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Wie war dein Tag, mein Kind? - Gut.

Wie war dein Tag, mein Kind? - Gut.
© inkje/photocase.de
MOM-Autorin Alena Schröder hat zwei Söhne (7 und 4) und redet sich den Mund fusselig. Doch die Antworten, die sie bekommt, sind im besten Falle einsilbig. Diesmal will sie sich mit "gut" nicht zufriedengeben.

"Hallo, mein Schatz! Komm rein. Nimm mal den Schulranzen ab, zieh die Schuhe aus und setz dich mal hier zu Mama an den Küchentisch. Komm, ich mach dir einen Kakao, und wir quatschen ein bisschen. Bin ja schon so gespannt. Also, erzähl: Wie war's heute in der Schule?"

"GUT."

"Erzähl mal, was hast du denn gelernt?"

"NIX."

"Na komm, irgendwas werdet ihr ja gelernt haben. Sag doch mal, hattet ihr Mathe? Oder Deutsch? Gab es neue Arbeitsblätter? Habt ihr was gemalt?"

"JA."

"Toll, du malst doch so gern. Finde ich prima, dass ihr nicht die ganze Zeit nur lesen und rechnen müsst, sondern auch mal was Kreatives macht. Was habt ihr denn gemalt?"

"NIX BESONDERES."

"Nichts Besonderes? Das glaube ich nicht, ich finde alle deine Bilder toll. Und besonders. Wirklich. Musstest du denn heute dein Gedicht aufsagen?"

"JA."

"Ja, toll, das ist doch klasse. Und wie war das für dich?"

"GUT."

"Warst du aufgeregt? Also, ich war ja immer total aufgeregt, wenn ich früher was vor der Klasse sagen musste. Ich hatte richtig Angst. Aber du hast keine Angst, oder, Schatz? Erzähl mal, warst du nervös? Hast du ein bisschen Lampenfieber gehabt?"

"NÖ."

"Und was hat die Lehrerin dazu gesagt, zu deinem Vortrag?"

"NIX."

"Nichts? Das kann ich mir nicht vorstellen. Die muss doch gesagt haben, ob alles richtig war. Ob du das gut gemacht hast. Also, ich wette, du hast das ganz toll gemacht, das denkt Frau Fischer sicher auch, da bin ich ganz sicher. Beim letzten Elterngespräch hat sie mir erzählt, wie toll du immer mitmachst. Jetzt sag doch mal, was hat sie denn zu dir gesagt, als du das Gedicht aufgesagt hast?"

"NIX."

"Und die anderen? Haben die was gesagt? Mussten die auch das Gedicht aufsagen?"

"NÖ."

"Echt? Du warst der Einzige? Das ist ja ungewöhnlich. Wieso musstest nur du das Gedicht aufsagen? Waren die anderen alle schon dran?"

"JA."

"Und du bist als Allerletzter drangekommen? Wieso das denn?"

"WEISS NICHT."

"Na, das ist ja schon merkwürdig, dass du als Letzter drankommst und dann sagt die Frau Fischer nicht mal was dazu. Muss ich beim nächsten Elterngespräch doch mal nachfragen, was das zu bedeuten hat. Meldest du dich denn auch immer?"

"KLAR."

"Und trotzdem kommst du nicht dran oder was?"

"DOCH."

"Okay, lassen wir das. Wie war denn das Mittagessen heute?"

"GUT."

"Und was gab's? Hast du diesmal wieder nur die Beilagen gegessen oder auch was von dem Fleisch? Ich kann ja verstehen, dass das Essen nicht so schmeckt wie zu Hause, aber es ist schon wichtig, dass du was Richtiges im Magen hast und nicht immer nur Nudeln ohne Soße oder Kartoffeln ohne alles isst. Verstehst du, Schatz?"

"JA."

"Und neben wem sitzt du dann beim Essen?"

"LEON."

"Ah, Leon. Und, ist der nett? Ist das dein Freund? Wollen wir den mal nachmittags einladen?"

"NÖ."

"Also ist der Leon nicht dein Freund? Ärgert der dich?"

"MANCHMAL."

"Und was sagst du dann?"

"NIX."

"Aber du musst schon was sagen, Schatz. Wenn der dich ärgert. Dann musst du dich wehren. Dann sagst du dem Leon: Lass das, du ..."

"... ARSCHLOCH!"

"Nein, Schatz, Arschloch sagt man nicht, das weißt du ganz genau. Sag ihm einfach, er soll aufhören, dich zu ärgern, das reicht. Was sagt denn die Frau Fischer, wenn Leon dich ärgert?"

"NIX."

"Wie, nichts? Da muss die doch was sagen, das kann die ja nicht einfach so geschehen lassen. Redet ihr im Unterricht manchmal über Mobbing? Weißt du, was das ist?"

"JA."

"Und hast du das Gefühl, dass die anderen dich vielleicht mobben?"

"NÖ."

"Ja, und der Leon? Was ist mit dem? Ist der bei euch in der Klasse der Chef oder was? Darf der sich alles erlauben?"

"NÖ."

"Ah, okay, und ärgert der nur dich oder auch andere Kinder? Oder tut ihr euch zusammen? Es ist immer gut, wenn man sich gemeinsam gegen etwas wehrt, weißt du? Wenn man Verbündete hat. Also, erzähl mal, helfen dir die anderen Kinder, wenn Leon dich ärgert?"

"JA-HA."

"Jetzt sei doch nicht so genervt, ich mach mir halt Sorgen. Hör mal, du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn dich etwas bedrückt. Ja, mein Schatz? Jetzt roll nicht mit den Augen, ich meine das ernst. Ich kann ja auch mal mit Leons Mama sprechen."

"NEE!"

"Warum denn nicht? Ich will nicht, dass du vielleicht nicht gern zur Schule gehst oder Angst hast vor der Mittagspause, weil irgend so ein kleines Arschloch dich ärgert. Das kann ich der Mutter vom Leon ruhig mal sagen, Schatz. Oder ist dir das peinlich?"

"JA."

"Okay, dann eben nicht. Aber du musst mir versprechen, dass du dich nicht ärgern lässt. Halte dich doch an Elias, den kennst du doch noch vom Kinderschwimmkurs, der ist doch nett, oder?"

"PFFF."

"Na komm, früher mochtest du den. Und da sind doch bestimmt noch ein paar andere nette Kinder in der Klasse. Was macht ihr denn immer so in der Pause?"

"SPIELEN."

"Und was genau? Erzähl doch mal. Spielt ihr Verstecken? Oder Fangen?"

"NEE."

"Also, ich habe ja früher immer Gummitwist gespielt. Spielt man das heute noch? Gummitwist? Oder ist das total out? Was spielt ihr denn genau, wenn ihr nicht Fangen und nicht Verstecken spielt? Fußball? Oder Völkerball?"

"QUETSCHEN."

"Aha. Klingt ja interessant, hab ich noch nie gehört. Wie genau funktioniert das? Legt ihr euch alle auf einen Haufen und wer ganz unten liegt, wird zerquetscht oder was?"

"JA."

"Aha, das klingt aber gar nicht lustig, das tut doch weh. Erlauben das die Lehrer? Gibt es da keine Pausenaufsicht, die so was unterbindet, so ein gewalttätiges Spiel? Ich meine, macht das wirklich Spaß? Wie findest du das denn?"

"GUT."

"Und wer muss unten liegen?"

"LEON."

Text: Alena Schröder Ein Artikel aus BRIGITTE MOM 02/2015

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