder, alle sind längst aus dem Haus. Manchmal ist ihr langweilig, dann kommt sie zu mir und Anne rüber, und wir quatschen. "Meinst du im Ernst, ich hätte auch nur eins meiner Kinder, wenn ich die Entscheidung meinem Mann überlassen hätte?", hat sie neulich gesagt. "Er hätte jedes Mal Nein gesagt, dabei liebt er sie alle abgöttisch." Sie hat ihm einfach die Verantwortung für die Verhütung überlassen – und dabei ist eine Großfamilie rausgekommen. Schuldgefühle hatte sie nie: "Kommt doch in den besten Familien vor", sagt sie. Das stimmt wohl. Aber meine Familie soll ein solides Fundament haben. Und dazu gehört Vertrauen – nicht Verrat. Wenn ich plötzlich schwanger wäre, würde Matthias mich nicht im Stich lassen. So ein Mann ist er nicht, sonst wäre ich nicht mit ihm zusammen.

Ich kann mich auf ihn verlassen. Und er soll sich auch ganz fest auf mich verlassen können. Deswegen will ich auch nicht einfach heimlich die Pille absetzen.

Neulich habe ich geträumt, ich hätte es doch getan und das zweite Kind bekommen. Ich stand auf einer grünen Wiese, das nackte Baby im Arm, sein Mund groß wie ein Silo, es schrie. Matthias stand neben mir. "Du wolltest es doch so!", sagte er. Mein Mann nahm mir das Baby nicht ab.

Wäre ich wirklich schwanger, Matthias würde mich nicht zur Abtreibung drängen. Das hat er mir neulich gesagt, als ich mal wieder vom zweiten Kind angefangen habe. Er würde wollen, dass das Kind auf die Welt kommt. Aber nicht aus vollem Herzen und weil er es sich gewünscht hat, wie es bei Anne war. Es wäre für mich. Das klingt erst mal freundlich, aber er war genervt, als er das gesagt hat. Und er schiebt mir damit den Schwarzen Peter zu.

Was, wenn es ein Schreibaby ist wie in meinem Traum? Wenn Matthias wirklich zusammenklappt? Oder es nicht ihm, sondern mir zu viel wird? Du wolltest es doch! Ich glaube nicht, dass er das sagen würde. Aber der Satz wäre immer da, in mir. Genauso wie die Sehnsucht, die mich fast zerreißt. Was soll ich nur tun? Mit meinen Argumenten komme ich nicht weiter. Bisher haben wir uns immer geeinigt, immer so lange geredet, bis wir einen Kompromiss gefunden hatten, mit dem wir beide leben konnten.

Aber wie soll das jetzt gehen, bei diesem Dilemma? Es gibt nun mal kein halbes Kind.

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© Brigitteonline

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Ein Artikel aus BRIGITTE MOM, Heft 1/2014 Protokoll: Madlen Ottenschläger

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