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Kontrollverlust in der Schwangerschaft: Wenn dein Körper nicht mehr dir gehört

Schwanger: Wenn dein Körper nicht mehr dir gehört
© Gajus / Shutterstock
Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Katrin, ich bin 30 Jahre alt und schwanger mit meinem Wunschbaby. Immer wieder lese ich von Frauen, die ihre Schwangerschaft spitze finden. Das sehe ich ganz anders.

Es gibt sie, diese Frauen, die von ihrer Schwangerschaft schwärmen: Die wachsenden Brüste, die Gratulationen von allen Seiten, das Wissen, dass der eigene Körper gerade ein eigenständiges Wesen produziert.

Grundsätzlich gebe ich diesen werdenden Müttern ja recht: Schwanger zu sein ist echt faszinierend, wenn man sich mal hinsetzt und realisiert, dass der eigene Körper gerade einen kleinen, neuen Menschen produziert. Man stelle sich das mal vor! Ein winziges Spermium trifft auf eine Eizelle und es entsteht ein Zellhäufchen, das zu einem Menschen (!) wird!

Es bilden sich Organe, Arme und Beine, Ohren und Augen, die im sechsten Schwangerschaftsmonat sogar auf Licht und Geräusche reagieren. Das Wesen im eigenen Bauch hat also schon eine Art Bewusstsein, wenn man so will. Und ab dem neunten Schwangerschaftsmonat ist es beinahe vollständig ausgebildet und wäre sogar schon überlebensfähig, wenn es jetzt auf die Welt kommen würde. Überwältigend!

Kontrollverlust über seinen Körper

Doch diese Sichtweise ist nur eine Seite der Medaille. Da gibt es nämlich noch eine andere, eine beunruhigende Perspektive auf das Schwangersein: Der eigene Körper gerät außer Kontrolle, er gehört nicht mehr dir (allein).

Wenn ich an das erste Trimester denke, erinnere ich mich an eine Achterbahn der Gefühle. Auf der einen Seite diese unfassbare Freude über das Babyglück. Auf der anderen Seite beginnt im ersten Trimester auch der Kontrollverlust über den eigenen Körper: die unendliche Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen – und das seltsamerweise gepaart mit diversen Essensgelüsten.

Jetzt kann man natürlich einwenden, dass man bei einer Grippe auch Übelkeit & Co. verspürt. Mag ja sein. Allerdings kann man sich als Nicht-Schwangere mit Medikamenten und literweise Kaffee wieder aufpeppeln – mit einem wachsenden Baby im Bauch ist das jedoch weniger empfehlenswert. Es bleibt nur eine Lösung übrig: Augen zu und durch!

Das Zellhäufchen saugt dich aus

Ich habe in jener Phase gute drei Wochen in Bett und Couch verbracht. Mein Kopf sagte: "Katrin, jetzt reiß dich mal zusammen, du bist schwanger und nicht krank!" (steht übrigens – kein Witz! – in jedem offiziellen Mutterpass drin: "Schwangerschaft und Geburt sind natürliche Vorgänge und stellen keine Krankheit dar."). Ich ging für eine Viertelstunde mit meinen Hunden um den Block und habe mich anschließend gefühlt, als hätte ich gerade eine durchzechte, schlaflose Nacht hinter mir. Obwohl mein Schlafpensum zu dieser Zeit etwa bei neun bis zehn Stunden lag. Allein nachts. Die vormittaglichen und nachmittaglichen obligatiorischen Nickerchen nicht mitgezählt.

Kurz gesagt: Das winzige Zellhäufchen in meiner Gebärmutter hat sich aus meinem Körper gesaugt, was es brauchte. Es hat mich ausgebeutet. Und ich war ihm machtlos ausgeliefert. Und dann hörte es irgendwann auf. So plötzlich wie es angefangen hat, so plötzlich war es auch wieder aus der Welt. Das erste Trimester war um. Halleluja!

Wie eine ungemolkene Kuh

Das zweite Trimester wird nun häufig gehypt, weil es in der Regel ohne größere Beschwerden verläuft. Ja, dem ist so. Übelkeit und Müdigkeit scheinen vollends verschwunden zu sein. Man fühlt sich wie unschwanger und ist ganz überrascht, wenn die Mitmenschen einen ständig fragen, wie es einem geht, weil man hin und wieder beinahe vergisst, dass man schwanger ist. Der reguläre Alltag verläuft wie üblich, die Schwangerschaft gerät schon beinahe in den Hintergrund.

Ein Grund zur unbändigen Freude ist es dennoch nicht. Denn jetzt lebt man in diesem Paradoxon von "Normalität" und Verboten. Im Restaurant verkneift man sich den Wein zum Essen und verzichtet auf Sushi. Gleichzeitig muss man sich an zusätzliche Lasten gewöhnen: Brüste und Bauch wachsen und wachsen und wachsen ... ein Ende ist nicht in Sicht.

Ich gebe zu, ich fand es zu Beginn ganz toll, als ich eine Körbchengröße dazugewonnen habe. Jetzt nervt es nur noch. Es fühlt sich irgendwie unecht an (nicht auszumalen, wie sich Frauen mit Silikon-Busen fühlen müssen!), denn ich habe mich an meine durchschnittsgroße Brust in den letzten 15 Jahren gewöhnt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ich fühle mich langsam wie eine ungemolkene Kuh. Dabei bin ich noch nicht einmal im dritten Trimester angelangt.

Ich musste auch grinsen. Dann war ich kurz wütend. Und dann traurig. Nicht witzig.

Ganz zu schweigen von dem ewigen Ziehen und Ziepen im Unterleib, dem plötzlichen Dehnen und Zwicken, das man als Erstschwangere gar nicht richtig zuordnen kann und das einen verunsichert. War das jetzt natürlich und normal? Oder stimmt was mit meinem Baby nicht? Es folgen sorgenvolle Gedanken bis zum allmonatlichen Gynäkologen-Besuch, bei dem mein durchaus kompetenter, allerdings sehr wortkarger Arzt immer nur sagt: "Das ist natürlich. Noch was?"

Bleibt noch der psychische Aspekt zu beleuchten. Ja, man wird emotionaler. Für einen ohnehin emotionalen Menschen wie mich, gleichen die Emotionen in der Schwangerschaft denen eines Kleinkindes: Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt ist alles dabei. Und das beizeiten innerhalb weniger Minuten. Kürzlich sagte ich zu meinem Freund: "Oh mein Gott, ich will mir gar nicht ausmalen, wie das im dritten Trimester wird. Das wird hart für mich." Seine Antwort: "Und für mich erst!" Grinsend nahm er mich in seine Arme. Kurz musste ich auch grinsen. Dann war ich kurz wütend. Und dann traurig. Nicht witzig.

Schwangerschaft nervt!

Ich will mit diesem Erfahrungsbericht ja keine Frau davon abschrecken, Kinder zu bekommen. Ich will nur sagen, wie Schwangerschaft auch ist: nervig. Für Frauen, die ihr Leben, ihren Körper gerne unter Kontrolle haben, kann das Schwangersein eine große Herausforderung darstellen. Man fühlt sich nicht selten machtlos, hilflos ... und nicht wie eine erwachsene, werdende Mutter, sondern eher wie das Kind, auf das man wartet: ungeduldig, miesepetrig, von Gefühlen und Gelüsten gesteuert.

Es ist ja nicht so, dass ich meine Schwangerschaft auch nur einen Augenblick bereuen würde. Es ist ein absolutes Wunschbaby. Ich hätte allerdings auch nix dagegen, die Schwangerschaftszeit im Schnelldurchlauf zu durchleben und kann es kaum erwarten, meinen Sohn endlich im Arm zu halten. Zum einen deshalb, weil es ein unglaubliches, einmaliges Gefühl sein muss. Zum anderen aber auch, weil er dann aus mir raus ist. Und mein Körper wieder mir gehört ...

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