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"Mama, was heisst eigentlich arroganter Lackaffe?"

Zwei Familien, ein Ferienhaus: Wie aus ziemlich besten Freunden in einer Urlaubswoche plötzlich nicht mehr so gute Freunde wurden. Lesen Sie hier unsere etwas andere Reise-Reportage, für die wir sogar einen Preis bekommen haben (hurra!).

Familie AAngela: Mutter von Familie A, ehemals beste Freundin von Steffi. Arne: Hat das Haus für den gemeinsamen Familienurlaub ausgewählt. Leo: Einziger Junge und mit fast 7 der Älteste (und Lauteste) bei den Kindern. Anna: 4, beste Freundin von Lilo - auch nach den gemeinsamen Ferien.

Familie BSteffi: Mutter von Familie B, ehemals beste Freundin von Angela. Daniel: Hätte ein Haus gewählt, das ein wenig windgeschützter liegt. Lucie: Anführerin der Mädchen, 6 1/2, wäre auch gern die Lauteste. Lilo: 3, beste Freundin von Anna - auch nach den gemeinsamen Ferien.

1. Tag: Die Anreise

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Angela: "Wann sind wir endlich da?" Ich sage zum 2131. Mal: "Bald!" Diesmal stimmt's. Noch 20 Minuten bis zu unserem Ferienhaus in Frankreich. In den Hügeln über Gigaro mit Blick aufs Meer, nicht weit von St. Tropez. Leo, 6, und Anna, 4, wollen noch 'ne Pause. "Nix da", sage ich, "jetzt haltet ihr durch." Es wird eng, die anderen sind schon im Anflug. Die anderen, das sind unsere Freunde Steffi und Daniel mit ihren Töchtern Lucie, 6, und Lilo, 3. Wir wollen eine Woche lang gemeinsam Urlaub machen in diesem Haus - und jetzt geht's um die Zimmerverteilung. Wer zuerst da ist, wählt zuerst, so der Plan. Noch zehn Minuten bis zum Ziel. Leo kotzt hinten die Rückbank voll.

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Steffi: "Nee, wir fliegen lieber", hab ich gesagt. In der Luft war auch noch alles gut, aber bei der Autovermietung haben sie die vorbestellten Kindersitze nicht. Die müssen wir - mit Kindern, aber ohne Sitze - in einer anderen Filiale abholen. Keine Lust, mich ins fremde Navi einzufuchsen. Verfahr mich total. Habe Nervenzusammbruch. Die anderen sind garantiert schon da und die besten Zimmer weg. SMS von Angela: "Leo hat gerade ins Auto gekotzt." Fühle mich gleich viel besser.

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Angela: Schön, dass endlich alle da sind. Beim Ausladen versperrt Steffi mit ihren Mädchen und allem Krempel die Tür: "Wir gucken uns eine Schnecke an!" Jetzt müssen wir uns nur noch aufeinander eingrooven, einen gemeinsamen Rhythmus finden, die Erziehungsstile kalibrieren. Dann können wir ganz entspannt auf der Terrasse sitzen (weil die Kinder ja miteinander spielen) und kühlen Rosé trinken bis tief in die Nacht (weil die Kinder ja friedlich in einem Zimmer schlafen und keiner den Babysitter auslösen muss).

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Arne: Dachte, wir trinken heute Abend noch was, wenigstens zur Begrüßung. Aber Angela und Daniel haben sich beim Insbettbringen zu den Kleinen unten in die Doppelstockbetten gelegt und sind beide sofort eingeschlafen. Da schnarchen sie nun verkrümmt um die Wette. Steffi sagt: "Dann leg ich mich auch mal hin." Sehr gesellig.

2. Tag: Das Pool-Desaster

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Steffi: War ja klar, dass Lilo, 3, nicht mit den anderen durchschläft. Morgens um sieben krakeelt sie in unserem Bett rum. Bin so müde. Und einfach neidisch auf alle, die noch pennen (Daniel!). Fahre mit Lilo Croissants holen, damit sie nicht das ganze Haus aufweckt. Als wir zurückkommen, schlafen die andern immer noch. Dafür will ich heute aber auf den malerischen Wochenmarkt. Mit Angela. Ohne Kinder.

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Arne: Bleibe mit Daniel und den Kindern zurück. Sind uns einig, dass sich die Frauen auch zu Hause prinzipiell mehr einbringen könnten, was Kinder und Küche anbelangt. Die Solidarität tut kurz gut, bröckelt aber am Pool. Leo, 6, will nicht ins Wasser, zu kalt, und er hat verdammt noch mal recht. Aber Lucie, 6, springt rein, als wär's 'ne Badewanne, und schwimmt meinem Kleinen was vor. Leo sitzt heulend am Beckenrand. Daniel hat Lucie garantiert seit einem Jahr auf genau diesen Tag hintrainiert. Dränge auf zügiges Verlassen des Pool-Bereichs. Habe den Verdacht, dass die Frauen irgendwo Kaffee trinken.

3. Tag: Die Opfer-Konkurrenz

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Steffi: Der Markt war ja schön, aber heute müssen wir richtig einkaufen. Machen Angela und ich, kein Problem. Beim Frühstück Diskussion mit den Männern, was das größere Opfer ist: mit den zwei Kleinen in den größten Supermarkt der Côte d'Azur oder mit den Großen auf Küstenwanderung durchs herrliche Naturschutzgebiet? Treffen erst zum Mittagessen im Strandrestaurant wieder aufeinander. Ein falscher Eindruck entsteht, weil wir Frauen mit den Kleinen schon freudig vor einem Berg Muscheln in Weißwein sitzen, während die Wandergruppe ausgedörrt daherschleicht.

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Arne: Muss dringend das vollgekotzte Auto sauber machen. Und den Elektrogrill aufbauen. Warum sind die Gebrauchsanweisungen überall auf der Welt in 20 Sprachen gehalten, mehrere asiatische eingeschlossen, nur in Frankreich nicht? Also, wenn einer hier die Opfer-Konkurrenz gewonnen hat, bin ja wohl ich das.

4. Tag: Der Strandausflug

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Angela: Sage beim Frühstück: "Eigentlich reicht das doch, wenn heute mal nur EIN Erwachsener mit den Kindern runter zum Strand geht... " Die anderen sind spontan begeistert und bedanken sich vorschnell. Merke, dass ich einen großen Fehler gemacht habe. Komme aus der Nummer nicht mehr raus. Steffi verschanzt sich sofort im Mietauto, um sich mal in Ruhe "ums Navi zu kümmern". Daniel sagt, "endlich Zeit zum Lesen", und schnappt sich "Unendlicher Spaß" von David Foster Wallace, das er wegen seiner 1648 Seiten angeblich schon seit drei Jahren mit in den Urlaub nimmt. Arne bietet wenigstens noch Hilfe beim Packen an, weil keins der Kinder seine Badesachen findet. Bin schon beleidigt und lehne ab. Fühle mich missverstanden und ausgenutzt. Unten am Meer fragen die Kinder nach einer Minute: "Und was sollen wir heute am Strand machen?" Stelle mich auf lange, betreuungsintensive Stunden ein. Schwitze. Kann nicht ins Wasser, weil ein Erwachsener ja alle Kinder und Wertsachen im Blick haben muss. Kann aus dem gleichen Grund weder lesen, heulen noch aufs Klo gehen. Halte drei Stunden durch, bis ein garstiger Wind den Sonnenschirm wegweht. Versuche, Hilfe/Ablösung/Verstärkung zu ordern. Handy-Tastatur wegen Sandsturm nicht mehr benutzbar.

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Daniel, Steffi, Arne: So ein gemeinsamer Urlaub ist doch eine feine Sache. Die Ruhe, wegen der man ja eigentlich wegfährt, war heute plötzlich da. Ein magischer Moment, wenn man weiß, dass man so richtig in den Ferien angekommen ist. Nur Angela ist irgendwie noch total unentspannt. Kam mit den Kindern gleich wieder vom Strand zurück. Bloß wegen ein bisschen Wind. Wirkte gereizt.

5. Tag: Die Stadtbesichtigung

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Arne: Ich wär ja auch mal mit den Kindern runter zum Strand, kein Problem, aber heute ist es nun wirklich zu kalt und zu windig. Beim Frühstück denken wir gemeinsam über einen Stadtausflug nach St. Tropez nach. Lucie, 6, fragt: "Warum sind wir eigentlich nicht wie sonst nach Mallorca gefahren, da ist es doch immer warm?" Ihr Vater will ablenken, lobt scheinheilig unsere schöne Sicht aufs Meer und erzählt dann irgendwas vom Mistral, vor dem wir hier oben eben ganz schlecht geschützt seien. Niemand sagt was, aber ich weiß, dass sie es alle denken: Arne hat dieses Haus ausgesucht. Es gibt keine Dankbarkeit mehr in dieser Welt.

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Angela: Einer trödelt immer, wenn man mit acht Leuten unterwegs ist. Aber muss es ausgerechnet der eigene Mann sein? Steffi will schon seit einer Stunde los. Das macht mich nervös. Stöbere Arne in einer Ecke auf, wo er, aus was für Gründen auch immer, schmollt. Und gleich aggressiv wird: "Fährt jetzt der Bus ab, oder was?"

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Steffi: Alle Kinder wollen bei mir einsteigen und nicht in Arnes Auto, das nach dem Putzen zwar nach Duftbaum riecht, aber die Kopfnote ist immer noch Kotze. Biete Arne an, auch sein Navi zu programmieren, damit wir aus unseren Bergen rausfinden und irgendwann mal in dieses St. Tropez kommen. Arne sagt: "Danke, ich fahre nach Karte." Arroganter Lackaffe. Habe auf der Fahrt seit Langem endlich mal wieder ein intensives Paargespräch mit Daniel, der auch gemerkt hat, dass bei Angela und Arne echt dicke Luft ist: "Bei denen ist ja ganz schön der Wurm drin." Bin ganz begeistert von seinem langen Wortbeitrag. Unterhalten uns so gut wie schon ewig nicht mehr über Gefühle und Beziehungen. Lege ihm dar, wie ich die Situation zwischen den beiden einschätze, er versteht mich sofort und sieht alles ganz genauso. Vergessen dabei ganz, dass Anna, 4, hinten mit im Auto sitzt.

Daniel: St. Tropez war schön. Hätte nie gedacht, dass man mit vier Kindern so entspannt in einer Crêperie sitzen kann. Nur als Anna plötzlich gefragt hat: "Mama, was heißt eigentlich arroganter Lackaffe?", das war echt peinlich. Überlege, was Steffi auf der Fahrt die ganze Zeit noch so alles erzählt hat. Hab aber gar nicht so genau zugehört.

6. Tag: Der Lagerkoller-Regentag

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Angela: Jetzt regnet's auch noch. Komme den Kindern mit nützlicher Erlebnispädagogik und drücke ihnen den Besen in die Hand. Schließlich muss hier ja irgendwer auch mal an die Endreinigung denken.

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Steffi: War mir gleich klar, dass das mit dem Besen keine gute Idee ist. Immer dieser Irrglaube, gerade im Urlaub: mehr Kinder, mehr Entlastung. Dabei wird alles doch nur komplizierter: Vier Kinder wollen natürlich vier Besen. Wir haben aber nur einen. Von allem braucht man mehr. Und beim Streit potenziert sich dann das Geschrei. Auch ohne Streit ist der Lärm schon infernalisch. Mir ist klar, dass Leo hier der einzige Junge ist - aber muss er ständig die Mädchen erschrecken, bis die heulen? Und kann nicht einer seiner Eltern verdammt noch mal was sagen? Ich kann ja nicht, dann wären wir sofort geschiedene Leute. Angela hat schon so komisch geschaut, als ich bloß den Kopf geschüttelt habe. Fresse Ärger in mich rein. Stimmt schon, was die Amis sagen: "Kids are like farts, you don't mind your own but other people's are unbearable."

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Angela: Steffi verkraftet echt nix. Mädchenmutter. Leo will doch nur spielen. Und ja: Er kickt die ganze Zeit irgendwas in der Gegend rum, so sind Jungs nun mal. Und ja: Er hat sich die sündhaft teure Foie gras, die Steffi als Delikatesse nach Deutschland mitnehmen wollte, fingerdick aufs Brot geschmiert, als er allein am Kühlschrank war. Dachte halt, das sei Leberwurst. Deswegen muss man sich doch nicht so aufregen. Okay, gesagt hat sie nichts, aber gedacht. Hab ich genau gesehen. Sie will, dass ich ihn ordentlich in den Senkel stelle. Sage erst recht nichts und lasse Leo weiter im Haus rumkicken, obwohl mich das selber wahnsinnig nervt. Fresse Ärger in mich rein. Nehme den Mädchen den Besen weg. Fege selbst.

7. Tag: Die Endreinigung

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Angela: Endreinigung bleibt, wie zu erwarten, an mir hängen. Die anderen müssen gleich nach dem Frühstück zum Flughafen. Werden gerade mal so mit dem Packen fertig. Säuseln die ganze Zeit: "Tut uns echt total leid, dass wir dir da jetzt gar nicht mehr helfen können, aber ist doch auch eigentlich alles ganz sauber, oder?" Und das in Stereo. Kann's echt nicht mehr hören. Bin ich froh, wenn die weg sind. Weiß jetzt wieder, warum man ohne Kinder auch nicht ohne Not gemeinsam mit anderen Urlaub macht...

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Arne: Sage nach dem Abwinken kurz zu Angela, die gerade die Klos putzt: "Bei denen ist auch ganz schön der Wurm drin." Das muntert sie auf.

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Angela:...andererseits rückt man als Paar auch wieder enger zusammen. Unterhalte mich mit Arne so gut wie schon ewig nicht mehr über Gefühle und Beziehungen. Lege ihm dar, wie ich die Situation zwischen Steffi und Daniel einschätze, er versteht mich sofort und sieht alles ganz genauso. Und dann weiß man nach so einem gemeinsamen Urlaub ja auch wieder, was man an den eigenen Kindern hat.

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Arne: Kinder sind beim Packen nicht kooperativ, sondern extrem nervig, weil sie ohne Lucie und Lilo nur noch halb so viel Spaß haben. Muss Daniel unbedingt fragen, ob sie für den nächsten Sommer eigentlich schon was geplant haben.

Hurra, ein Medienpreis für BRIGITTE MOM!

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Unsere Ferienhaus-Geschichte hat der Jury des HomeAway-Medienpreises so gut gefallen, dass sie sie mit dem ersten Platz ausgezeichnet hat: "Ihre augenzwinkernde Reportage hat uns ein Schmunzeln ins Gesicht gezaubert", sagte Tobias Wann, Vice President Central Europe von HomeAway (2. von links) bei der Preisverleihung in Hamburg. Das zaubert wiederum uns ein Schmunzeln (und mehr) ins Gesicht – wir freuen uns riesig über die Auszeichnung!

In der brandneuen MOM, die am 4. März erscheint, macht übrigens eine Familie mit zwei Kindern ihren Traum wahr und reist ein Jahr lang um die Welt – obwohl der große Sohn schon zur Schule geht!

Fotos: Christina Körte Text: Angela Wittmann, Arne Schenk, Stefanie Hentschel, Daniel Wiese BRIGITTE MOM 02/2012

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