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Warum das Hier und Jetzt mit unseren Kindern so wichtig ist

Warum das Hier und Jetzt mit unseren Kindern so wichtig ist
© Mareen Fischinger/Westend61/Corbis
Manchmal beneidet Bloggerin Dajana die Frauen, die Zeit haben, in Ruhe einzukaufen, Dinner zu kochen oder Beine zu epilieren. Aber dann erinnert sie sich daran, dass etwas anderes viel wichtiger und schöner ist.

Meine Tochter, Mini-Chefin genannt, schläft gerade. Zuvor habe ich über eine Stunde versucht, sie zum Schlafen "zu bewegen". Versteht mich nicht falsch. Wenn sie nicht schlafen will, na, dann will sie eben nicht schlafen. Nur wenn sie dann mit allem unzufrieden ist, ja, dann ist es anstrengend. Auf meinem Arm. Doof. Im Stuhl. Doof. Im Laufgitter. Doof. Auf der Erde. Doof. Spielen. Doof. Kuscheln. Doof. Alles doof doof doof, weil müde müde müde.

Das sind diese Momente, wo ich denke "Oh mann, schlaf doch. Ich muss noch so viel machen. Aufräumen, Kisten packen, einen Artikel schreiben, Mails beantworten, Fotos machen und und und." In solchen Momenten denke ich dann immer an die anderen. Die anderen Menschen, die mir im Leben so begegnen. Ich beobachte nämlich gern andere Menschen. Nicht, um über sie zu lästern oder zu urteilen. Nein. Ich überlege mir dann immer, was sie für ein Leben führen.

Ich schlendere nicht - ich gehe im einseitigen Hinkeschritt

Letztens beim Einkaufen habe ich eine Frau gesehen. Schicke Frau. Groß mit dunklen, langen Haaren. Schick gestylt mit toller Handtasche ist sie da so gemütlich durch den "Globus" gewandert. Und ich habe mir so vorgestellt, was sie wohl für ein Leben führt.

Auf jeden Fall hat sie Zeit, um gemütlich einkaufen zu gehen. Guckt mal hier und guckt mal da. Lässt sich vom Angebot inspirieren und schlendert gemütlich durch den "Globus".

Ich dagegen schlendere nicht, sondern habe beim Einkaufen entweder den Stechschritt oder den einseitigen Hinkeschritt drauf. Den Stechschritt lege ich auf, wenn es schnell gehen muss, weil die Mini-Chefin in der Babyschale unruhig wird und der Mini-Chef laut durch den "Globus" ruft, dass er doch bitte eine dicke Wurst möchte. Wir hetzen also zum Wurschtstand.

Den Hinkeschritt nehme ich ein, wenn sich die Mini-Chefin trotz lautem Gesang meinerseits oder dem Geben diverser Einkaufsgüter nicht beruhigen lässt. Also nehme ich sie aus der Babyschale raus. Mit der linken Hand schiebe ich den Einkaufswagen mit dem Mini-Chef drin (ja das hat ordentlich Gewicht) und rechts trage ich die Mini-Chefin auf dem Arm, die jetzt zufrieden glucksend den Kopf in alle Richtungen dreht, da einkaufen ja sehr spannend ist. Und icke? Ick schiebe im Schweiße meines Angesichts den Wagen zur Kasse. Im Hinkeschritt.

Einkäufe auspacken? Keine Zeit

Die schicke Frau geht nach dem Bezahlen zu ihrem Auto und packt gemütlich die Einkäufe ein.

Icke schmeiße alles in den Kofferraum, denn die Mini-Chefin brüllt, da ich es gewagt habe, sie wieder in die Babyschale zu setzen und der Mini-Chef ist bockig, weil ich ihm verboten habe, das Brötchen im Auto zu essen.

Die schicke Frau fährt singend nach Hause. Sie singt laut bei ihrem Lieblingslied mit, das aus ihren Autoboxen dröhnt.

Icke singe auch. Allerdings singe ich "Feuerwehrmann Sam", "Guten Tag, ich bin der Nikolaus", "In der Weihnachtsbäckerei" oder "Alle Vögel sind schon da", da das die Lieder sind, die die Mini-Chefin am liebsten mag.

Zuhause angekommen packt die schicke Frau in aller Ruhe ihre Einkäufe aus und überlegt sich, was sie zum Abendessen kochen wird.

Icke packe die nächsten 30 Minuten gar nichts aus und lasse die Einkäufe unkontrolliert im Flur stehen, denn zuerst will die Mini-Chefin versorgt und danach der Mini-Chef bespaßt werden. Ist der Papa da, packt er aus. Ist er nicht da... ja, dann stehen die Einkäufe halt da so rum.

Vorspeise: Babybel. Hauptgang: Stulle. Nachtisch: Fruchtzwerg.

Die schicke Frau kocht dann ein schickes Drei-Gänge-Menü für sich und ihren Liebsten. Vorher geht sie noch ausgiebig duschen, epiliert sich die Beine, lackiert sich die Nägel (UND die Fußnägel) und wirft sich in das kleine Schwarze.

Icke, ja icke zaubere auch ein Drei-Gänge-Menü. Vorspeise Babybel. Hauptgang Stulle. Nachtisch Monte oder Fruchtzwerg. Geduscht und manikürt habe ich mich vorm Essen natürlich nicht. Ick kann mich ehrlich gesagt och nicht mehr erinnern, wann ich das letzte mal für all das ausgiebig Zeit hatte. Die Nägel lackiere ich zwischen Tür und Angel und oft haben sie keine Zeit zum Trocknen und ich ärgere mich. Geduscht wird nur maximal drei Minuten und epilieren. Ach epilieren wird überbewertet. Ist ja noch recht frisch draußen. Hält warm. ;-)

Nach dem Essen setzen sich die schicke Frau und ihr Liebster auf die Couch und überlegen welchen Blockbuster sie schauen wollen.

Icke gehe auch auf die Couch. Irgendwann. Wenn dann mal beide Kinder schlafen oder wieder schlafen oder überhaupt. Auf der Couch gucke ich aber keinen Blockbuster. Ich arbeite. Oder schlafe. Oder schaffe es, mich noch 30 Minuten wachzuhalten, bevor ich dann ins Bett gehe, um dann gleich wieder von einem der Kinder geweckt zu werden.

Am nächsten Morgen steht die schicke Frau nach neun Stunden Schlaf entspannt und ausgeruht auf.

Ich bin neidisch auf die Zeit, die die schicke Frau hat

Icke bin völlig übermüdet, da ich nachts viermal gestillt, einmal Wasser angereicht und dreimal den Nuckel gesucht habe. Einmal war ich auf Toilette, fünfmal habe ich meine Decke unter dem Mini Chef hervorgeholt, weil mir kalt war und zwei Mal hatte ich vom Mini Chef den Arm im Gesicht. Oder gern auch den Fuß.

In solchen müden und völlig ausgepowerten Momenten denke ich an diese schicke Frau. Und dann bin ich kurz neidisch. Ich bin neidisch auf ihre Zeit. Zeit, die sie nur für sich hat. Ich habe kaum noch Zeit für mich, denn ich bin damit beschäftigt mich um die Kinder zu kümmern, aufzuräumen, Essen zu kochen, zu singen, zu spielen, zu schlichten, zu beruhigen und zu trösten. Ich verbringe meine Zeit damit, meine Kinder glücklich und zufrieden zu machen. Und dann bin ich kurz neidisch.

Ich habe auch Zeit - die Zeit meines Lebens!

Und dann, dann höre ich wie der Mini-Chef lachend ruft "Mamaaaaaaaaaa. Guck mal." Und ich sehe ihn strahlen vor Stolz, weil er mit Papa ein riesiges Haus aus Lego gebaut hat. Die Mini-Chefin liegt zufrieden und glucksend daneben und beobachtet die Beiden.

Und dann weiß ich: Nein, ich muss nicht auf die viele Zeit der schicken Frau neidisch sein. Denn ich habe auch Zeit. Ich habe DIE Zeit. Und zwar habe ich die Zeit meines Lebens und die verbringe ich mit meinen Kindern.

Sicherlich bin ich oft genervt, ich schreie zu schnell rum, bin ungerecht, weil ich zu müde bin, um fair und gerecht zu urteilen. Ich bin müde, k.o. und ausgepowert. Aber all das ist unwichtig, wenn ich meine Kinder so glücklich sehe.

Scheiß auf epilierte Beine!

Keiner weiß, was Morgen ist und deswegen sollten wir das Hier und Jetzt mit unseren Kindern genießen. Scheiß auf Drei-Gänge-Menüs. Scheiß auf lackierte Nägel. Scheiß auf epilierte Beine. Scheiß auf neun Stunden Schlaf.

All das ist nichts wert im Vergleich zu Kissenschlachten, "Mensch ärgere dich nicht"-Spielen, verstecken spielen, malen, basteln, singen, rennen, toben und so vieles mehr. Vielleicht mag es den Anschein haben, dass Kinder uns viel nehmen. Aber das stimmt nicht. Sie geben uns viel mehr, als das sie uns nehmen.

Vor allem geben sie uns ihre ungeteilte Liebe und ihre Zeit. Denn Hier und Jetzt wollen unsere Kinder mit uns Zeit verbringen. In 20 Jahren werden wir wieder Zeit haben, um uns die Beine zu epilieren, die Nägel zu lackieren, in Ruhe zu duschen, in Ruhe zu essen, auszuschlafen ...

Aber dann sehnen wir uns nach der Zeit mit unseren Kindern zurück, die wir tobend, spielend und lachend zusammen verbracht haben.

Nur das zählt. Die Zeit mit unseren Kindern.

Sie ist das Wertvollste, das wir haben.

Text von Dajana Niepraschk, ursprünglich erschienen auf www.mitkinderaugen.com.

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