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Hilfe Man stehe mir bei! – Mein Kind ist zum ersten Mal verliebt…

Hilfe: Man stehe mir bei! – Mein Kind ist zum ersten Mal verliebt…
© Quelle: Getty Images
Die erste große Liebe... hach, war das schön. Also, die eigene. Wenn aber plötzlich dein Kind vor dir steht und dir die Liebe seines Lebens vorstellt, dann klingt Jugendliebe plötzlich gar nicht mehr "niedlich", sondern ganz deutlich nach "HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH, DU BIST ALT!"
von Marie Stadler

"Bist du nicht gerade erst geboren?". Ich starre mein Kind an und fasse mir zur Vergewisserung an meinen Bauch. Jupp, der wabbelt eindeutig noch. Kann also nicht so lang her sein, das mit dem Brüten. "Alter, jetzt wirst du peinlich", flüstert meine Tochter beschämt und schlingt ihren Arm noch etwas fester um den Teenie, den sie mir gerade ohne Vorwarnung ins Haus gebracht und als ihren festen Freund vorgestellt hat. Der Kerl ist maximal 16 und findet es offensichtlich notwendig, im Herbst auch drinnen eine Sonnenbrille zu tragen. Vielleicht ist er verwandt mit Heino. Ich sehe mich vor meinem inneren Auge mit Heino auf der Hochzeit meines Kindes einen Discofox tanzen. Der Junge streckt mir zögerlich die Hand entgegen. "Moin", sagt er, ohne dabei seine neue Freundin / meine Tochter loszulassen. Da stehe ich also, völlig unvorbereitet in meinem ersten Schwiegermutter-Moment und habe schon versagt. Ich bin wirklich peinlich. Hab ihn nicht mal ordentlich gegrüßt. Und das Schlimmste: Ich fühle mich zwanzig Jahre älter als noch vor zehn Minuten.

Muss ich das?

Wenn man den ersten Moment verpatzt, dann ist das ja gerade noch entschuldbar. Aber danach sollte es laufen. Ich sollte cool sein. Keine Fragen stellen. Den Fremden namens Roger als Familienmitglied in der Sippe aufnehmen. So tun, als wäre die ewige Liebe besiegelt und ich total entspannt. Stattdessen liege ich nachts wach und frage mich, ob ich die Sache mit der Aufklärung ernst genug genommen habe. Hätte ich ihr ein BRAVO-Abo schenken sollen? Und muss ich ihr erlauben, bei Roger zu schlafen, um ihr zu zeigen, dass ich ihr vertraue? Darf ich sagen, dass ich seine Eltern jetzt nicht unbedingt kennenlernen will, weil die erste Liebe erfahrungsgemäß nicht besonders lange hält, ich diese Elternzusammenkunft eine ganz peinliche Vorstellung finde und ich bestimmt einen Sekt dazu bräuchte, der mich wiederum dazu verleiten könnte, darüber zu diskutieren, wie man sein Kind "Roger" nennen kann?

Ich will nicht Oma sein

Ich nehme mir trotzdem vor, cool zu bleiben. In meinen schlaflosen Nächten wiederhole ich mantramäßig in meinem Kopf: "Sie muss ihre eigenen Erfahrungen machen. Sie darf Fehler machen. Roger ist ein wunderschöner Name." Tagsüber ist Roger jetzt tatsächlich Mitglied der Sippe. Sogar ein ganz brauchbares, um genau zu sein, das brauchbarste. Er fragt, ob er helfen kann, bevor wir essen, er zieht im Flur die Schuhe aus, räumt ungefragt sein Geschirr in die Spülmaschine und erklärt meiner Tochter ihre Mathehausaufgaben. Wegen guter Führung habe ich erlaubt, dass Roger am Wochenende bei uns übernachten darf. "Wie gnädig", sagt meine Tochter verlässt mit den Augen rollend den Raum. "Als wenn wir es nicht auch tagsüber tun könnten." Roger grinst verschämt und trottet ihr hinterher. Ich schnappe nach Luft und sehe vor meinem inneren Auge ein Heino-Baby mit Sonnenbrille und "I love Granny"-Strampler auf meinem Arm. "Ich werd aber nicht babysitten!", rufe ich den beiden wütend hinterher und weiß, dass ich jetzt endgültig den Uncool-Oscar gewonnen hab für die schlechteste Performance aller Zeiten.

Wo zum Teufel ist Roger, wenn man ihn braucht???

Und dann ist Roger plötzlich weg. "Hat halt nicht gepasst", sagt meine Tochter mit müden Augen und latscht mit Schuhen ins Wohnzimmer. "Kannste mir Mathe erklären?". Wir sitzen zwei Stunden über Aufgaben, die ich schon damals nicht verstanden habe. Am Ende schreien wir uns an, sie knallt die Tür und ich decke alleine den Tisch fürs Abendessen. "Und was hat nicht gepasst?", wage ich einen vorsichtigen Vorstoß, als sie sich wieder beruhigt hat. "Er war halt einfach ein Arsch", sagt sie und beginnt zu schluchzen. Ich will ihr sagen, dass er das ganz sicher nicht war. Dass er ein ganz feiner Kerl war, dass ich meinetwegen auch ihr Heino-Baby hüte und dass sie ihn zurückholen soll. Sofort. Stattdessen tröste ich sie, nicke und sage: "Klar, ein Arsch. Stimmt. Und dieser Name! Pfff."

In dieser Nacht liege ich wieder lange wach. Habe sowas ähnliches wie Liebeskummer, vermisse das freche Grinsen, den vertrauten Klang seines furchtbaren Namens und die Sonnenbrille. Mir wird klar, was die eigentliche Schwierigkeit daran ist, wenn sich die eigenen Kinder verlieben: Man muss genau dann loslassen, wenn sie es tun. Ohne Abschied. Ohne Erklärung. Ohne Vetorecht. Und ich werde niemals Discofox mit Heino tanzen. Das muss man halt auch erstmal verkraften.

Barbara

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